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MARKUSEVANGELIUM

MARKUSEVANGELIUM, KAPITEL 1

Alex Blend

Markusevangelium

Vorlesungsskript der Lektion

Historisch hat es sich so ergeben, dass das Markusevangelium ein „wenig beanspruchtes“ Evangelium ist. Verschiedene Kommentatoren haben ihn „kurzen Markus“ genannt, und sogar „unbeholfenen Markus“ und „unverdaulichen Markus“. In der Tat, das Evangelium ist kurz, sehr kompakt und nach der Meinung vieler das früheste aller geschriebenen Evangelien.

Unter den synoptischen Evangelien (dazu gehören Matthäus, Markus und Lukas), ist es das am wenigsten eigenständig genutzte. Auf dieses beruft man sich in Parallelverweisen  in anderen Evangelien, aber für sich selber wird es sehr selten genutzt.

Deswegen möchte ich den Leser auf bestimmte Passagen von Markus aufmerksam machen, sowie auf die Herangehensweise, das Besondere des Materials und auf die wertvollen Stellen, die so bei keinem der anderen Evangelisten zu finden sind. Markus schreibt nicht einfach irgendeine Zusammenfassung. Es ist auch keine Kurzfassung der Ereignisse. Markus hat eine besondere Herangehensweise, redaktionelle Ideen, Hinweise an den Leser.

Wir versuchen, uns dieses Evangelium tiefer anzuschauen. Ich habe nicht vor, das ganze Evangelium zu kommentieren. Das hat wirklich keinen Sinn. Aber ich würde doch sehr gerne dem Leser individuelle Fragmente des Evangeliums zeigen.

KAPITEL 1

„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus dem Sohn Gottes“. (Mk. 1,1)

Zuallererst habe ich meine Aufmerksamkeit auf das Johannesevangelium gerichtet, das wie folgt anfängt:

„Am Anfang war das Wort…“ (Joh.1,1)

Darin sehen viele Kommentatoren sofort einen Hinweis auf das Buch Bereschit (1. Buch Mose). Jüdische Quellen sprechen davon, dass Johannes den Anfang wie einen Midrasch aufbaut, die Parallele zum Buch Bereschit.

Bei Markus fängt das Evangelium auch mit dem Wort „Anfang“ an. Aber in der Regel ist es schwer, Kommentatoren zu finden, die diesen „Anfang“ mit dem Buch Bereschit in Verbindung bringen. Und doch verweist Markus, wie ich glaube, auf das Buch Bereschit, um zu zeigen, dass hier die Rede über globale Ereignisse ist, die eigentlich nicht hier angefangen haben. Ich meine, dass Markus deshalb sein Evangelium beginnend schreibt: „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus dem Sohn Gottes“, als eine Art Midrasch auf das 1. Buch Mose.

Wenn man annimmt, dass das Markusevangelium das früheste ist, so wird das Wort Evangelium hier zum allerersten Mal genutzt. Wir sollten uns, von dieser Tatsache ausgehend, das Wort „Evangelium“ genauer ansehen. Traditionell wird das Wort als „Gute Nachricht“ übersetzt.  Die hebräische Übersetzung lautet: „Bessora“ und kann gute und schlechteNachricht bedeuten. Es ist mit dem Wort „bassar“ verbunden, das „existent werden“ bedeutet. Heute wird das Wort nur noch zum Beschreiben des Lebens Jeschua‘s verwendet oder in den Apokryphen und kanonischen Schriften. Es hat sogar aufgehört, „gute Nachricht“ zu bedeuten, obwohl wir sehen können, dass das Wort im Griechischen ursprünglich eine wenig andere Bedeutung hatte.

Als Beispiel kann man Plutarch‘s (45-120 n. Chr.) „Parallele Lebensbeschreibungen“ anführen. Er schreibt, dass Sertorius, nachdem er eine gute Nachricht vom Sieg einer seiner Heerführer hörte, keinem vom Ankommen des Boten erzählte, sondern eine Gämse, mit Kränzen geschmückt, als Zeichen der guten Nachricht, herausführte. Er befahl, sich zu freuen und den Göttern zu opfern, behauptend, dass bald alle von einem sehr glücklichen Ereignis hören würden. Diese Gämse, mit Kränzen geschmückt als Zeichen guter Nachrichten, dass dann dem Boten als Belohnung, Geschenk für die gute Nachricht gegeben wurde, ist bei Plutarch das „Evangelium“. Merken wir uns, dass es nicht einfach nur die „gute Nachricht“ ist. Es ist auch die Belohnung für die „gute Nachricht“.

Wenn wir noch ältere Quellen anschauen, so heißen bei Diodor von Sizilien selbst die Opfergaben „Evangelium“, die den Göttern aus Dankbarkeit für eine gute Nachricht gebracht werden.

„Evangelium“ ist eine Auszeichnung oder ein Opfer für eine gute Nachricht, gute Ereignisse. Und wenn wir versuchen, es in die Sprache hebräischer Terminologie zu übersetzen, dann ist es ein „Dankesopfer“ nicht nur einfach die „Gute Nachricht“. Merken wir es uns.

Markus schreibt weiter „Evangelium Jesu Christi“. Dass sind drei Worte, die man auf zwei verschiedene Weisen verstehen kann. Es scheint, ein so einfacher Abschnitt zu sein, aber man kann ihn verstehen als „die gute Nachricht, die Jeschua brachte“ oder „die gute Nachricht über Jeschua“. Grammatikalisch sind beide Varianten richtig. Es mag sein, dass Markus, als er dies schrieb, diese Tatsache auch mit ausdrücken wollte. Jeschua selbst ist das „Evangelium“. Und das „Evangelium“ ist über ihn, und er selber ist das „Evangelium“, er, der die Befreiung für alles ist.

In manchen Handschriften fehlt das Ende des ersten Verses, fehlt der Zusatz: „Sohn Gottes“. Die Textologie (Wissenschaft über die Wiederherstellung des Urtextes des Neuen Testaments) neigt dazu, anzunehmen, dass diese Worte im Ursprungstext des Evangeliums standen. Also lautet der ganze Text wie folgt:

Anfang des Evangeliums Jesu Christi, Sohnes Gottes“

Wir können also zwei Dinge festhalten: Erstens, es gibt eine Parallele zum Buch Bereschit, und zweitens, die breite Bedeutung des Wortes „Evangelium“.
Markus spricht hier von der langersehnten Nachricht des Opfers
Maschiach Jeschua‘s, des Sohnes Gottes, das seit der Grundlegung der Welt existierte. Markus sagt somit, dass der Anfang und die Grundlage der Schöpfung das Opfer Jeschua‘s war.

Im Midrasch sehen wir des Öfteren ein Verständnis, dass der Allmächtige Asche vom Altar zur Erschaffung des Menschen mit den Worten nimmt: „So erschaffe ICH ihn vom Altar, in der Hoffnung darauf, dass der Mensch bestehen wird“.

Markus spricht vom Wert und der Bedeutung des Opfers in der Geschichte der Menschheit und davon, dass der Evangeliumstext im weiteren Verlauf davon berichten wird, dass im Maschiach Jeschua das Opfer vollständig erfüllt ist.

Prüfung in der Wüste (Mk. 1,12-13)

Wir überspringen einen großen Abschnitt im 1. Kapitel und sprechen über eine Besonderheit, eine sehr ungewöhnliche Beschreibung, die es nur bei Markus gibt.
Es ist die Beschreibung der Prüfung Jeschua‘s in der Wüste.
Fragen wir jemanden, wie Jeschua in der Wüste geprüft wurde, geht es in der Regel um die Beschreibungen im Matthäus- oder Lukasevangelium darüber, dass Jeschua 40 Tage in der Wüste war und fastete, ihn am 40. Tag dürstete und Satan an ihn herantrat, um ihn zu prüfen. Bei Markus lesen wir eine absolut andere Beschreibung (Mk. 1,12-13):

12 Und sogleich treibt ihn der Geist in die Wüste hinaus.
13 Und er war 40 Tage dort in der Wüste und wurde von dem Satan versucht; und er war bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm. (Schlachter)
Das ist alles was Markus über die Versuchung Jeschua‘s schreibt. Erstens sehen wir hier, dass Markus nichts über das Fasten Jeschua‘s schreibt, nichts davon, dass Jeschua diese vierzig Tage nichts gegessen hat. Markus sagt, dass eine Versuchung innerhalb dieser vierzig Tage war, er spricht davon, dass Jeschua mit den Tieren war und die Engel ihm dienten. Diese Aussage treffen wir auch bei den Synoptikern, aber da ist es mit dem Ende der Prüfung verbunden. Bei Markus ist die Rede von der ganzen Zeit der Prüfung. Die Beschreibung von Markus ähnelt überhaupt nicht denen von Matthäus und Lukas. Womit können wir diese Beschreibung vergleichen? Sie ähnelt dem, wie die hebräische Tradition Adam im Garten Eden sieht.

In der Tat ist Adam mit den Tieren zusammen. Er hat keine Angst vor ihnen, sie ordnen sich ihm unter. Er gibt ihnen Namen und offenbart ihr Wesen. Engel dienten Adam. Entgegen dem direkten Verständnis der Thora, erzählen Midraschim, dass Engel für Adam Schaschlik grillten und ihm Wein eingossen. Natürlich ist das nur eine Hyperbel, dennoch dienten die Engel dem Adam im Garten Eden. Und was machte der Satan? Er versuchte Adam durch Eva zu verführen. Hier hat Markus eine Antiparallele zu dem, was bei Adam passierte. Adam war tatsächlich im Garten, hier aber wird die Situation dadurch verstärkt, dass alles in der Wüste passierte. Trotzdem war diese Parallele für den jüdischen Leser des 1. Jahrhunderts wahrscheinlich offensichtlich. Die Rede ist davon, dass Jeschua den Versuchungen widerstanden hat, denen Adam nicht widerstand.

Können wir die Fakten der Synoptiker gegenüberstellen? Markus schreibt nichts, was den synoptischen Evangelien widerspricht. Markus schafft die Komposition so, um Akzente für seine Leser verständlich zu setzen. Er möchte zeigen, dass diese Versuchungen denen ähnlich sind, die Adam durchlebt hat. Nachdem Jeschua die Versuchungen Adams durchstanden hat, hatte er das Recht, „der wiederhergestellte Adam“ genannt zu werden. Nicht nur seinem Wesen nach, sondern auch weil er alle Wahrheit erfüllte, wie er selber in einem anderen Evangelium sagte.

Der die Macht hat (Mk.1,22)

Noch eine Stelle im ersten Kapitel, über die ich sprechen möchte. Es ist keine besondere Stelle im Markusevangelium. Es steht auch in den anderen Evangelien: Die Menschen wunderten sich darüber, dass Jeschua nicht wie die Schriftgelehrten und Pharisäer lehrte, sondern wie ein Mensch, der Kraft hat, wie ein Mensch, der Vollmacht hat.

Mit wem und wie konnten Galiläer Jeschua vergleichen? Streng genommen waren die Galiläer ein einfaches Volk, keine großen Spezialisten in der Rhetorik oder im Unterrichten der Thora. Aber sie waren konfrontiert mit den Tonlagen der römischen Hauptleute und Soldaten, römischer Könige und deren Vertreter, sowie mit Pharisäern.
Im Gegensatz zu den Pharisäern sprach Jeschua wie einer, dem die staatliche und königliche Vollmacht gegeben wurde. Das bedeutete, dass er mit einer großen inneren Kraft redete, so, als hätte er die Kraft und Macht, das Gesetz aufzustellen, dessen sich die Pharisäer zu der Zeit immer mehr beraubten, als Jeschua in Galiläa war.

Das wichtigste aber ist: Meistens, wenn Rabbiner die Thora unterrichteten, wandten sie sich immer an die Tradition der Überlieferung, indem sie sich immer auf ihre Lehrer beriefen. Jeschua aber redete so, als hätte er, wie Mose, das Wissen direkt aus dem Mund der Gwura (Kraft, das ist einer der Namen Gottes), bekommen.

Reinigung des Aussätzigen (Mk. 1, 40-45)

Die letzte Stelle im ersten Kapitel, über die ich reden möchte, ist das Ende des Kapitels, angefangen vom vierzigsten Vers:

40 Und es kam ein Aussätziger zu ihm, bat ihn, fiel vor ihm auf die Knie und sprach zu ihm: Wenn du willst, kannst du mich reinigen!
41 Da erbarmte sich Jesus über ihn, streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will; sei gereinigt!
42 Und während er redete, wich der Aussatz sogleich von ihm, und er wurde rein.
43 Und er ermahnte ihn ernstlich und schickte ihn sogleich fort
44 und sprach zu ihm: Hab acht, sage niemand etwas; sondern geh hin, zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Mose befohlen hat, ihnen zum Zeugnis!

Jeschua sagte, dass der Mensch zu einem Priester gehen sollte, weil nach der Thora nur der Priester offiziell die Reinigung vom Aussatz bestätigen kann. Danach musste er sich in der Mikwa reinigen und ein Opfer zum Zeugnis der Reinigung für die Priester erbringen. Und außerdem befahl Jeschua dem Geheilten, nichts über ihn zu sagen. Hier entsteht eine Situation, die sowohl tragisch als auch komisch ist.

45 Er aber ging und fing an, es vielfach zu verkündigen, und die Sache breitete überall aus, sodass Jesus nicht mehr öffentlich in eine Stadt hineingehen konnte, sondern er war draußen an einsamen Orten; und sie kamen von allen Seiten zu ihm.

Der Aussätzige in seiner Unreinheit sollte außerhalb des Lagers sein, sollte schreien: „Unrein! Unrein!“, um die Menschen zu warnen, sich ihm nicht zu nähern, und konnte nicht in die Stadt gehen. Das Ergebnis dieser Heilung war, dass Jeschua und der Aussätzige die Plätze getauscht haben. Der Aussätzige konnte nun in die Stadt gehen und verkünden, wie wundervoll er geheilt wurde. Ich weiß nicht, was er noch verkündete, aber Jeschua konnte offenbar nicht mehr in die Stadt (warum nicht – das ist eine andere Frage, da er ja auch vorher heilte), da er den Aussätzigen berührte und nach dem Gesetz unrein blieb, bis derjenige sich gereinigt hatte. Jeschua ist an die Stelle des Aussätzigen getreten, außerhalb des Lagers. Es ist nicht einfach eine Geschichte, nicht einfach eine Ironie, es ist ein allgemeiner Hinweis auf das Schicksal des Maschiachs, zu sein außerhalb des Lagers. Der Geheilte geht aber vorwärts bezeugend und eigentlich nichts bereuend.

Wir wissen das Mose am Anfang seiner Berufung, als er dem Allmächtigen nicht glaubte, als er anfing davon zu reden, dass Israeliten ihm nicht glauben werden, mit Aussatz befallen wurde. Der Allmächtige sagte zu ihm, er solle seine Hand in den Busen stecken. Als er sie wieder herauszog, war sie mit Aussatz befallen. Die Tradition sagt, dass es eine Strafe für den Unglauben an das jüdische Volk steht, für eine böse Zunge. Traditionell ist der Aussatz mit der bösen Zunge verbunden, mit bösen Reden, auch hier sehen wir, dass bei dem Menschen, den Jeschua heilte, mit dem Reden nicht alles in Ordnung war. Aber Markus zog hier eine Parallele zwischen Jeschua und Mose.

Und noch eine Parallele. Traditionell wird Maschiach „Mezora“ — Aussätziger genannt, durch seine Wunden wir geheilt sind (Jes. 53). Maschiach‘s Haus wird — „beit mezora“ genannt („Haus des Aussätzigen“), weil er den Aussatz des Volkes Israels auf sich trägt.

So wie das Beispiel dieser Heilung hier beschrieben wird, zeigt uns Markus den Aussatz des Maschiachs. Auf diese Weise erwähnt Markus mit Hinweisen und sehr stichwortartig das, was seiner Meinung nach sein jüdischer Leser wissen muss. Er schreibt es nicht so umfangreich, wie Matthäus es tut. Und doch stehen alle diese Verbindungen bei Markus.

Wenn wir uns weitere Fragmente des Markusevangeliums anschauen, werden wir genau über die hebräischen Aspekte sprechen, über die Dinge, die nach der Meinung von Markus der Leser des ersten Jahrhunderts natürlicherweise verstanden hat. Aber der heutige Leser, insbesondere ohne jüdischen Blickwinkel, kann es nicht ohne weiteres verstehen.

Wir haben die Fragmente des 1. Kapitels, die wir uns anschauen wollten, abgeschlossen.

Mit Euch war Alexander Blend. Danke Ihnen, dass Sie mit mir waren.

KAPITEL 2

Wir studieren weiter das Markusevangelium und fangen mit dem Kapitel 2 an. Am Ende des ersten Kapitels wird darüber erzählt, dass Jeschua nach Kfar Nahum (Kapernaum) nicht hineingehen konnte, weil Gerüchte über seinen Kontakt zum Aussätzigen sich ausgebreitet haben. Aber einige Tage später kommt Jeschua zurück und das wird in der Stadt bekannt. Eine große Menschenmenge kommt in das Haus, wo Jeschua sich aufhält. Wahrscheinlich ist es das Haus von Schimon (Simon) und Andreas, und Jeschua beginnt, die Menschen dvar Torah (Worte der Torah) zu lehren.

Im Vers 3 sehen wir, dass vier Menschen eine große Liege mit einem gelähmten Menschen zu Jeschua bringen. Weil man wegen der großen Menschenmenge nicht durch die Tür gehen konnte, steigen sie aufs Dach, wohin eine separate Leiter führt, und nehmen es auseinander. Dächer bestanden aus Balken, auf die man geflochtene Matten legte. Auf die Matten legte man festgestampfte Erde und pflanzte dort Grass.

Tatsächlich, um das Dach aufzudecken musste man eine Schicht festgestampfter Erde durchgraben, dann einige Matten entfernen, danach das Bett mit dem Gelähmten an die Balken mit Seilen aufhängen und herunterlassen.

Dabei kommt eine selbstverständliche Frage: Durften fremde Menschen, irgendwelche Unbekannten, einfach so kommen und das Dach bei Schimon und Andreas auseinandernehmen? Kann es sein, dass es ein Teil eines kühnen Glaubens ist? Kann es sein, dass es ein Teil einer Tat ist, für die Jeschua sie lobte? Aber von der anderen Seite betrachtet, könnte es sein, dass hier die Rede von keinem anderen, als von vier Jüngern, ist (Jeschua hatte zu der Zeit schon vier Jünger), zwei davon selbst Schimon und Andreas, selbstverständlich war es für sie nicht verboten, das eigene Dach aufzudecken. Jeschua sieht den Gelähmten, den Glauben der Menschen, die ihn hingebracht haben, und sagt (Mk. 2,5):

„Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“

Wir verlassen kurz dieses Thema und machen einen kleinen Exkurs.

Diejenigen, die das Evangelium öfter gelesen haben, wissen, dass Jeschua oft wegen des Heilens der Kranken am Schabbat angeklagt wurde, weil er den Schabbat dabei angeblich übertrat. So ein Dilemma, ob man den Schabbat wegen einer Heilung übertreten darf, existierte zu Jeschuas Zeiten. Heute ist es weniger aktuell, weil die meisten Rabbiner heutzutage zu der Meinung tendieren, dass man sogar wegen einer unbedeutenden Gefahr den Schabbat übertreten darf. Aber es gab noch ein Dilemma, das meistens übersehen wird, und zwar: Ist es erlaubt, den Torah-Unterricht wegen der Rettung eines Menschenlebens zu unterbrechen?

Im talmudischen Traktat „Pirkei Awot“ gibt es eine Geschichte über Rabbi Akiwa, dessen Sohn Schimon im Sterben lag. Als Rabbi Akiwa im Lehrhaus unterrichtete, kam ein Mensch zu ihm und sagte: „Dein Sohn stirbt!“ Aber Rabbi Akiwa fuhr mit dem Unterricht fort. Dann kam ein anderer Mensch und sagte: „Dein Sohn fiel in Ohnmacht!“ Rabbi Akiva fuhr mit dem Unterricht fort. Der dritte Mensch kam und sagte:“ Dein Sohn hat Todeskrämpfe!“ Rabbi Akiwa sagte: „Es ist Zeit für die Fragen zum Lehrstoff. Wenn jemand Fragen hat, kann er sie jetzt stellen“. Erst als der vierte Mensch kam und sagte: „Dein Sohn ist tot!“, sagte Rabbi Akiwa: „Nun, bis gerade eben haben wir die Ehre der Torah gegeben, jetzt wollen wir den Toten ehren!“ D.h. nach Rabbi Akiwas Meinung ist das Studium der Torah wichtiger als das Retten des Menschenlebens. Obwohl wir sagen könnten, dass Ärzte bei dem Sohn gewesen sind und Rabbi Akiwa ihn nicht einfach sterben ließ, sehen wir eine Tendenz bei Rabbi Akiwa, dass er nicht bestrebt ist, in der Nähe seines sterbenden Sohnes zu sein.

Dieses Dilemma ist nicht nur für Rabbi Akiwa aktuell, es gibt viele ähnliche talmudische Geschichten, in denen sich Rabbiner unterschiedlich verhalten. Hier aber schildert Markus uns das Verhalten Jeschuas in dieser Situation, der Barmherzigkeit zeigt, nicht nur indem er den Unterricht unterbricht, sondern indem er die Heilung in eine Torah-Lektion umwandelt, in eine Lektion der Barmherzigkeit. Für Jeschua gibt es nichts Aktuelleres, als Hilfe für einen bedürftigen Menschen. Das sehen wir auch in den anderen Evangelien, z.B. im Gleichnis vom barmherzigen Samariter und an vielen anderen Stellen. Jeschua zeigt, dass die Torah dem Menschen gegeben ist, damit er existiert und sich entwickelt, und nicht umgekehrt. Torah, wörtl. die Lehre, dient dem Menschen zum Leben, und nicht der Mensch dient mit seinem Leben der Torah.

Also sagt Jeschua dem Gelähmten (Mk. 2,5):

„Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“

Seiner Lektion wohnen Schriftgelehrte bei, die Überlegungen haben: „Ist das nicht Gotteslästerung?“ Wenn man nach der Halacha geht, die kurz nach dieser Zeit aufgestellt wird, ist das nach der „Mischna“ (das Gesetzesbuch aus dem II Jahrhundert n.Chr.) auf keinen Fall eine Gotteslästerung, solange der Mensch nicht den Namen Gottes ausspricht. Nichtsdestotrotz werden die Menschen nachdenklich darüber, ob Jeschua das Recht hatte, so zu handeln. Nimmt er nicht die Vollmacht Gottes auf sich?

In der Tat, wenn wir uns die Position Jeschuas und die der Schriftgelehrten ansehen, so würden beide Seiten darin übereinstimmen, dass nur Gott Sünden vergeben kann. Beide Seiten würden auch darin übereinstimmen, dass Gott delegieren, also jemanden senden und bevollmächtigen kann, einem die Sünden in Seinem Namen zu vergeben. Menschen, die auf der Erde wandelten und Vergebung ihrer Sünden bekamen, bekamen diese Vergebung durch Priester und Lehrer, indem sie Zeugen ihrer eigenen Heilung wurden. Die Frage, die Pharisäer in ihren Herzen stellen, ist eigentlich die Frage: Hat speziell Jeschua das Recht (wer ist er eigentlich, dass ihm dieses Recht gegeben wurde?), Sünden zu vergeben? Wenn Jeschua, der die Herzen sieht, diese ungestellte Frage hört, gibt er ihnen noch eine weitere Lektion, und zwar erneut eine Lektion nach der jüdischen Tradition.

In der Tradition der Torah-Auslegung gibt es die Regel „kal vahomer“ – vom Einfachen zum Schwierigen. Zum Beispiel, wenn man wegen der Heilung einer unbedeutenden Krankheit den Schabbat brechen darf, wieviel mehr wegen einer bedeutenden Krankheit. Oder wenn man einem Heiden helfen darf, wieviel mehr einem einfachen Juden. Das waren Beispiele für „kal vahomer„. Im neunten Vers stellt Jeschua ihnen eine Frage (Mk. 2,9):

Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind die Sünden vergeben!, oder zu sagen: Steh auf und nimm deine Liegematte und geh umher?

Es ist nicht die Frage der Leichtigkeit der Aussprache, sie sprechen wunderbar, die Frage ist, wofür man mehr Kraft braucht und was ein größeres Zeugnis wird (Mk. 2, 10-11):

Damit ihr aber wisst, dass der Sohn des Menschen Vollmacht hat auf Erden Sünden zu vergeben, sprach er zu dem Gelähmten:

Ich sage dir, steh auf und nimm deine Liegematte und geh heim!

Nur der, der das sagen kann, kann auch sagen: „Dir sind deine Sünden vergeben“, wenn dieser Befehl wirkt! Wir sehen, dass der Mensch sogleich (das ist der Lieblingsausdruck von Markus, den er vierzigmal benutzt) aufstand (Mk. 2,12):

Und er stand sogleich auf, nahm seine Liegematte und ging vor aller Augen hinaus, sodass sie alle erstaunten, Gott priesen und sprachen: So etwas haben wir noch nie gesehen!

Das heißt, Jeschua zeigte, dass seine Vollmacht, die Kranken zu heilen, bezeugt, dass er Autorität hat, die Sünden zu vergeben. Dass ist eine klassische, jüdische, gelehrte, akademische Antwort auf eine nicht akademische Frage. Darum haben die Schriftgelehrten dem nichts entgegenzusetzen, sie sind besiegt.

Danach geht Jeschua aus dem Haus und geht Richtung Meer. Auf dem Weg geht er an einer Zollstation vorbei. Kfar Nahum befand sich ganz am Rand des Imperiums, das war das erste Zollamt, die erste Station der Zolleintreiber auf dem Weg von Zehnstädtegebiet nach Israel. Selbstverständlich ist es das mächtigste, reichste und maßgeblichste Zollhaus. Am Zollposten saßen Zolleintreiber, auf Hebräisch heißen sie „mochsim„. Zu der Zeit gab es kein größeres Schimpfwort im Bezug auf einen Menschen, als zu sagen, dass er ein „moches“ wäre — ein Zöllner- weil sie das Volk ausnahmen und mit einer fremden Regierung kooperierten. Allgemein waren es böse Banditen, gedeckt vom Römischen Reich. Selbstverständlich würde ihnen niemand aus dem einfachen Volk die Hand reichen, Ihnen und ihren Familienmitgliedern, weil der Talmud sagt: „Wenn jemand in der Familie Zöllner wird, dann sind sie alle Zöllner“. Zöllner gingen von Haus zu Haus, oft das letzte Hab und Gut von Menschen wegnehmend, handelten ungerecht, dementsprechend „genossen“ sie wohlverdiente Missachtung beim ganzen Volk.

Und nun geht Jeschua da vorbei, sieht Levi sitzen und sagt zu ihm (Mk. 2,14): „Folge mir nach!“, und Levi folgt ihm. Er folgt ihm nicht nur, sondern er bringt ihn sogar zu sich nach Hause. Jeschua geht in das Haus eines Zöllners, was schon an sich eine undenkbare Sache ist, setzt sich zu Tisch, und mit ihm waren auch „andere Sünder“ (was nicht bedeutet, dass sie mit Dieben und Zuhältern tranken, es kann aber sein, dass auch Diebe und Zuhälter dabei waren). Zum größten Teil waren da Kollaborateure, andere Feinde des Volkes Israel, Mitarbeiter der Regierung, denen auch niemand die Hand reichen würde. Das hat selbstverständlich Empörung hervorgerufen. Wie kann jemand mit Selbstachtung mit Abschaum der Menschheit zusammen essen!  Über die Ältesten der Jerusalem wurde gesagt, dass sie sich niemals mit jemandem zu Tisch zum Essen legten, bevor sie nicht seinen Stammbaum geklärt hatten. Sie ließen lange nicht jeden in ihre Häuser.

Hier liegt aber Jeschua, ein Lehrer der Torah, zu dessen Unterricht Pharisäer kommen, am selben Tag mit Zöllnern und Sündern zu Tische.

Warum liegen sie zu Tische? Weil Menschen sich damals fürs Essen auf Bänke zu Tisch legten. Welch ein Argument gibt Jeschua gegen so eine Beschuldigung vor? Er sagt (Mk. 2,17):

Nicht die Starken(Gesunden) brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zur Buße zu berufen, sondern Sünder.

Wieder das gleiche Motiv, das wir am Anfang sahen: nicht die Ehre der Torah, nicht die Ehre des Lehrers wird zur Hauptsache, sondern die Errettung des Menschen.

Eine Menschenseele ist kostbar, und wenn sie verloren, krank, gefangen ist, dann ist die Hauptaufgabe, sie zu befreien, zur Bekehrung aufzurufen. Diese Aufgabe ist höher einzustufen als eine Unterrichtsstunde nicht zu unterbrechen oder als sich von einem, sagen wir mal, nicht ganz koscherem Haus fernzuhalten.

Wir betrachten die nächste Geschichte. Dabei wissen wir nicht, ob Geschichten im Markusevangelium in der richtigen chronologischen Reihenfolge wiedergegeben wurden. Höchstwahrscheinlich nicht, weil Markus einfach Geschichten erzählt, die ihm angebracht erscheinen. Er schreibt (Mk. 2,18):

Und die Jünger des Johannes und die der Pharisäer pflegten zu fasten; und sie kamen zu ihm und fragten: Warum fasten die Jünger des Johannes und die der Pharisäer, deine Jünger aber fasten nicht?

Pharisäer fasteten jeden Montag und Donnerstag, zwei Fasttage in der Woche, zur Erlösung der Sünden. Außerdem gab es einen kleinen Jom Kipur – am Vortag jedes Neumonds. Auf diese Weise ergaben sich acht bis zehn Fasttage im Monat, zusätzlich zu Fasttagen, die durch die Torah vorgeschrieben und traditionell festgelegt sind. Zusätzlich hierzu fasteten Menschen, wenn sie einen schlechten Traum hatten usw.

Somit war das Leben eines Pharisäers, seine Askese voller Fasten. Gefastet wurde von der Morgendämmerung bis zum Aufgehen der Sterne. Die besonders eifrigen schlossen einen Fasttag mit einem hart gekochten Ei ab und gingen ins Bett. Mit anderen Worten es war eine starke Selbstdemütigung.

Was antwortet Jeschua auf so eine Frage? Dazu muss man sagen, dass es hier nicht um einen Angriff auf Jeschua geht, es kein Vorwurf, wie es einem vorkommen kann, sondern ein Versuch zu verstehen, warum die Jünger von Jeschua nicht fasten. Jeschua sagt ihnen (Mk. 2,19-20):

Und Jesus sprach zu ihnen: Können die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten.

Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen genommen sein wird, und dann, in jenen Tagen, werden sie fasten.

Das ist eine sehr unverständliche Aussage, weil der Bräutigam normalerweise zum Hochzeitsfest kommt und nicht weggeht, wenn wir von der klassischen Bedeutung des Wortes „Bräutigam“ sprechen. Aber das hebräische Wort „hatan“ hat weitere Bedeutungen. Z.B. der Gewinner eines Preises heißt hatan dieses Preises. Ein Mensch, dessen Sohn beschnitten wird, wird an diesem Tag „hatan mela“ genannt – „Bräutigam der Beschneidung“. „Hatan„- ist derjenige, der in dem Augenblick eine besondere Gnade Gottes besitzt. Jeschua spricht selbstverständlich von sich, solange er mit den Jüngern zusammen ist, ergibt es für sie keinen Sinn zu fasten. Wenn er aber weggenommen wird, dann werden sie fasten. Hier steht ein sehr wichtiges griechisches Verb, das in der Septuaginta bei Jesaja in der Bedeutung „wird abgeschnitten“ und “ wird genommen“ gebraucht wird, d.h. hier sehen wir einen Hinweis auf seine zukünftigen Leiden. Wahrscheinlich haben die Jünger von Johannes gefastet, weil er zu dem Zeitpunkt auch von ihnen genommen wurde. Pharisäer fasteten, weil Mosche von ihnen vor langer Zeit genommen wurde. Die Verbindung zu Mosche, die lebhafte Erfahrung der Vergebung der Sünden hat sich von ihnen bis zu einem gewissen Grad entfernt. Deswegen fasteten sie, und wie wir sehen, fasteten sie viel. Und Jeschua sagt: „Erstmal bis zu einer gewissen Zeit müssen meine Jünger nicht fasten.“ Heute, denke ich, ist das Fasten für einen Gläubigen an Jeschua aktuell. Es gibt viele Offenbarungen und geistliches Wachstum, die man durchs Fasten bekommt. Hauptsache, dass wir uns dabei nicht einfach nur hungrig und von Kopfschmerzen geplagt fühlen.                          

Jeschua sagt, dass wir uns Askese nicht auferlegen können, analog zu einem Flicken aus ungebleichtem Stoff auf alten Stoff, d.h. mit den geistlichen Erfahrungen eines neuen Menschen kann man den alten Menschen nicht ausbessern. Dieselbe Idee hat das Beispiel mit den Schläuchen. In einer neuen Welt, in der Welt, in der Jeschua bei seinen Jüngern ist, ist Fasten kein passendes Mittel für geistliches Wachstum. Und Askese, wie sie bei den Jüngern des Johannes und den Pharisäern praktiziert wird, wird dementsprechend nicht mehr wirklich gebraucht.

Die letzte Geschichte des zweiten Kapitels fängt mit dem dreiundzwanzigsten Vers an. Die Jünger gehen mit dem Lehrer über ein Weizenfeld, unterwegs reißen sie Ähren ab und das alles geschieht am Schabbat. In der Tat ist es umstritten, weil das Abreißen der Ähren erlaubt ist, eigentlich darf man sie nur nicht zerreiben, um sie zu essen.  Aber um sie zu essen, kann man die Ähre knicken, die Körner herausnehmen und essen. Wahrscheinlich war es auch das, was die Jünger machten, aber es gab eine Verschärfung des Gesetzes, sich von solchen Taten fern zu halten. Und wieder tauchen Pharisäer auf, die eine Frage stellen. Eine Frage über das Ehren der Torah haben wir bereits gehört. Jetzt aber schalten wir zur Frage des Ehrens des Schabbats um. Was tun? Was ist wichtiger, der Schabbat oder der Mensch? Jeschua antwortet ihnen (Mk. 2, 25):

Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er Mangel litt und er und seine Gefährten Hunger hatten?

Die Rede ist hier von David, als er in den Tagen des Priesters Ahimelechs in die Stiftshütte in Nob flüchtete. Da gab man ihm Schaubrote aus der Stiftshütte und er aß sie mit denen, die bei ihm waren, obwohl sie niemand außer Priestern essen durfte. Es stellt sich die Frage: Damals aß David die Schaubrote, die man nicht essen durfte. Wieso darf man deswegen nun den Schabbat brechen?

Jeschua baut eine bestimmte hierarchische Leiter der Gebote. Wenn wir wissen, dass man für die Ausübung des Tempeldienstes den Schabbat bricht, dann ist der Tempel wichtiger als der Schabbat. Wenn David ein Tempelgebot übertritt, um sich zu retten (in Wirklichkeit war David da alleine, d.h. er belog Ahimelech), dann ist der Mensch wichtiger als der Tempel. Der Tempel ist dem Menschen gegeben, der Schabbat ist dem Menschen gegeben, und nicht der Mensch dem Schabbat. Jeschua zeigt, dass nicht nur seine Jünger, nicht nur er selber, sondern jeder Mensch größer ist als der Tempel und der Schabbat. Zur Errettung des Lebens, zur Befreiung vom Hunger kann man Ähren abreißen, umso mehr, weil es keine Übertretung des Gebots der Torah ist, sondern eine Übertretung irgendwelcher rabbinischen Vorschriften, die zu der Zeit bestanden.

Hier sagt Jeschua, dass die Geschichte von David, von der hier die Rede ist, in den Zeiten des Abjathars stattgefunden ist. Aber wenn wir diese Geschichte lesen, dann sehen wir, dass der Priester nicht Abjathar war! Und oft sagen unsere Opponenten: „Seht ihr, euer Lehrer vertut sich in den Zeiten! Er weiß nicht einmal richtig, welche Ereignisse zur Zeiten welcher Hohepriester waren!“ Aber wir wissen, dass die jüdische Geschichte in einige Epochen aufgeteilt wird: Die Ära von ben Ijahu ben Jehudaja ist die Ära von Sanhedrin, die Ära des Abjathars ist die Ära „urim wetumim“ (von Urim und Tumim). Darüber können wir im Traktat der Sanhedrin 16(b) lesen, wo diese Chronologie aufgelistet wird, d. h. Jeschua meint nicht die genaue Zeit, als Abjathar Priester war, sondern die Zeit „urim wetumim„, die die Ära des Abjathars heißt. Somit existiert der Fehler, auf den uns unsere Opponenten, die orthodoxen Juden, traditionell hinweisen, einfach nicht.

Jeschua nutzt bloß eine etwas andere Terminologie.

Nun haben wir das zweite Kapitel betrachtet. Wir haben gesehen, dass Markus die Reihenfolge der Prioritäten Jeschuas aufweist, in der wir immer die Priorität der menschlichen Not sehen, der Not der Errettung der Menschen über der Priorität, wie es einem vorkommt, der vermeintlichen Heiligkeit des Gottesdienstes. Mit euch war Alexander Blend. Danke, dass Sie sich entschlossen haben, mich anzuhören.

KAPITEL 3

Das dritte Kapitel des Markusevangeliums beginnt damit, dass Jeschua am Schabbat in die Synagoge kommt, in der sich ein Mann mit einem verkrüppelten gelähmten Arm befindet. Außerdem sind da auch Menschen anwesend, die Jeschua und seine Verhaltensweise bereits kennen. Sie beobachten ganz genau, wie Jeschua handeln wird, ob er nicht am Schabbat heilen wird. Das jüdische Gesetz erlaubt Heilung bei bestehender Lebensgefahr, aber hinsichtlich chronischer Krankheiten herrscht die Meinung, dass eine Heilung am Schabbat verboten ist. Dies wird damit begründet, dass der Mensch bereits vor dem Schabbatbeginn erkrankt war und sein Zustand somit stabil ist, so dass er keiner größeren Gefahr ausgesetzt ist. Demzufolge ist es nicht erforderlich, wegen seiner Heilung den Schabbat zu brechen.

Was ist damit gemeint, wenn man für eine Heilung eines Menschen den Schabbat bricht? Wenn man irgendeine Arbeit ausführt, wie z.B. Heilkräuter im Mörser zu zerkleinern, als Chirurg den Körper mit einem Skalpell öffnen oder eine Beschneidung durchzuführen, sind das alles Handlungen, die man am Schabbat für die Heilung eines Menschen nicht vollziehen darf. Aber im Fall von Jeschua ist die Situation anders. Er begeht keine verbotenen Handlungen, weil es unter den Verboten des Schabbats keine Arbeit namens „Heilen“ gibt.

Wenn man dem Menschen einen Verband anlegen, salben oder Medizin geben müsste, dann würde es sich um ein Verbot handeln. Hier wird aber keine Arbeit ausgeführt.

Somit kann man Jeschua, auch wenn er am Schabbat heilt, nichts vorweisen. Jeschua ist empört, nicht so sehr wegen des Haltens des Schabbats, sondern viel mehr wegen der Hartherzigkeit der Menschen, ihrer Gesetzesauslegung. Unter den dort anwesenden Juden waren bestimmt auch Anhänger der Schule von Schamai, die behaupteten, dass man am Schabbat ein Tier aus der Grube herausholen darf, damit der Besitzer keine Verluste erleiden muss. Zudem ist die jüdische Halacha (Bestimmungen) barmherzig zu Tieren, beispielweise wenn das Vieh gemolken werden soll, damit es nicht leidet, soll man es tun und dadurch sein Leiden lindern. Somit entsteht eine paradoxe Situation, dass im Fall chronisch Erkrankter eine Ausnahme gemacht wird. Das ist die Lehre, die Jeschua hier den Pharisäern geben möchte, und er sagt (Mk. 3,4):

Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes tun oder Böses tun, Leben retten oder töten?

Welche böse Tat hätten die Pharisäer tun können? Gibt es eine Alternative zwischen dem Bösen und dem Guten? Wenn Jeschua vom Bösen spricht, meint er den Versuch der Pharisäer, ihn bei einer Lüge zu erwischen. Seine Worte regen zum Nachdenken an, was besser sei, einen Menschen zu heilen oder darauf zu achten, dass einer den anderen nicht heilt. Die beschuldigten Pharisäer schweigen und dann ohne jegliche Melacha (am Schabbat verbotene Arbeit), ohne den Schabbat zu brechen, bittet Jeschua den Mann, seine Hand auszustrecken, und seine Hand wird geheilt.

Das ist die letzte, die sechste Geschichte des Konfliktes zwischen dem pharisäischen Establishment und Jeschua in dem sehr langen Prolog von Markus.

Ab diesem Zeitpunkt fangen die Pharisäer an, ernsthaft gegen Jeschua zu handeln, sie haben vor, ihn umzubringen, dazu lesen wir (Mk. 3,6):

Und die Pharisäer gingen hinaus und hielten alsbald Rat über ihn mit den Anhängern des Herodes, dass sie ihn umbrächten.

Hier zeigt Markus den bestehenden Kontrast zwischen der Tat von Jeschua, der den Mann heilte, und dem Verhalten der Pharisäer, die nach dem Verlassen der Synagoge einen Plan mit den Heroditen erstellten, wie man Jeschua umbringen könnte.

Wer sind die Heroditen? Wir wissen, dass eine Sekte der Heroditen existierte. Das waren Menschen, die Herodes für den Messias hielten. Warum? Wir lesen in der Tora, dass Jakob beim Segnen seiner Söhne sagt, dass das Zepter von Jehuda nicht abrücken wird, solange „Schilo“ (gewöhnlich wird das als Versöhner übersetzt) nicht kommt. Dieses Wort kann unterschiedlich ausgelegt werden. Eine Variante ist beispielweise: „Solange Jehuda die Kraft seines Enkelsohnes seiner Schwiegertochter nicht gibt.“ Aber hier geht es nicht darum, „Schilo“ kann auch „abgesondert“ bedeuten, derjenige, der nicht von ihm ist, d.h. das Zepter wird nicht von Jehuda abrücken, solange derjenige nicht kommt, der nicht aus dem Stamm Jehuda ist. Und das kann in Verbindung mit dem Ankömmling gebracht werden, der eine geheimnisvolle Abstammung hatte, nämlich Herodes. Er fällt nicht in die Kategorie der Herrscher aus dem Haus David, aus den Nachkommen Jehuda. Deswegen sah man in ihm einen neuen Herrscher, einen aufgehenden Stern der messianischen Epoche. Die Sekte der Heroditen war klein. Um sie herum versammelten sich Menschen, die sich nicht mit der Theologie beschäftigten, sondern sie waren einfach Anhänger von Herodes, manchmal seine politischen Freunde. Die Heroditen waren eine gemischte Gruppe. Die örtlichen Heroditen waren nicht wirklich Politiker, aber auf jeden Fall waren sie eine regierungsnahe Gruppe, die das Potential viel mehr in der Bewahrung der Ruhe und Sicherheit im Lande sah, als in der Bewahrung der Halacha (Bestimmungen, Überlieferungen). Daher fiel es ihnen einfach, mit den Pharisäern eine Übereinstimmung zu erreichen, dass Jeschua und Ruhe nicht vereinbar sind.

Jeschua geht mit seinen Jüngern zum Meer, und viele aus dem Volk folgen ihm nach. Da Markus von einem sehr großen Territorium spricht, Galilea, Judea, Jeruschalaim, Idumeja, Jordan, das ist heute fast das ganze Territorium von Israel, Jordanien, Libanon und einem Teil von Syrien, kann man annehmen, dass es sich um eine sehr große Volksmenge handelt. Aber Jeschua ist an diesem Zeitpunkt nicht bereit oder willens, mit so einer großen Anzahl von Menschen zu kommunizieren. Menschen mit Geschwüren stürzen sich auf Jeschua, um ihn zu berühren, unreine Geister gehen hinaus, und vieles anderes passiert um seine Person. Und Jeschua zieht sich für einige Zeit von der Menschenmenge zurück. Er steigt auf einen Berg. Die Tradition spricht gewöhnlich von dem Berg Tabor, obwohl wir es nicht genau wissen, da es in Galilea viele Berge gibt. Unabhängig davon geht er zu dem Berg hinauf, nimmt diejenigen, die er für richtig hält, mit und wählt daraus zwölf Jünger – das ist ein innerer Kreis der ihm am nächsten stehenden Schüler. Wozu macht er das? Markus sagt (Mk. 3, 14-15):

Und er setzte zwölf ein, die er auch Apostel nannte, dass sie bei ihm sein sollten und dass er sie aussendete zu predigen und dass sie Vollmacht hätten, die Dämonen auszutreiben. 

Jeschua befähigt seine Jünger, gibt ihnen die Kraft, Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben, weil die Menschenmenge wächst und viele Schnitter für diese Ernte erforderlich sind. So wählte er aus (Mk. 3, 16-19):

Und er setzte die Zwölf ein: Simon – ihm gab er den Namen Petrus – und Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, den Bruder des Jakobus – ihnen gab er den Namen Boanerges, das heißt: Donnersöhne. 

Boanerges“ ist im Griechischen ein sehr unverständliches Wort, „Donnersöhne“. Wenn wir den ersten Teil „boane“ als verdrehtes Griechisch verstehen können, bedeutet das „benim“ – Söhne. Was ist „rgez“? „Roges“ ist Zorn, aber in keinem Fall Donner. Es ist nicht klar, welches hebräische Wort gemeint wird. Daher wird häufig die Meinung vertreten, dass es das aramäische Wort „radges“ ist, was tatsächlich „Donner“ bedeuten kann, aber dieses Wort bleibt trotzdem unklar.

(Mk 3,18-19):

und Andreas und Philippus und Bartholomäus und Matthäus und Thomas und Jakobus, den Sohn des Alphäus, und Thaddäus und Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn dann verriet.

Als letzter wird Judas Iskariot genannt („Isch“ – Mensch, „Krajot“ – Kariot, d.h. „ein Mensch aus Kariot“). Krajot ist ein kleiner Ort. Heutzutage wird er mit dem Platz zwischen Arad im Süden Israels und der Ortschaft „Mezudat Jehuda“ in Verbindung gebracht. Sehr gut erhalten blieb der archäologische Ort unter dem Namen „Krajots Ruinen“, hier kann man einige Häuschen sehen, in einem von denen ist Judas Iskariot vermutlich großgeworden. Dieser Ort wird von Vorbeifahrenden besucht, aber es ist eher eine historische Kuriosität. Also wählt Jeschua zwölf Junger aus. In der Tradition ist es üblich, einen inneren Kreis von Schülern zu bilden. Das sieht man bei Rabbi Akiva und bei anderen Rabbinern. Sie alle wählten für sich so einen engeren Kreis. Natürlich sind diese zwölf Junger sinnbildlich betrachtet wie die zwölf neuen Stämme Israels, die den Anfang einer neuen Epoche in der Geschichte Israels symbolisieren. Praktisch gesehen zeigt Markus auf, dass die Ereignisse sich in einem Aufwärtstrend entwickeln. Um Jeschua herum versammelten sich immer viele Menschen, die unter unterschiedlichen Krankheiten litten und von Dämonen besessen waren. Deswegen brauchte er Helfer, die auch Kranke heilen und Dämonen vertreiben könnten.

Danach gehen sie den Berg in Kfar-Nachum hinunter und sofort versammelten sich Menschen um sie herum, sodass sie keine Möglichkeit hatten zu essen. Sie hatten keine Pause. Ab dem Vers 21 lesen wir dann von ziemlich dramatischen Ereignissen (Mk. 3,21):

Und als es die Seinen hörten, machten sie sich auf und wollten ihn ergreifen; denn sie sprachen: Er ist von Sinnen.

Die Seinen – das ist die Familie von Jeschua, die älteren Verwandten, die für ihn verantwortlich waren. „Ihn ergreifen“ – das bedeutet, ihn festzunehmen, ihn zu inhaftieren, weil er von Sinnen war. In Wirklichkeit ist es aus dem Text von Markus nicht ersichtlich, wer von Sinnen war. Es besteht eine gerechtfertigte Vermutung, dass die Menschenmenge außer Kontrolle geriet. Die durch messianische oder mystische Ideen erleuchtete Menschenmenge wird schwer steuerbar. Wir werden nie erfahren, wie sich unsere Ideen und Worte in der Menschenmenge widerspiegeln, oder wie Menschen in der Menschenmenge messianische Lehre wahrnehmen. Selbstverständlich sind es verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Ideen und Gedanken, die Jeschua gefolgt waren. Diese Menschenmenge womöglich tobte und raste. Das gleiche Wort wird auch in der Apostelgeschichte (26:24) verwendet, wo zu Paulus gesagt wird: „Paulus, du bist von Sinnen!“ Paulus selbst verwendet das Wort im Korinther Brief (2.Kor. 5:13): „Wenn wir nämlich von Sinnen waren…“ Die Rede ist hier über die außer Kontrolle geratene Menschenmenge, das Gerücht darüber erreichte die Familie von Jeschua, die nicht so weit entfernt in Nazareth lebte. Eventuell bestand die Befürchtung, dass diese Geschichte die Aufmerksamkeit der römischen Regierung auf sich ziehen würde. Denn es geschehen Ereignisse, von denen keine Regierung begeistert sein wird.

Im Vers 22 sehen wir noch ein Bild. Aus Jerusalem kommen die Gelehrten, die sagen, dass Jeschua Beelzebul in sich hat. Eigentlich ist Beelzebul eine akkadische Gottheit, die in keiner Verbindung mit dem Jenseits, mit dem Höllischen usw. steht. „Baal Zeebul“ ist eine Zusammensetzung von zwei Namen verschiedener Götzen. Man könnte es so übersetzen: „Baal“ ist der Herr, in damaligen Zeiten wurde dieser Name zur Bezeichnung eines dämonischen Fürsten verwendet. Also was für Gelehrte kamen aus Jerusalem? Und warum entschieden sie sich zu kommen?

In Kfar-Nachum passierten furchtbare Ereignisse. Dort versammelte sich eine Menschenmenge, die sich verdächtig verhielt. Im Zentrum steht ein aus der Sicht von Jerusalem seltsamer Heiler. Daher konnte der Sanhedrin sehr wohl eine prüfende Delegation von Richtern schicken, um Jeschua zu ermahnen und ihn später, wenn es notwendig sein soll, zu töten. Kein Urteil über einen Menschen durfte ausgeführt werden, ohne vorherigen Prüfung und Warnung, dass die Handlungen zur Todstrafe führen können. Auch Pharisäer kamen, um die Sache von Jeschua als Hauptanstifter in der Stadt zu prüfen. Sie nahmen an, dass er die Dämonen mit Kraft des dämonischen Fürsten „Baal Zeebul“ austreibt. Diese Menschen sind ihm vielleicht feindlich gesinnt, aber trotzdem müssen sie im Rahmen eines bestimmten Protokolls handeln: Mit Jeschua unmittelbar sprechen, ihm Fragen stellen, und er konnte sie auch zum Gespräch auffordern. Jeschua antwortet ihnen in Gleichnissen und sagt (Mk. 3,23-27):

Wie kann der Satan den Satan austreiben? Wenn ein Reich mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen. Und wenn ein Haus mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen. Erhebt sich nun der Satan gegen sich selbst und ist mit sich selbst uneins, so kann er nicht bestehen, sondern es ist aus mit ihm. Niemand aber kann in das Haus des Starken eindringen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken fesselt; und dann wird er sein Haus ausrauben.

Hier sehen wir, dass Jeschua Begrifflichkeiten aus der Zeit zwischen dem Alten und Neuen Testament verwendet. Wenn wir uns an den Tanach (in der christlichen Tradition sind es die kanonischen Bücher des Alten Testaments) wenden, sehen wir, dass Satan ein dienender Geist ist und keine abgesonderte Macht in einem separaten Haus. In der Literatur des Neuen Testamentes erscheint schon eine Idee, dass Satan ein rebellischer Anführer einer rebellischen Engelgruppe ist oder ein Geist, der in Opposition zum Allmächtigen steht. Entweder antwortet Jeschua den Pharisäern entsprechend ihren Vorstellungen und in ihrer Sprache: „Wenn ihr schon an Satan als Opposition und Kämpfer gegen den Allmächtigen glaubt, wie kann er dann anfangen, sich selbst auszutreiben, wozu die ganze Vermummung!“ Oder das Zweite, was sehr wahrscheinlich ist: Jeschua spricht über die Trennung des Satans, über die Teilung des Königreichs in zwei Häuser, darüber, dass Satan keine separate Macht haben kann. Satan kann nicht ungebunden sein, wenn es nur eine Macht des Allmächtigen in der Welt gibt. Und wenn der Satan nicht gebunden ist, dann ist das Haus Gottes, das Königreichreich Gottes geteilt und besteht nicht. Es kann sein, dass das Gleichnis, wenn es auch von Satan spricht, an die Weltschöpfung erinnert, daran, dass man sich nicht vorstellen kann, dass irgendeine zweite Macht existiert. Wenn eine zweite Macht außer des Allmächtigen entsteht, dann wird es das Ende des Königreichs Gottes sein, Gott bewahre. Seine Rede beendet Jeschua mit Worten (Mk. 3, 28-29):

Wahrlich, ich sage euch: Alles wird den Menschenkindern vergeben werden, die Sünden und die Lästerungen, so viel sie auch lästern mögen; wer aber den Heiligen Geist lästert, der hat keine Vergebung in Ewigkeit, sondern ist ewiger Sünde schuldig.

Traditionell galt, dass jeder Mensch, egal was für ein Sünder er war, immer den Aufruf zur Buße hört. Jede Sekunde kommt eine Stimme vom Himmel, die sagt: „Bekehrt euch, meine Söhne! Bekehrt euch! Bekehrt euch, meine schelmischen Söhne!“ Vögel verdünnen die Luft so, dass diese himmlische Stimme auf der Erde hörbar wird. Und diese Stimme ist die Stimme des Heiligen Geistes. Die Haupthandlung des Heiligen Geistes ist, Menschen zur Heiligkeit und Buße zu bewegen. Und wenn der Mensch über den Heiligen Geist lästert und seine rettende Kraft negiert, dann kann dieser Mensch nicht zur Buße aufgerufen werden und somit auch keine Vergebung erfahren. Deswegen kann die Lästerung des Heiligen Geistes, Widerstand gegen den Heiligen Geist nicht vergeben werden, denn das Verfahren der Vergebung an sich funktioniert nicht. Wenn es ein Verfahren ist, dann bekommt niemand Errettung, niemand Vergebung, der den Heiligen Geist lästert. So ist die Antwort von Jeschua den Pharisäern.

Das bedeutet aber nicht, dass wir alle Erscheinungen, die heutzutage als Wirken des Heiligen Geistes gesehen werden, als solche betrachten sollen. Wir sollen einen gesunden Verstand und gesunde Überlegungen zu jeder Fragestellung haben, damit unsere Anerkennung irgendwelcher Erscheinungen als Wirken des Heiligen Geistes, nicht zur Lästerung des Heiligen Geistes wird. Man sollte sehr vorsichtig bei dieser Frage sein, um keinen falschen Propheten, falschen Lehrern zu folgen und nicht in eine Falle zu geraten.

Die letzte Geschichte, die wir behandeln, ist eine Fortsetzung des Verses 21. Es ist so, dass die Geschichte mit Pharisäern in der Geschichte mit der Familie enthalten ist (Mk. 3, 31-32):

Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. 

Jetzt sehen wir den wahren Grund, warum sie kamen. Nicht aus Liebe und Sorge um Jeschua, sondern weil sie entschieden, dass er von Sinnen sei. Sie hielten ihn für verrückt. Oder weil sie eine tobende Menschenmenge sahen und befürchteten, dass es ein schlechtes Ende für sie nehmen kann. Ihr Motiv war nicht die Sorge um Jeschua und seine Sicherheit. Sie kümmerten sich um ihre Familie, dass Jeschuas Verhalten keinen schlechten Ruf für sie mit sich zieht. Jeschua antwortet (Mk. 3, 33-34):

Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! 

Jeschua sagt: Weil diese Menschen mit ihrer ganzen Liebe, nicht nach dem Willen Gottes trachten, gehören sie nicht zu seiner geistlichen Familie. Und er kann sich ihnen nicht unterordnen. Das ist ein wichtiger und feiner Moment. Natürlich hat Jeschua wie jeder Mensch und wie jeder Jude das Gebot seinen Vater und seine Mutter zu ehren. Das Gebot, das Liebe zu den Eltern, Gehorsam ihnen gegenüber usw. beinhaltet. Aber es bleibt eine Prioritätsliste bestehen, auf der der Dienst für Gott auf dem ersten Platz steht.

Das Gebot über den Umgang eines Menschen mit seinen Eltern befindet sich auf der ersten Tafel. Traditionell herrscht die Meinung, dass die erste Bundestafel die Tafel der Liebe zum Allmächtigen ist. Fünf Gebote über Beziehungen mit Gott werden zusammengefasst: Liebe den Herrn, deinen Gott mit dem ganzen Herzen und mit der ganzen Seele. Und die zweite Tafel ist die Tafel der Nächstenliebe: gebe kein falsches Zeugnis, begehre nicht, stehle nicht usw. Das Gebot über das Ehren der Eltern befindet sich, wie schon gesagt, auf der ersten Tafel, auf der Stelle, wo die Gebote über die Beziehung zu Gott enden und die Gebote über die Beziehung zum Nächsten beginnen. Um dem Allmächtigen zu dienen, muss man Vater und Mutter ehren. Sie geben uns die Tradition weiter, sie erzählen uns von Gott. Aber wenn die Eltern es versuchen, uns bei unserem Dienst für Gott zu hindern, dann ändert sich die Prioritätsordnung. Natürlich soll man Eltern ehren, aber man darf nicht die Synagoge verlassen, man darf wegen der Ehrung der Eltern den Dienst für Gott nicht aufgeben. Andere Zeichen der Aufmerksamkeit und des Respekts soll man ihnen erweisen. Aber wir geben hier keine Carte Blanche dem Menschen, der zum Glauben kam und begann, die Gebote zu halten, aber seine ungläubigen Eltern verachtet. Denn häufig ist es ein Ausdruck des Stolzes und nicht der Wunsch, seine Möglichkeit Gott zu dienen zu verteidigen. Es ist ein reiner Egoismus.

Im Dienst von Jeschua sehen wir, wie die Gnade Gottes wirkt, wie durch sie Menschen geheilt werden und Gott näherkommen. Das Volk umringt ihn ständig und hört frohe Botschaft über Heilung und Befreiung. Und Jeschua kann diesen Dienst nicht aufgeben, um sich seiner Mutter und den Brüdern unterzuordnen und zu Hause zu bleiben, trotz seiner Verpflichtung, Vater und Mutter zu ehren. Dieses Gebot hat seine Grenzen und Jeschua sagt (Mk. 3, 35):

Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.

Der Autorität so einer Familie, wo die Erfüllung des Willens Gottes Priorität hat, darf man sich und soll man sich entsprechend unterordnen.

KAPITEL 4

Bevor wir mit dem 4. Kapitel des Markusevangeliums anfangen, sollten die ersten drei Kapitel zusammengefasst werden. Wir betrachteten zunächst den zunehmenden Widerstand zwischen Jeschua und Pharisäern in der Frage der Gebotsbefolgung. Die beiden Seiten sind darin einverstanden, dass man die Gebote halten soll. Die Widerstände zwischen den Pharisäern und Jeschua betreffen die Methodologie der Gebotsbefolgung, z.B.: Wie soll man Schabbat halten, Umgang mit Aussätzigen, mit Menschen, die außerhalb des Lagers sind.

Das vierte Kapitel – und darüber wird wenig gesprochen – ist einer anderen grundlegenden Meinungsverschiedenheit zwischen Jeschua und Pharisäern gewidmet. Diese Meinungsverschiedenheit betrifft die Methodologie des Tora-Unterrichts: Wen darf man unterrichten, wie soll man unterrichten und welche Tora soll gelehrt werden. Darauf setzt Markus den Schwerpunkt in Kapitel vier.

So beginnen wir von Anfang an (Mk. 4,1):

Und er fing abermals an, am Meer zu lehren. Und es versammelte sich eine so große Menge bei ihm, dass er in ein Boot stieg, das im Wasser lag, und er setzte sich; und alles Volk stand auf dem Lande am Meer.

Diese Beschreibung erfordert eine gesonderte Aufmerksamkeit, weil die Brandung vom See Genezareth immer laut ist, und damit das Volk die Lehre hören kann, ist Stille erforderlich. Jeschua musste lauter als durch die Brandung erzeugter Lärm sprechen oder ein Wunder passierte und Stille brach ein (Mk. 2-6):

Und er lehrte sie vieles in Gleichnissen; und in seiner Predigt sprach er zu ihnen: Hört zu! Siehe, es ging ein Sämann aus zu säen. Und es begab sich, indem er säte, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel und fraßen’s auf. Anderes fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Da nun die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. 

Gleichnis oder Maschal auf Hebräisch ist eine Metapher, um etwas Geheimes mitzuteilen.

Sehr häufig wurde auf so genannten Terrassen gesät. Das sind schmale leicht abfallende Bergflächen, die von beiden Seiten durch Steine umringt sind, die das Abrutschen des Bodens verhindern. Somit waren am Weg entlang liegende Steine die erste Stelle, wohin der Samen fallen konnte. Da besteht keine Möglichkeit, Wurzeln zu schlagen, der Samen liegt auf der Oberfläche, Vögel kommen und picken den Samen.

Weiter geht es um eine steinige Stelle. Damals wie heute ist der Boden in Galiläa überhaupt nicht tief. Fängt man an zu schaufeln, stößt man sehr schnell auf Steine. Selten kann man einen guten Boden auf solchen Berghängen, Terrassen finden.

Als die Sonne aufging (es ist gemeint, dass die Sonne hochsteht und brennt), verbrannte, vertrocknete der Samen. Weiter lesen wir (Mk. 4, 7):

Und anderes fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen empor und erstickten’s, und es brachte keine Frucht. 

Der dritte Samen fiel unter die Dornen (in dem Fall ist jegliches Unkraut gemeint). Um die Bodenfläche zum Säen vorzubereiten, muss man das Unkraut entfernen, es mit Wurzeln rausziehen. Wenn man das Unkraut nur abschneidet, bleiben die Wurzeln dann in der Erde und werden den Samen ersticken und die Säfte aus den in der Nähe wachsenden Wurzeln ziehen. Weiter (Mk. 4, 8-9):

Und all das Übrige fiel auf das gute Land, ging auf und wuchs und brachte Frucht, und einiges trug dreißigfach und einiges sechzigfach und einiges hundertfach. Und er sprach: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Dieses Gleichnis erzählte Jeschua dem ganzen Volk.

Und als er allein war, fragten ihn, die um ihn waren, samt den Zwölfen nach den Gleichnissen. 

Es ist verwunderlich, dass das Gleichnis Jeschuas seinen nächsten Jüngern unklar bleibt. Wenn man sich fragt, ob das Gleichnis dem Volk verständlich ist, dann ist der springende Punkt, dass das Volk nicht die Bedeutung der Lehre bewahrt, sondern das Gleichnis selbst. Und die Geschichte darüber, dass der Säer herauskam und begann Samen zu säen, stellt ein klares Bild dar. Sie wird leicht von Mund zu Mund weitergegeben, sodass sich früher oder später jemand finden wird, der es verstehen und auslegen kann. In diesem Sinne ist ein Gleichnis sehr bequem, weil es einen klaren Hinweis auf einen unverständlichen Inhalt gibt. Deswegen ist es viel einfacher, durch Gleichnisse Informationen den Zuhörern zu vermitteln.

Die Jünger fragen ihn also über das Gleichnis. Jeschua antwortet ihnen folgendermaßen (Mk. 4, 11-12):

Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; denen draußen aber widerfährt es alles in Gleichnissen, auf dass sie mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.

Es ist eine etwas seltsame Behauptung im Evangelium. Die traditionelle Lehre unterscheidet (diese Unterscheidung existierte bereits zur Zeit Jeschuas) vier Ebenen des Tora-Verständnisses: „Pschat“ – die einfache Bedeutung, „Remes“ – Andeutung, Gleichnis, „Drasch“ – Auslegung, Allegorie und „Sod“ – Geheimnis, eine geheime Lehre (zur geheimen Lehre gehörte z.B. die Frage über Ezechiels Wagen).

Im Geheimen wurde die tiefe Bedeutung des Hohelieds studiert und andere besondere  Abschnitte des Tanach (Kanon des Alten Testaments in der christlichen Tradition). Geheimere Lehren, die deutlich weniger mit Sola Scriptura und mit dem Tanach verbunden sind, sind zum Beispiel Geheimnisse von besonderen Namen, eine heimliche Reise in die oberen Welten usw. Das bedeutet, dass Tora in den Augen unserer Lehrer mehrere unterschiedliche Ebenen enthält.

Das Studium der Tora wurde bei weitem nicht allen gestattet. Zum einen war es teuer, zum anderen musste man seine Herkunft nachweisen, man musste entsprechend aussehen, reich sein usw. D.h. sogar unter Pharisäern, Verbreitern der Tora, existierten Einschränkungen – nicht alle verfügten über dieses Privileg.

Hier sagt Jeschua aber, dass nur Jünger den verborgenen Sinn der Lehre verstehen können. Alle anderen werden in Gleichnissen unterrichtet. Sie kennen nur die zweite Ebene des Torastudiums – „remes“. Warum bleibt dieses Verständnis vor ihnen verborgen? – „damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.“ Hier sollte erklärt werden, warum die Deutungen der Tora geheim sind. Nicht weil jemand sie versteckt, sondern weil sie sich selbst verstecken. Sie verstecken sich, weil sie geheim, verborgen sind. Und bevor der Mensch dazu kommt, soll er Buße tun, sich von seinen Sünden bekehren und erst dann kann er die Geheimnisse der Tora begreifen. Das bedeutet aber nicht, dass die Tora von diesem Menschen am Anfang versteckt werden muss. Tora wird dem Menschen auf dem Niveau unterrichtet, auf dem er würdig und in der Lage ist, sie wahrzunehmen.

Somit ist geklärt, warum Jeschua zum Volk nicht direkt, sondern in Gleichnissen spricht.

Weiter fängt Jeschua an, das Gleichnis zu deuten und in der Deutung geht es um das Toralernen (Mk. 4, 14-20):

Der Sämann sät das Wort. Diese aber sind es, die an dem Wege sind: Wo das Wort gesät wird und sie es gehört haben, kommt alsbald der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät war. Und diese sind es, die auf felsigen Boden gesät sind: Wenn sie das Wort gehört haben, nehmen sie es sogleich mit Freuden auf, aber sie haben keine Wurzel in sich, sondern sind wetterwendisch; wenn sich Bedrängnis oder Verfolgung um des Wortes willen erhebt, so kommen sie alsbald zu Fall. Und andere sind es, die unter die Dornen gesät sind: Die haben das Wort gehört, und die Sorgen der Welt und der trügerische Reichtum und die Begierden nach allem andern dringen ein und ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht. Und jene sind es, die auf das gute Land gesät sind: Die hören das Wort und nehmen’s an und bringen Frucht, einige dreißigfach und einige sechzigfach und einige hundertfach.

Das Gesäte am Weg symbolisiert diejenigen, in die das Wort gesät wird, aber zu denen Satan kommt und das Gesäte in ihren Herzen stiehlt. Es gibt Sünden oder sündhafte Eigenschaften des Menschen, die ihn stören, das Wort wahrzunehmen, z.B. Stolz, der sagt: „Das alles ist Unsinn! Wir können auch ohne eure Lehren leben! Es gibt keinen Gott. Kosmonauten waren im Weltall und sahen Gott nicht!“ usw.

Wir sehen, es gibt Herzen, in die man den Samen nicht einpflanzen kann, weil sie durch eine langjährige Beleidigung oder durch Stolz oder etwas anderes eingeklemmt sind. Dennoch sind diese Menschen empfänglich, man kann sie durch Märchen, Gleichnisse oder Aphorismen erreichen. Ein direkt gesätes Wort führt aber zu keinem Ergebnis – der Satan kommt, die Sünde kommt und stiehlt das Wort.

Das Nächste ist das Gesäte auf felsigen Boden. Ein nicht tiefer, felsiger Boden ist reich an nahrhaften Stoffen, weil er komplett aus Humus besteht. Diese Menschen nehmen mit Leichtigkeit jede Lehre an, aber nur dann, wenn alles um sie herum gut und fröhlich ist. Lange arbeiten, jemanden auferziehen passt ihnen nicht. Sie wollen alles und sofort. „Wofür gibst du mir das Buch zum Lesen? Erzähl mir lieber mit eigenen Worten.“ Wenn die Zeit der Arbeit an sich selbst, Selbstveränderung, Trauer, Verfolgung, und persönlicher Probleme beginnt, schalten die Menschen auf diese Umstände um und vergessen den Samen.

Die dritte Variante ist das Gesäte unter die Dornen. Es ist das Gesäte in dem Menschen, der im Alltag, in der Suche nach Reichtum, in der Lösung von Problemen versunken ist.  Dieser Mensch kann versuchen, das Wort wie eine Magie anzuwenden. Oft kann man hören wie einige falsche Lehrer behaupten: „Durch das Wort werdet ihr Wohlstand bekommen, Gott wird euer Leben verändern, ihr werdet reich, ihr werdet so leben, dass alle anderen auf euch neidisch werden.“ Wenn das nicht funktioniert, werden die Menschen enttäuscht und gehen und vergessen das Wort und das Wort bleibt ohne Frucht.

Das letzte Beispiel ist das beste Beispiel von allen. Es ist der Samen, der auf das gute Land gesät wird. Es symbolisiert diejenigen, die das Wort hören, annehmen und Frucht bringen – der eine das Dreißigfache, der zweite das Sechzigfache und der dritte das Hundertfache.

Über dieses Gleichnis wurde viel geschrieben.  Das ist eins der populärsten Gleichnisse für Kommentatoren, und viele unterschiedliche Menschen, jeder nach seinem Wissen und Verständnis, versuchen dieses Gleichnis zu deuten.

Worum geht es hier? Vielleicht geht es hier um Reich Gottes oder um Errettung? Oder vielleicht um Bilanz des Dienstes Jeschua in Galiläa?

Ich neige dazu, hier das allgemeine Prinzip des Dienstes zu sehen. Da der Sämann über eine unbegrenzte Samenmenge verfügt, nimmt die Tora, die er sät, nicht ab. Er hat keine Angst, auf jeden Boden zu säen. Das Wort Gottes ist für jeden zugänglich und versteckt sich vor keinem. Jeder, der es will, kann kommen und hören. Der Sämann wählt den Boden nicht aus. Er sucht nicht danach, wo er bessere Schüler bekommen wird. Diese Herangehensweise motivierte viele Menschen zu weit entfernten Stämmen und Gemeinschaften zu gehen und für sie die Tora zu erklären und zu übersetzen, auch wenn einige evangelische Begriffe schwer zu übersetzen waren. Dennoch stellten die Menschen sich dieser Aufgabe und strebten danach, sie zu lösen.

Die Herangehensweise von Jeschua ist in dem Fall universell – jeder Mensch hat das Recht darauf, sich dem Wort Gottes anzuschließen und es zu berühren. Das Wort Gottes ist für jeden zugänglich. Jeschua sieht darin die Hauptaufgabe.  Der Sämann wird in der Geschichte als ein positiver Held abgebildet. Das Wort Gottes als Licht für diese Welt soll allen Völkern leuchten und es ist nicht relevant, wie und wer mit diesem Licht umgeht. Und als Fortsetzung dieses Gedankens sagt Jeschua im Vers 21 (Mk. 4, 21):

Und er sprach zu ihnen: Zündet man denn ein Licht an, um es unter den Scheffel oder unter die Bank zu setzen? Und nicht, um es auf den Leuchter zu setzen? 

Hier geht es um eine Öllampe und um ein spezielles Regal dafür, um die höchste Stelle im Haus, wo nichts das Lampenlicht verdeckt. Wir sollen das Licht nicht nur für uns allein anzünden, damit es eine möglichst kleine Fläche beleuchtet. Wir sollen keine Angst haben, alles um uns herum zu beleuchten, wir haben nichts zu verstecken. Im Vers 22 steht geschrieben (Mk. 4, 22):

Denn es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werden soll, und ist nichts geheim, das nicht an den Tag kommen soll.

Diesen Vers legten mehrere Kommentatoren aus, und oft kann man als Schlussfolgerung hören, dass angeblich jedes Geheimnis unbedingt offenbart wird. Z.B. wenn du als Kind Kirschen bei dem Nachbarn stahlst, werden keine 70 Jahre vergehen, bis es allen bekannt wird. Oder mit vier warst du in ein Mädchen in der Nachbarschaft verliebt, sie wird nicht in Rente gehen, bis sie das erfährt. Oft wird es genau so erklärt.

In der Tat spricht Jeschua hier von der Schrift, von der Tora. Es gibt kein Geheimnis in der Tora, das nicht offenbart werden sollte. Der Allmächtige möchte, dass das Volk die ganze Tora versteht, dass Menschen nicht einander lehren müssen, sondern der ausgegossene auf das Volk Geist selbst die Tora gibt, die auf ihren Herzen geschrieben ist. D.h. hier geht es nicht um irgendwelche alltäglichen Geheimnisse, nicht um kindliche oder jugendliche Geheimnisse, sogar nicht um irgendwelche verdeckten Sünden. Hier geht es darum, dass die Tora offenbart werden kann und soll, ohne dass man auf eine explizite Anweisung dafür wartet, sondern im Gegenteil soll man verstehen, dass darin die Absicht des Vaters besteht (Mk. 4, 23):

Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Und im Vers 24 ergänzt Jeschua (Mk. 4, 24):

Und er sprach zu ihnen: Seht zu, was ihr hört! Mit welchem Maß ihr messt, wird man euch zumessen, und man wird euch noch dazugeben.

Diese Phrase ähnelt der, die wir bei Matthäus 7, 2 lesen: „Denn wie ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden“. Hier geht es um die Wahrnehmung der Tora. Wenn wir den Menschen nicht prüfen, ob er gut genug ist, um das Wissen zu erhalten, das wir ihm geben, dann bekommen wir auch das Wissen ohne jegliche Prüfung von Oben. Wenn wir nach jemandem suchen, der am würdigsten, am gerechtesten ist, wenn wir nach einem geeigneten Schüler suchen, dann werden auch wir von Oben geprüft, und es kann passieren, dass wir unter den gerechten Schülern nicht aufzufinden sind. Wenn wir die Tora weitergeben, sie mit anderen teilen, dann wird uns hinzugefügt. Wenn wir Angst haben, sie mit anderen zu teilen, dann wird von uns das genommen, was wir haben.

Ein anderes Gleichnis (Mk. 4, 26-29):

Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

Hier spricht Jeschua darüber, dass der Sämann sich weder um die Qualität der Erde noch um die Qualität des Saatgutes sorgt. Der Sämann gibt die Toralehre und ihm wird nicht zuteil zu verstehen und zu sehen, wie diese Lehre im Menschen funktioniert, wie sie wirkt. Aber wir wissen, wenn der Same hindurchwächst, dann kommt die Zeit der Ernte, die Zeit, zum Schüler zurück zu kehren und die Früchte zu pflücken, ihn in die richtige Richtung zu weisen. Eine neue Lernetappe beginnt.

Das Wesentliche beim Lernen des Wortes erfolgt im Inneren des Menschen und ist für uns nicht sichtbar, weil diese Wirkung im Inneren des Menschen vom Allmächtigen vollbracht wird. Und wenn wir versuchen, uns in diesen Prozess einzumischen, können wir in eine amüsante Situation geraten. In einem Märchen von Astrid Lindgren pflanzt Karlsson einen Pfirsichkern in einen Blumentopf und jeden Tag gräbt er ihn aus, um zu schauen, ob er gekeimt hat. Oft gehen wir ähnlich mit unseren Schülern um, wenn wir versuchen, sofort zu verstehen und zu sehen, welche Früchte unsere Lehre gebracht hat. Jeschua sagt, dass der Mensch ruhig schlafen geht, am Tag aufsteht, sein alltägliches Leben führt, und die Frucht reift im Inneren des Schülers.

Noch ein Gleichnis (Mk. 4, 30-32):

Und er sprach: Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, und durch welches Gleichnis wollen wir es abbilden? Es ist wie mit einem Senfkorn: Wenn es gesät wird aufs Land, so ist’s das kleinste unter allen Samenkörnern auf Erden; und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, sodass die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können. 

Man könnte sagen, dass hier das Bild vom Samen selbst beschrieben wird. Es gab Menschen, die an dieser Stelle versuchten, Jeschua der Unkenntnis in Botanik zu beschuldigen, weil es Samen des chinesischen Veilchens gibt und das ist der kleinste Same auf der Erde. Und auch weiter, wenn es gesagt wird, dass Senf größer als andere Getreidearten wird und große Zweige wirft, sodass in ihren Schatten die Vögel Schutz finden können, ist so, als ob Jeschua etwas nicht weiß. In der Tat sagt Jeschua, dass das Wichtigste, das Geheime nicht vom Samen, nicht vom Sämann, sondern von der Erde kommt. Die Erde, der Schüler und das, was Gott mit dem Schüler macht, genau das verwandelt einen kleinen Senfsamen in eine große Pflanze, größer als anderes Getreide. Senf ist in der Tat sehr weit verzweigt, seine Zweige sind in verschiedene Richtungen ausgebreitet. Oft kann man in den Bergen von Schimron, in der Umgebung von Jerusalem Vogelnester unter Senfsträuchern sehen. Natürlich ist es kein Baum, aber es gibt Schatten und Vögel können sich darunter verstecken. Was dies betrifft, dass der Samen am kleinsten ist, ist es eine Metapher, die für die damaligen Zuhörer klar war. Vielleicht ist er der kleinste aus den im Land bekannten Samen usw. Man darf das Evangelium nicht als Lehrbuch in Naturwissenschaften, inklusive Botanik sehen. Weiter (Mk. 4, 33-34):

Und durch viele solche Gleichnisse sagte er ihnen das Wort so, wie sie es hören konnten. Und ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen; aber wenn sie allein waren, legte er seinen Jüngern alles aus.

In diesem Kapitel, wie es am Anfang erwähnt wurde, steht die Quintessenz der Überlegungen von Jeschua zum Toralehren. Im Gegensatz zu Pharisäern, die nur Auserwählte und Würdige lehren, werden hier alle gelehrt, weil das Wort Gottes in sich ein Werkzeug enthält, das auf dem geeigneten Boden das Wort selbst züchten kann. Zudem wissen wir, dass jeder Samen in sich einen Prototyp des Baums, auf dem er gewachsen ist, enthält. Jeschua sagt, dass wir Schüler nicht in gute und schlechte, würdige und unwürdige aufteilen, sondern wir predigen allen. Es gibt keine Geheimnisse in der Tora, die man bis zu einer bestimmten Zeit aufbewahren müsste. Jedes Tora-Geheimnis ist zum Offenbaren bestimmt, deswegen dürfen wir nicht sagen: „Es ist noch nicht die Zeit dies mitzuteilen. Ich habe Angst dies zu erzählen.“ Man soll keine Angst haben. Man soll gehen und erzählen. So sammelte Markus Ereignisse und Aussagen von Jeschua bezüglich des Toralehrens, die Er an einem Tag machte.

 (Mk. 4, 35-40).

Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? 

Da Jeschua von einer großen Volksmenge umgeben ist, fordert er am Abend seine Jünger auf, auf die andere Seite hinüberzufahren. Und im gleichen Boot, in dem er war – es gab dort auch andere Boote – fuhren sie über den See Genezareth. Man muss sagen, wenn man beim Sturm auf den See Genezareth gerät, ist es wirklich ein furchtbarer Anblick. Und wenn man sich vorstellt, wie es vor 2000 Jahren war, dann ist es noch beängstigender. Es gab keine Beleuchtung, ein starker Wind, das Wasser überflutet das Boot… Jeschua schläft unter diesen Umständen am Heck, wo es am stärksten schaukelt. Die Jünger sagen zu ihm: „Ist es dir egal? Macht es dir nichts aus, dass wir sterben?“ Jeschua wacht auf und befiehlt dem Wind, aufzuhören. Und es kam eine große Stille (Mk. 4, 41):

Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind!

Wozu führt Markus diese Geschichte am Ende des vierten Kapitels auf? Da Jeschua Tora lehrt und erzählt, wie man lehren soll, schadet es nicht noch einmal zu erinnern, was für ein Mensch Еr ist und mit welcher Autorität Еr lehrt. Denn das, worüber Jeschua in diesem Kapitel spricht, ist der Anfang der Festlegung von Prinzipien, wie man Tora weitergibt und wie man Schüler lehrt. Um dies zu vollbringen (gerade das wird auch später die größte Feindlichkeit seitens aller Pharisäer hervorrufen), muss man über reelle Macht verfügen. Und um diese Macht zu bestätigen, erinnert Markus, dass Jeschua kein einfacher Heiler ist, der große Popularität beim Volk genießt und Aussätzige heilt, sondern Er ist ein Mensch, der die Natur in großen Maßstäben steuern kann. So endet das vierte Kapitel mit der Bestätigung der Autorität von Jeschua, der eine neue Herangehensweise an das Lehren der Tora gab.

KAPITEL 5

Das Kapitel 5 von Markusevangelium beginnt so (Mk. 5, 1):

Sie kamen an das andere Ufer des Sees, in das Gebiet von Gerasa

Jeschua fährt zu dem für ihn und auch für andere Personen des Evangeliums fremden Ufer des Sees Genezareth, in das Land Gerasa hinüber. Wahrscheinlich meint Markus die Stadt Kadyr in der Nähe eines Teils der Dekapolis, die sich am Ufer des Genezareth befindet. Das ist ein kleines Fischerdorf, davon eine Meile entfernt lagen in damaliger Zeit einige Großstädte. Da dieses Dorf bei vielen Evangelisten und Abschreibern der Evangelisten in keinem geografischen Zusammenhang mit diesem Ort stand, werden unterschiedliche Benennungen gebraucht – gerasenisches, gadarenisches und sogar magadanisches Land. In der Tat geht es hier um die Dekapolis. Das war das Zentrum der hellenistischen Kultur an den Grenzen zum Land Israel. Diese Städte waren von Griechen bewohnt – „der Titularnation“ – aber auch von vielen heidnischen Völkern. Das waren heidnische Städte, die Menschen lebten dort nach heidnischen Bräuchen, sie hatten nichts Gemeinsames mit der jüdischen Lebensweise, es gab dort keine Synagogen, und wenn es dort Juden gab, dann in einer sehr kleinen Anzahl. Und in diesem Land kommt Jeschua an. Er verließ sein Boot und begegnete sofort einem Mann mit einem unreinen Geist. Was bedeutet „Mensch mit einem unreinen Geist“ und welches Leben führte er? Markus spricht darüber (Mk. 5, 4-5):

Schon oft hatte man ihn mit Fußfesseln und Ketten gebunden, aber er hatte die Ketten zerrissen und die Fußfesseln durchgescheuert; niemand konnte ihn bezwingen. Bei Tag und Nacht schrie er unaufhörlich in den Grabstätten und auf den Bergen und schlug sich mit Steinen.

So war die Anamnese (Krankheitsgeschichte) dieses Menschen. In der jüdischen rabbinischen Literatur gibt es einen Text, genannt Tosefta. Die Tosefta ist eine Sammlung von Gesetzen und Bestimmungen, die am Ende des zweiten, dritten Jahrhunderts zusammengestellt wurden. Unter anderem gibt die Tosefta eine Definition eines besessenen oder eines geistesgestörten Menschen. Das ist Traktat Trumot, Kapitel 1, 3. Halacha: Ein Geistesgestörter ist derjenige, der in der Nacht wandelt und auf dem Friedhof schläft, seine Kleidung, die er anhat, zerreißt, alles zerbricht und zerstört, was ihm in die Hände kommt. Er zerschlägt Gefäße, zerbricht Werkzeuge und versucht sich selbst zu verkrüppeln.

Diese Eigenschaften sind bei dem Menschen vorhanden, der Jeschua entgegenkam. Als er allerdings Jeschua begegnete, stürzte er sich nicht auf ihn, brüllte ihn nicht an und zerriss die Ketten nicht, sondern er verhielt sich ganz anders (Mk. 5, 7):

und schrie laut: Was habe ich mit dir zu tun, Jesus, Sohn des höchsten Gottes? Ich beschwöre dich bei Gott, quäle mich nicht!

Der höchste Gott ist die traditionelle Benennung von Gott im Munde eines Heiden – in der Septuaginta, Tanach und im Neuen Testament. Markus zeigt, dass der Grund für das Verhalten das Gesagte durch Jeschua war (Mk. 5, 8):

Verlass diesen Menschen, du unreiner Geist!

Diese Phrase sagte Jeschua, bevor der besessene Mensch zu ihm herbeilief. Hier sieht man nicht die Erwartung, dass der Mensch seinen Glauben zeigt oder Buße tut, auch betete niemand für ihn – und das ist das Besondere an diesen Geschehnissen. Jeschua selbst, als erster, ruft den Menschen zur Befreiung auf. Danach fragt Jeschua: „Wie ist dein Name?“ Daraus entsteht die natürliche Frage, an wen sich Jeschua wendet. Fragt er nach dem Namen des unreinen Geistes oder doch nach dem Namen dieses Mannes? In der Tradition des Judentums, genauso wie in den Traditionen anderer Religionen zeigt die Praxis, dass die Kenntnis des Geistesnamen es erlaubt, den Geist vor der Austreibung zu steuern und sich an ihn bei der Austreibung zu wenden. Eine allgemeine Empfehlung an diejenigen, die mit Ähnlichem konfrontiert werden, ist, immer den Namen der Geister zu erfragen oder auf irgendwelche Handlungen hinzuweisen, die sie ausüben. Wenn wir einem Geist der Stummheit, einem Geist der Blindheit usw. begegnen, dann ist es besser bei der Austreibung mit einer Frage zu seinem Namen anzufangen. Das sind Ratschläge für Menschen mit Erfahrung, nicht für Neulinge.

Auf Jeschuas Frage antwortet der Geist: „Mein Name ist Legion; denn wir sind viele.“ Der Geist spricht mit dem Mund des Mannes, der sich völlig in seiner Macht befindet. Diese Geister sind vereint, sie leben im Menschen und quälen ihn. „Legion“ ist eigentlich eine römische Militärabteilung von drei- bis zehntausend Soldaten, aber in dem Gespräch bedeutet das Wort eine große Anzahl, eine große Menge vereinter Geister. Ein modernes Synonym für Legion wäre Unmenge.

Dieser Mensch erwies sich als ein durch mehrere Geister Besessener. Sie verlassen den Mann nicht sofort, sondern fangen an, mit Jeschua zu verhandeln, was wiederum seltsam ist (Mk. 5, 10):

Und er flehte Jesus an, sie nicht aus diesem Gebiet fortzuschicken. 

Die Geister, wenn es auch seltsam erscheint, haben ein Wohngebiet, sie sind eng mit dem Land verbunden, indem sie wohnen. Dies sehen wir in verschiedenen Geschichten aus der jüdischen Tradition bezüglich der Geister. Bei Lukas sehen wir, dass der Geist herumwanderte und dann sprach: „Ich kehre in das Heimatland zurück, dorthin, wo es mir gut ging.“ Noch eine andere Verständnisvariante des Wortes „Land“, das in diesem Kontext verwendet wird, ist die Zone, deren Grenzen beschränkt sind, dies kann mit dem hebräischen Wort „tchum“ – Gebiet, dessen Grenzen beschränkt sind, beschrieben werden. Es liegt auch sehr nah an dem Wort „teotchom“ (ausgesprochen tchom), was „Abgrund“ bedeutet. Eventuell sagte die mündliche Tradition, die dieses Gleichnis wiedergab, dass die Geister nicht in den Abgrund zurückkehren wollten. Andererseits bedeutet es, dass sie das Land nicht verlassen wollten.

Jeschua befindet sich auf einem heidnischen Territorium. Er unterhält sich mit einem Menschen, der in keinem Bund steht, der keine Beziehung zum Allmächtigen hat, und sein Wunsch diesen Menschen zu befreien, ist eine absolute Neuigkeit. Dieser Mensch hat keinen jüdischen Glauben, keine jüdischen Wurzeln, er kennt Gottes Kraft nicht. Vielleicht benötigt er eine Vorführung von Gottes Kraft, um sich zu überzeugen, dass Jeschua selbst in der Lage ist, ihn von unreinen Geistern zu befreien. Aus diesem Grund lesen wir weiter (Mk. 5, 11-13):

Nun weidete dort an einem Berghang gerade eine große Schweineherde. Da baten ihn die Dämonen: Schick uns in die Schweine! Jesus erlaubte es ihnen. Darauf verließen die unreinen Geister den Menschen und fuhren in die Schweine und die Herde stürmte den Abhang hinab in den See. Es waren etwa zweitausend Tiere und alle ertranken. 

Tatsächlich gibt es in dieser Region einen steilen, aber nicht sehr großen Abhang. Daher war es ein beeindruckendes, lang andauerndes Ereignis, als die Schweine den Abhang hinabstürmten. Das war ein herzzerreißender Anblick, der viele Fragen hervorrief. Z.B. warum war es Jeschua nicht schade um die Schweine? Obwohl das Schwein ein unreines Tier ist, war es zu damaliger Zeit ein völlig zulässiges Essen für die Bewohner der Dekapolis, die den jüdischen Gott nicht kannten und in keinem Bund standen. Ihnen war es nicht verboten, Schweine zu essen, sie zu züchten und zu hüten. Außerdem ist das Schwein ein Lebewesen. Warum mussten sie auf diese Art vernichtet werden?

Wir kommen auf die Technik des Exorzismus zurück, die in Rom und anderen östlichen Ländern gängig war. Man kann ein Beispiel von Raschbi (Rabbi Schimon bar Jochaj, ein Gelehrter, der im zweiten Jahrhundert lebte) anführen, der sich mit dem römischen Kaiser verständigt, dass, wenn er den Dämon aus seiner Tochter austreibt, alle Glasgefäße im Haus zerspringen. Es gab Fälle, in denen abgesprochen wurde, dass ein Felsen zusammenfällt oder alle Götzen umkippen oder das ganze Geschirr im Haus zerbricht usw. Traditionell gab es ein Zeugnis der Dämonenaustreibung, damit man nicht kommt und sagt: „Ich habe den Dämonen ausgetrieben,“ die Belohnung nimmt und geht, während sich der Dämon irgendwo versteckt und weiterhin schaden und den Menschen quälen wird. Als Zeugnis für den Befreiten und seine Umgebung konnte man Dämonen an einen anderen Ort umsiedeln. Es ist verständlich, dass, wenn wir es mit der Küste vom See Genezareth zu tun haben, wo es den See, Felsen, Menschen und Schweine gibt, die Schweine der passendste Ort waren. Man kann sich auch eine andere Situation vorstellen, nämlich, dass die Schweine, als die unreinen Geister in sie hineinfuhren, durch eine so starke Panik (es gibt eine Wissenschaft, die das panische Verhalten von Tieren untersucht) ergriffen wurden, dass sie sich von diesem Felsen in den See hinabstürzten, weil sie nicht bereit waren, mit den Einquartierten zu leben.

Die Schweine gehörten nicht den Hirten. Hirten waren angestellt, sie nahmen die Schweine in der Früh und brachten sie am Abend zurück und bekamen den Lohn für ihre Arbeit. Und natürlich war der Tod so einer großen Herde von zweitausend Schweinen nicht nur ein Schlag für die Wirtschaft der Stadt, sondern er schadete auch dem Ruf der Hirten. Sie waren keine Neulinge in ihrer Tätigkeit. Aber so ein Verhalten der Schweine hatten sie vorher noch nie gesehen und das stellte für sie einen grausamen Anblick dar. Deswegen rannten sie sofort mit dieser Nachricht in die Städte und Dörfer, deren Bewohner ihnen die Schweine anvertraut hatten, um sie über das Ereignis zu benachrichtigen. Jeschua rannte in dieser Zeit nirgendwohin. Wahrscheinlich ließ er sich mit seinen Schülern an der Küste nieder, denn die kommenden Menschen sahen, dass der von der Legion Besessene angezogen und bei dem klaren Verstand dasaß, und wurden von Angst ergriffen. Die Menschen erschraken, denn wenn Jeschua seine medizinische Tätigkeit auf diese Art in den Städten fortsetzt, könnte dies zu einem riesigen Verlust führen. Einerseits konnte jeder Bewohner einem Besessenen Heilung wünschen, andererseits wollte keiner für seine Gesundheit mit den eigenen Schweinen zahlen. Außerdem weiß keiner, was dieser seltsame Jude noch anstellen kann und was man von ihm erwarten kann. Aber es ist besser, von so einem schrecklichen Mann Abstand zu halten, deswegen baten die Bewohner ihn, dass er sich von ihren Grenzen entferne. Der Einzige, der Jeschua folgen wollte, war der ehemalige Besessene. Aber Jeschua erlaubte ihm nicht, das zu tun und sagte (Mk. 5, 19-20):

Aber Jesus erlaubte es ihm nicht, sondern sagte: Geh nach Hause und berichte deiner Familie alles, was der Herr für dich getan und wie er Erbarmen mit dir gehabt hat! 

Da ging der Mann weg und verkündete in der ganzen Dekapolis, was Jesus für ihn getan hatte, und alle staunten.

Jeschua zeigt hier, dass man für die Heilung eines Menschen Verluste erleiden kann, denn das menschliche Leben ist kostbarer als alle Verluste. Möglicherweise findet sich hier ein Hinweis darauf, dass die Schweine den Tod dem Leben mit unreinen Geistern bevorzugten, während die Menschen mit unreinen Geistern besser auskommen, als ohne sie.

Damit endet ein kurzer und lehrreicher Besuch Jeschuas bei den Heiden. Er fährt ans andere Ufer vom See Genezareth hinüber und wird wieder vom Volk umringt. Er war am See (Mk. 5, 22-23):

Da kam einer der Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt! 

Jeschua macht sich auf den Weg zum Haus des Synagogenvorstehers. Synagogenvorsteher muss nicht unbedingt Rabbiner oder Lehrer sein. Das kann sehr wohl ein säkularer Mensch sein, der für das Funktionieren der Synagoge verantwortlich ist. Man kann sagen, er ist ein sogenannter Ausschussvorsitzender in Fragen der Religion, aber gleichzeitig ist er kein geistlicher Anführer, nicht mal ein weiser Schüler. Das ist ein kleiner Beamter, ein einfacher Mensch und Jeschua folgte ihm. In Augen der Zeitgenossen sieht es sehr ungewöhnlich aus. Entsprechend seinem Status sollte Jeschua nirgendwohin gehen, um dort zu heilen, und längst nicht zu einem einfachen Mann. Aber Jeschua zeigt, dass auch der Status nicht so bedeutend ist, wie Errettung eines menschlichen Lebens.

Wie immer folgt ihm eine Menschenmenge. Und unter diesen Menschen gibt es eine Frau, die seit zwölf Jahren unter Blutungen leidet. Blutung ist eine unangenehme Frauenkrankheit. Sie ist mit einigen hygienischen Schwierigkeiten verbunden, aber das Schlimmste bestehet darin, dass in diesem Zustand die Frau ihrem Mann verboten ist. Und wenn die Frau nicht verheiratet ist, dann kann sie mit dieser Krankheit nicht heiraten und eine normale, vollwertige Familie gründen. Sie wird für unrein gehalten, sie darf an vielen Arten des Dienstes nicht teilnehmen und natürlich gilt es als eine große Schande. Im Vers. 26 lesen wir:

Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden.

Kenntnisse über die Medizin jener Zeit können wir in babylonischen und iranischen Schriftstücken finden, aus welchen ersichtlich wird, dass diese Krankheit damals wohl sehr bekannt war. Die Behandlung war Einwickeln in etwas Kaltes, Einführung diverser Kräuter in die Vagina, Spülungen mit allen möglichen Aufgüssen. All diese Behandlungsmethoden waren sehr schmerzhaft und, wie wir heute beurteilen können, sichtlich unwirksam. Der Arztbesuch – das wissen wir aus einigen Apokryphen – kostete ziemlich viel. Man kann sagen, dass ein Mann, der seine Frau vom Arzt untersuchen ließ, bis zu 40 Dinaren zahlen musste und ein Dinar war damals ein Tageslohn. Die Frau gab ihr ganzes Vermögen für Ärzte und Heiler aus. Sie war seit zwölf Jahren krank und ihr Zustand verschlechterte sich in dieser Zeit nur. Als sie jedoch von einem neuen Heiler hörte, hegte sie wieder Hoffnung auf Heilung, trotz ihrer schlechten Erfahrung. Wahrscheinlich sagte etwas in ihr, dass sich dieser Heiler von den anderen unterscheide (Mk. 5, 27-30):

Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. Und sofort versiegte die Quelle des Blutes und sie spürte in ihrem Leib, dass sie von ihrem Leiden geheilt war. (Das Lieblingswort von Markus ist das Wort „sofort“, d.h. sehr schnell). Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt?

In der wörtlichen Übersetzung wird gesagt, dass die Kraft von ihm ausströmte, d.h. ihn verließ die Kraft, die er für die Heilung des Mädchens gesammelt hatte, deswegen dreht er sich schlagartig zum Volk und fragt (Mk. 5, 30-31):

Wer hat mein Gewand berührt? Seine verwunderten Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt? 

Aber er schaute um sich herum und suchte mit den Augen nach dieser Frau. Sie fiel selbst vor ihm nieder und erzählte, was passiert war. Jeschua empört sich nicht darüber, dass er verhindert wurde, sondern sagt (Mk. 5, 34-35):

Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein. Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten: Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger? 

Der Synagogenvorsteher bekam also eine Nachricht, nach der man wohl schon nirgendswohin gehen und sich an Jeschua wenden muss, da die Tochter bereits tot war. Wegen dieser Frau, die Jeschua auf dem Weg aufgehalten und seine ganze Kraft genommen hat, wird jetzt eventuell nichts funktionieren. Die Situation verschlechtert sich, aber Jeschua sagt zum Synagogenvorsteher: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“. Er nimmt nur einen kleinen Kreis der Menschen mit sich – Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder von Jakobus – kommt in das Haus des Synagogenvorstehers, sieht Erschütterung und Trauernde. Wenn ein Mensch starb, wurden professionelle Trauernde und Weinende zum Begräbnis geholt, die ein lautes Weinen erhoben und somit eine Trauerstimmung schufen. Als Jeschua das sah, sagte er (Mk. 5, 39):

Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.

Die professionellen Weinenden hatten viele verstorbene Mädchen gesehen, zu deren Begräbnis sie gerufen wurden, deswegen lachten sie über Jeschua. Es ist schwer anzunehmen, dass Verwandte des Mädchens in so einer Situation über Jeschua lachen würden.

Jeschua warf alle hinaus, ließ nur Vater und Mutter des Mädchens und diejenige, die mit Ihm waren (wie wir uns erinnern, waren mit ihm Petrus, Jakobus und Johannes), und trat dorthin ein, wo das Mädchen lag. Er nahm die Hand des Mädchens und sagte: „Talita kumi!“ Das Wort „Talita“ bedeutet „Tau“. Wahrscheinlich war es der Name des Mädchens. Im modernen Hebräisch sagt man „Talija“ oder Gottes Tau und auf Aramäisch bedeutet „Talita“ ein kleines Mädchen-Taulein. Vielleicht war es der Spitzname des Mädchens, aber wahrscheinlicher war es sein Name. Das Wort „kumi“, das sich an das Mädchen wendet, bedeutet „Steh auf“. Hier gibt Markus eine nicht ganz korrekte Erklärung, da es als unbescheiden galt, den Namen des Mädchens zu erwähnen. So übersetzt Markus „Talita“ als Mädchen. Das Mädchen stand sofort auf und begann herumzugehen. Dadurch zeigte Markus, dass es kein Baby, sondern ein zwölfjähriges Kind war.

Und alle wurden sehr erstaunt. Jeschua befahl ihnen streng, dass niemand von dem Vorfall erfahren soll und dass sie dem Mädchen etwas zum Essen geben sollen. Talmud sagt, dass das Aufwachen aus dem Schlaf und der Appetit Zeichen der Genesung sind. Jeschua leitet die Gedanken der Eltern in die Richtung, dass das Mädchen nicht gestorben und auferstanden sei, sondern dass es geschlafen hat und man es fälschlicherweise für tot gehalten hat. Jeschua kam, erweckte und heilte es.

Somit sehen wir in diesem Kapitel drei Heilungen.

Das Besondere an der ersten ist, dass sie für einen Heiden vollbracht wurde.

Die zweite passiert durch eigenes Handeln der Frau, so dass Jeschua darüber vorher nichts wusste.

Die dritte Heilung ist die Heilung eines Mädchens, das gestorben war, d.h. die Auferstehung von den Toten.

In diesem Kapitel setzt Markus fort, dem Leser von der Realität und Größe der durch Jeschua vollbrachten Wunder zu erzählen.

KAPITEL 6

Am Anfang des sechsten Kapitels lesen wir, dass Jeschua in sein Heimatland kam. Aus anderen Quellen wissen wir, dass Jeschua in der Stadt Bet Lechem (Bethlehem) in Judäa geboren wurde. Nazrаt (Nazareth) ist eine jüdische Stadt, in der Jeschua groß geworden ist. Aus dem Neuen Testament wissen wir über diese Stadt nur das, dass es die Stadt von Jeschuas Kindheit war.

Aus externen jüdischen Quellen liegen uns keine talmudischen Beschreibungen dieser Stadt vor. Die früheste Erwähnung dieser Stadt ist im siebten-achten Jahrhundert bei Elieser Klir, dem Dichter und Psalmensänger zu finden. Aus externen historischen Texten gibt es einen Verweis auf Sextus Iulius Africanus, der im zweiten-dritten Jahrhundert lebte und der erzählt, dass Nazrat und die Nachbarstadt Kuchava jüdische Städte waren. Das gab vielen Bibelforschern den Anlass zu sagen, dass eine solche Stadt wie Nazrаt niе existierte und dass es eine messianische Erfindung sei. Andererseits wäre es richtiger anzunehmen, dass aufgrund der geringeren Bevölkerungszahl – ca. 500 Menschen – die Stadt nirgendswo eingetragen war, und deswegen in jüdischen Quellen nicht erwähnt wird, wie im Übrigen viele andere Ortschaften. Wir hätten nichts von der Stadt Krajot gewusst, wenn es nicht erwähnt worden wäre, dass Jehuda Iskariot aus dieser Stadt stammte. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass von Nazrat keine Informationen vorhanden sind.

Weiter  (Mk. 6,2):

Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen! 

Wir lesen nichts darüber, dass Jeschua Wunder genau an diesem Samstag tat, am ehesten lehrte er einfach. Am Samstag nach dem Abendgebet fand in der Synagoge ein Unterricht statt, nicht zur Schrift, sondern es war Unterricht zu Fragen der Moral und Ethik, bezogen auf Verhalten im alltäglichen Leben, Selbstverbesserung usw. Und Einheimische, die Jeschua von Kindheit an kannten, wurden mit einer großen Schwierigkeit konfrontiert. Denn es fällt schwer Ermahnung und Belehrung von einem Menschen anzunehmen, den man gut kennt. Was die Reaktion auf die Wunder betrifft, so sahen die Menschen natürlich, dass Jeschua ist derselbe, den sie von Kindheit an kennen. Er bekam keinen Heiligenschein über den Haupt, er leuchtete nicht mit einem besonderen Leuchten, sondern er blieb derselbe Mensch, der unter ihnen lebte: als Baby, als Kleinkind, als Teenager, als Jugendlicher… Die Menschen wunderten sich über die Weisheit von Jeschua und waren empört, dass die Person, die sie von klein auf kannten, auf die Idee kam, sie zu lehren.

(Mk. 6,3):

Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm.

„Zimmermann“ – so lautet die Übersetzung des griechischen Wortes und vermittelt einen etwas einseitigen Eindruck. Allerdings kann dieses Wort unterschiedlich übersetzt werden und von „Schmied“ bis zu „Schiffbauer“ bedeuten. Im weiteren Sinne bedeutet dieses Wort Mechaniker, Allrounder, eine Person, die in der Lage ist, jede Tätigkeit, angefangen mit Schmied-, Schreiner-, Schlosser- bis zu kleinen Architekturarbeiten auszuüben. Jeschua war Handwerkmeister in seinem Dorf und darüber sprachen die Bewohner. Zu berücksichtigen ist, dass keine Missachtung gegen die handwerklichen Tätigkeiten oder den Zimmermannsberuf bestand. Solche Menschen wurden sogar für würdevoll und klug gehalten. Im Talmud gibt es folgende Frage: „Wo können wir einen Zimmermann finden, der kommt und uns es erklärt?“ Aber hier geht es darum, dass die Menschen Jeschua kennen, sie kennen ihn als einen Mann, der lange Zeit in einer Werkstatt des Dorfes gearbeitet hat, sie kennen seine Brüder, einige sind vielleicht mit seinen Schwestern verheiratet. Und sie verstehen nicht, wie Jeschua, wenn man das Ganze berücksichtigt, sie belehren kann, und geraten dadurch in Versuchung.

(Mk. 6,4):

Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie.

Menschen sind bereit  Predigt, Ermahnung, Heilung mit Respekt und sogar Ehrfurcht zu empfangen, aber die Verwandtschaft und Erinnerung daran, wie die Person aufgewachsen ist, wie sie eine Zeitlang unter ihren Augen gelebt hat, das alles

stört sie daran, in Jeschua einen Propheten, Prediger, Heiler und Messias zu sehen

(Mk. 6,5):

Und er konnte dort keine Machttat tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie.

Wir sahen in den vorherigen Kapiteln, dass Jeschua Besessene, Gelähmte usw. heilte, ohne dass sie irgendein Anzeichen des Glaubens ihrerseits zeigten. D.h. Jeschua benötigt den Glauben des Menschen nicht als Werkzeug zum Heilen, aber wir wissen auch, dass Jeschua die Werke seines Vaters tut und das macht, was sein Vater ihm aufzeigt. Dort, wo es keinen Glauben gibt, ist es sinnlos, Wunder zu vollbringen, weil die Wunder genau für die Festigung und Stärkung des Glaubens getan werden.

(Mk. 6,6):

Und er wunderte sich über ihren Unglauben. Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte.

Jeschua verließ die Stadt Nazareth, wo ihn alle kannten, und ging in umliegende Dörfer um zu lehren.

Weiter geht es darum, dass Jeschua beginnt, seine Jünger je zu zweit herauszusenden. Hier verwendet Markus einen hebräischen Ausdruck „dua dua“, d.h. eine Lehnübersetzung – „Paar nach Paar“ Schüler herauszusenden. Und er gab ihnen Macht über unreine Geister. Jeschua ernennt autorisierte Jünger, gibt ihnen seine Kraft und Macht, und schickt sie zum Dienst.

(Mk. 6,8-11):

und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Jeschua spricht hier zu seinen Schülern von der einfachsten Bekleidung. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis. 

Es existierte eine Tradition, die man in Talmud, Midraschim(Auslegungen) und Buch Sohar finden kann, dass die Weisen, wenn sie sich dem Land Israel näherten , ihre Füße und ihre Schuhe mit Wasser übergossen, um den Staub des unheiligen Bodens, wo Götzendienst betrieben wird, abzuwaschen. Diese Tradition wurde sorgfältig befolgt. Jeschua spricht darüber, dass man so tun soll, aber die Trennungslinie verläuft jetzt nicht zwischen Heiden und Israel, sondern zwischen denen, die Jeschua annehmen, und denen, die ihn nicht annehmen, obwohl Jeschua weiterhin seine Jünger nicht in heidnische Städte schickt. (Das sollen wir nicht außer Acht lassen. In dieser Phase gehen Jünger noch nicht zu den Heiden)

(Mk. 6,12-13):

Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

Hier wird zum ersten Mal im Evangelium von der Salbung mit Öl gesprochen. Die Tradition der Ölsalbung ist sehr alt. Priester malten bei der Ölsalbung den Buchstaben „tav“ auf der Stirn. So wird der griechische Buchstabe „chi“, d.h. ein kleines Kreuz, manchmal im Talmud erwähnt. Es wird angenommen, dass der Allmächtige allen Gerechten bei ihren Tod  auch den Buchstaben „tav“ oder ein Kreuz an die Stirn malt. Außerdem existierte eine Tradition kranke Menschen zu salben – gesalbt wurden schmerzende Stellen, gequetschte Stellen, blutende Wunden, Schwellungen. Nicht immer wurde die Salbung mit Salböl gemacht. Salbung mit Salböl wurde als Zeichen der Sündenvergebung oder der Reinigung oder Erwählung zum Dienst verwendet, und für die Heilung wurde das Olivenöl für die Salbung der schmerzenden Stellen verwendet. Und heute in den Kirchen und Gemeinden, wo man die Heilung im Namen Jeschua praktizieren möchte, sollte man die schmerzende Stellen salben, nicht die Stirn. Somit sehen wir, dass die Apostel auch die Ölsalbung anwendeten, obwohl Jeschua darüber nirgendwo spricht.

 (Mk. 6,14-16):

Der König Herodes hörte von Jesus; denn sein Name war bekannt geworden und man sagte: Johannes der Täufer ist von den Toten auferstanden; deshalb wirken solche Kräfte in ihm. Andere sagten: Er ist Elija. Wieder andere: Er ist ein Prophet, wie einer von den alten Propheten. Als aber Herodes von ihm hörte, sagte er: Johannes, den ich enthaupten ließ, ist auferstanden.

Hier geht die Rede um Herodes Antipa – den Sohn von Herodes dem Großen. Herodes Antipa war der Herrscher in Galiläa und Peräa. Er verhaftete zu seiner Zeit Johannes wegen seiner Frau Herodias, Frau von Philipus, seines Bruders, weil er sie geheiratet hatte. Philipus war der leibliche Bruder von Herodes Antipa und war mit Herodias, die eigentlich seine Nichte war, verheiratet. Herodias heiratete also Onkel Philipus, aber mit Herodes hatte sie eine heiße Affäre. Und Johannes, Prophet des Volkes Israels, kam zu Herodes Antipa und ermahnte ihn. Dafür ließ Herodes ihn verhaften und hielt ihn eingesperrt. Herodes ließ ihn aus seinem eigenen Stolz heraus einsperren und hatte Angst ihn zu befreien, da er von ihm stark ermahnt wurde. Herodias wünschte sich Johannes Tod, aber sie konnte ihm nichts antun. Im Vers 20 gibt es einige Schwierigkeiten mit der Übersetzung. Man kann erkennen, dass Herodes fühlte sich beschämt wenn er Johannes zuhörte, d.h. Herodes war bereit Ermahnung von ihm anzunehmen, er hörte ihm gerne zu, obwohl Johannes für Herodes unangenehme Aussagen machte. Aber das war Herodes, der etwas Menschliches in sich hatte und in gewissem Maße gewissenhaft war, was man nicht von dem weiblichen Teil seiner Familie sagen kann. Herodes feierte seinen Geburtstag in seiner Festung in Peräa, er veranstaltete ein Festmahl für die ganze Oberschicht, Würdenträger und jüdische Älteste.

 (Mk. 6,22-23):

Da kam die Tochter der Herodias und tanzte und sie gefiel dem Herodes und seinen Gästen so sehr, dass der König zu dem Mädchen sagte: Verlange von mir, was du willst; ich werde es dir geben. Er schwor ihr sogar: Was du auch von mir verlangst, ich will es dir geben, und wenn es die Hälfte meines Reiches wäre. 

In der Tat sind es nur poetische und romantische Worte, weil Herodes Antipa ein Marionetten Herrscher ist, er konnte niemanden sein Reich geben, weder Herodias, noch Solomea( Herodias Tochter), noch jemandem anderen. Aber Herodes verhielt sich wie ein Macho und gab dem Mädchen ein solches Versprechen. Solomea entschied ihrerseits die Situation zu nutzen und um das Richtige zu ersuchen beriet sie sich mit der Mutter.

 (Mk. 6,24-25):

Sie ging hinaus und fragte ihre Mutter: Was soll ich verlangen? Herodias antwortete: Den Kopf Johannes’ des Täufers. Da lief das Mädchen zum König hinein und verlangte: Ich will, dass du mir sofort auf einer Schale den Kopf Johannes’ des Täufers bringen lässt. 

Man kann sehen, mit welcher Begeisterung und Freude Solomea sich beeilt den Wunsch ihrer Mutter auszuführen, sie hat sogar die Option für die Präsentation des Geschenkes ausgedacht – den Kopf Johannes des Täufers auf einer Platte zu servieren.

(Mk. 6 26-27):

Da wurde der König sehr traurig, aber wegen der Eide und der Gäste wollte er ihren Wunsch nicht ablehnen. Deshalb befahl er einem Scharfrichter, (hier wird das Wort verwendet, das Verteidigungsminister, Wachoberst bedeutet) sofort ins Gefängnis zu gehen und den Kopf des Täufers herzubringen. Der Scharfrichter ging und enthauptete Johannes. 

Wahrscheinlich spielt das Ganze in der jüdischen Festung Mechero ab, wo sich sowohl das Gefängnis als auch der Festsaal für Feierlichkeiten befand. Und der Scharfrichter ging den Befehl auszuführen.

 (Mk. 6,28-29):

Dann brachte er den Kopf auf einer Schale, gab ihn dem Mädchen und das Mädchen gab ihn seiner Mutter. Als die Jünger des Johannes das hörten, kamen sie, holten seinen Leichnam und legten ihn in ein Grab.

Es ist nicht bekannt, ob die Jünger Johannes mit dem Kopf oder ohne begruben. Heute werden  zwei unterschiedliche Köpfe von Johannes in verschiedenen Klöstern  aufbewart und niemand weiß, ob einer von denen echt ist. Man muss aber bemerken, dass Herodes glaubte, dass ein hingerichteter Gerechter auferstehen und Wunder vollbringen kann. Und das ist ein Beispiel des Glaubens an die Auferstehung vom Tod in der Zeit von Jeschua, dieser Glaube konnte auch in Bezug mit dem messianischen Glauben stehen. Es kann wohl sein, als Herodes von Johannes Auferstehung spricht, hinweist dadurch auf seinen Glauben, dass Johannes der Messias ist, dass er ein Wundertäter ist, der auferstehen kann. Die Auferstehung eines geköpften Menschen, wenn der Kopf vom Körper abgetrennt ist, (es ist nicht bekannt, ob die Jünger den Kopf von Johannes abholten oder ob Herodias ihn noch lange bewunderte) ist ein großes Wunder und Herodes glaubt, dass so etwas möglich ist.

 (Mk. 6,30):

Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. 

Das ist die einzige Stelle, wo Markus das Wort „Apostel“ in Bezug auf die Botschafter verwendet. Der Auftrag als Botschafter konnte für eine bestimmte Zeit gegeben sein, und die Kraft und Macht konnten die Apostel, nachdem sie gedient hatten und zu Jeschua zurückgekehrt sind, verlieren, d.h. keine Macht mehr über unreine Geister besitzen. Aber möglicherweise blieb die Macht weiterhin. Unter allen Umständen ist zu betonen, dass der Auftrag als Botschafter, um den hier die Rede geht,ist nicht ewig und nicht von einem zum anderen übertragbar.

Jeschua sieht, dass seine Schüler müde sind und sagt ihnen

(Mk. 6,31):

Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus! Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. 

Wir sahen früher, im zweiten Kapitel Markus Evangelium, dass das Volk die Jünger stets so bedrängte, dass sie keine Zeit zum Essen hatten. Jeschua kümmert sich hier um seine Schüler und um Erholung für sie. Sie fuhren allein mit dem Boot. Die Menschen sahen, wohin sie fuhren, und folgten ihnen nach, und waren früher als sie am Ziel. Sie kamen zu Fuß zu dem Ort und versammelten sich dort. Jeschua sah eine Menge an Menschen, die nach der Lehre suchen und sie benötigen, und erbarmte sich ihrer. Sie waren wie Schafe ohne Hirten und Jeschua begann sie zu lehren, d.h. sie waren bis spät in der Nacht beim Toralernen. Am Abend kamen die Jünger und sagten zu ihm

(Mk. 6,35-36):

Der Ort ist abgelegen und es ist schon spät.  Schick sie weg, damit sie in die umliegenden Gehöfte und Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können! 

Das Wort „schick sie weg“ wird in der Bedeutung „eine Frau wegschicken“ verwendet, d.h. Jünger sagen, dass Jeschua das Volk wegjagen soll, und verwenden dafür ein ziemlich unhöfliches Wort. Jeschua antwortete ihnen

(Mk. 6,37-39):

Er erwiderte: Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten zu ihm: Sollen wir weggehen, für zweihundert Denare Brot kaufen und es ihnen zu essen geben? Er sagte zu ihnen: Wie viele Brote habt ihr? Geht und seht nach! Sie sahen nach und berichteten: Fünf Brote und außerdem zwei Fische. Dann befahl er ihnen, sie sollten sich in Mahlgemeinschaften im grünen Gras lagern. 

Der Hinweis auf grünes Gras zeugt von frühem Frühling. Nach Pessach bleibt kein grünes Grass, weil alles durch die Sonne verbrannt wird, oder es war auf dem Seeufer, wo es noch drei-vier Wochen grün bleibt.

(Mk. 6,40):

Und sie ließen sich in Gruppen zu hundert und zu fünfzig nieder. 

Man soll es nicht buchstäblich verstehen, dass die Menschen sich in 100 und 50 aufteilten. Das hätte zu viel Zeit gebraucht und zu viel Chaos verursacht. Eher beschreibt Markus hier ein allgemeines Bild.

(Mk. 6,41):

Darauf nahm er die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern, damit sie diese an die Leute austeilten. Auch die zwei Fische ließ er unter allen verteilen. 

Die in diesem Vers verwendete Sprache ist eucharistisch: „brach, blickte und gab“. Und man kann sagen, dass die ausgeführte Handlung (es scheint das Brotbrechen zu sein) – eine Standardhandlung für Juden ist – segnete, brach und gab. Aber man muss die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass dies möglich ein Hinweis auf das erste eucharistische Brotbrechen sein kann, als Opferung vor dem Anfang der neuen messianischen Ära. Wie in der Zeit der ersten Befreiung durch Mosche, er Manna auf die Erde fallen ließ, so vermehrte Jeschua Brot, was eine Parallele zum Beginn einer neuen Befreiung zieht.

(Mk. 6,42-43):

Und alle aßen und wurden satt. Und sie hoben Brocken auf, zwölf Körbe voll, und Reste von den Fischen.

Anzumerken ist, dass Markus der einzige Evangelist ist, der in dieser Geschichte von Fischen spricht, und die Zahl „zwölf“ zeigt selbstverständlich auf Israel – es ist ein neues Brot, neue Nahrung, die Israel gegeben wurde.

(Mk. 6,44):

Es waren fünftausend Männer, die von den Broten gegessen hatten.

Weiter, statt das Volk zu vertreiben, wie die Jünger ihn gebeten hatten (unter Berücksichtigung dessen, dass er sowohl die Müdigkeit der Apostel als auch die Müdigkeit des Volkes mitfühlt), tut Jeschua genau das Gegenteil – Jeschua vertrieb die Jünger

(Mk. 6,45-46):

Gleich darauf drängte er seine Jünger, ins Boot zu steigen und ans andere Ufer nach Betsaida vorauszufahren. Er selbst wollte inzwischen die Leute nach Hause schicken. Nachdem er sich von ihnen verabschiedet hatte, ging er auf einen Berg, um zu beten. 

Wenn man das Volk gehen ließ, machte man davor kurze „Dvar Tora“ (eine kurze Belehrung aus der Tora),  sie segnen und um ihren guten Rückweg beten. Man kann annehmen, dass folgende Prozedur etwa eine Stunde dauerte, danach ging Jeschua auf den Berg um zu beten. Am Abend – nach dem Aufgang der Sterne – war das Boot mitten im Meer und Jeschua befand sich auf dem Ufer. Er sah vom Ufer, dass der Gegenwind blies. Um die vierte Nachtwache (d.h. gegen drei Uhr Morgen – Markus verwendet hier die römische Aufteilung in Wachen. Die Römer teilten die Nacht in vier Wachen, die Juden – in drei. In dem Fall ist die Rede wahrscheinlich von drei Uhr Morgens) trat Jeschua an seine Jünger heran, auf dem See gehend, und wollte an ihnen vorbei gehen. Möglicherweise wollte er sie überholen und sie in Bet-Sajit treffen. Höchstwahrscheinlich, das er an ihnen vorbei gehen wollte war der Eindruck der Apostel. Sie dachten, dass ein Gespenst auf dem See geht, nicht unbedingt der Geist Jeschua, und waren sehr verängstigt.

 (Mk. 6,50-52):

Alle sahen ihn und erschraken. Doch er begann mit ihnen zu reden und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Dann stieg er zu ihnen ins Boot und der Wind legte sich. Sie aber waren bestürzt und fassungslos. Denn sie waren nicht zur Einsicht gekommen, als das mit den Broten geschah; ihr Herz war verstockt.

Was betont Markus hier? Dass die Apostel sahen, wie Jeschua mit einigen wenigen Broten fünftausend Menschen sättigen konnte, aber die tiefe Bedeutung dieses Wunders, seine Verbindung mit dem ersten Kapitel, der ersten „Geula“ ( mit der ersten Erlösung )  verstanden die Apostel nicht, weil ihr Herz verhärtet war. Sie waren nicht bereit DIESE Information wahrzunehmen. Und nachdem sie den See Genezareth überquerten, kamen sie in dem Land Genezareth an und wie bereits zuvor, verbreitete sich das Gerücht über Jeschua ganz schnell unter den Bewohnern, und zu dem Ort seiner Ankunft fing man an Schwerkranke aus der ganzen Umgebung zu bringen.

Somit wurde ein ganzer Rettungsdienst auf freiwilliger Basis oder mit einer finanziellen Aufwandsentschädigung eingerichtet. Es fanden sich Freiwillige, die Verantwortung übernahmen, Kranke zu sammeln und sie auf ihren Betten zu Jeschua zu bringen.

 (Mk. 6,56):

Und immer, wenn er in ein Dorf oder eine Stadt oder zu einem Gehöft kam, trug man die Kranken auf die Straße hinaus und bat ihn, er möge sie wenigstens den Saum seines Gewandes berühren lassen. Und alle, die ihn berührten, wurden geheilt.

Offensichtlich erkannten viele der Bewohner aus der Umgebung von Genezareth im Gegensatz zu Aposteln, die Jeschua im Alltag erlebten, die Tiefe des Wunders mit Broten und verglichen es mit dem Wunder des Auszugs aus Ägypten. Hier entsteht eine Parallele zu der Geschichte oben, als Verwandten und Familienangehörigen den Wundertäter und Propheten in Jeschua nicht erkannten. In dieser Situation sahen die Apostel in Jeschua keinen Erzeuger der messianischen Ära, keinen neuen Erlöser im Gegensatz zu den anderen Menschen, die fingen sogar an, an die heilende Kraft der Bekleidung von Jeschua zu glauben. Durch diesen Glauben entstanden die Nachfolger – Menschen, die bereit waren, freiwillig zu dienen, Arme und Kranke zu Jeschua zu bringen, usw.

Somit zeigt Markus, dass nicht nur Einheimische und Landsleute von Jeschua Schwierigkeiten mit der Annahme hatten, sondern auch den Aposteln, den nahestehenden Schülern, die ihn jeden Tag erlebten, fiel es schwer, bestimmte geistliche Aspekte und von Jeschua vollbrachte Wunder wahrzunehmen. Der Sinn besteht darin, dass man sich irren kann wenn man jemanden aus der Nähe betrachtet und versucht, den Nächsten geistlich zu beurteilen. Das passierte sogar den Aposteln. Vielleicht enthält das den Hinweis von Markus auf die allgemeine Ablehnung von Jeschua durch Juden, und ist ein Versuch seiner Rechtfertigung. Somit zeigt Markus den Mechanismus des Fehlers auf, durch den es schwierig ist, die Größe seines Nächsten wahrzunehmen.

Kapitel 7

Das siebte Kapitel fängt mit dem Streit zwischen Jeschua und den Pharisäern an. Pharisäer sahen, dass Jeschuas Jünger mit ungewaschenen Händen aßen, und fragten ihn

(Mk. 7:5):

 „Warum handeln sie so?

 Am Ende der Epoche des zweiten Tempels wurde unter den Gelehrten ritueller Reinheit große Bedeutung beigemessen. Die Reinheitsgesetze gingen weit über den Tempeldienst hinaus und man versuchte sie in das alltägliche Leben des Volkes einzuführen. Wenn früher die „Kohanim“ (Priester) sich vor dem Verzehren des heiligen Fleisches von Truma (Opfer) die Hände waschen sollten, später beschlossen die Gelehrten, dass jetzt jeder Mensch, der Brot isst, seine Hände vorher waschen soll. Denn, wie sie sagten, sind die Hände des Menschen sehr beweglich, ausgelassen, sie können verschiedene Stellen berühren und dadurch unrein werden. Aus der Sicht der Reinheitsgesetze hat es keinen Sinn, weil es nicht sein kann, dass der Mensch nur Hände unrein hat, er ist entweder ganz unrein oder ganz rein. Trotzdem führten die Gelehrten diese Anordnung ein, damit sich die Menschen an Tempelordnung, an Reinheitsgesetze erinnern und sich Gedanken darüber machen.

Man muss sagen, dass die Konzentration auf die Reinheitsgebote sich zu einer fanatischen Begeisterung entwickelte. Wegen des ständigen Eintauchens war die Kleidung der „Chassiden“ (der Frommen) immer nass. Man sah die Menschen bei jeder Gelegenheit in die Mikwe (Becken für rituelle Waschung) eilen,  rituelle Reinheit anstrebend. Dieses Streben nach ritueller Reinheit gewann in der Zeit des zweiten Tempels tatsächlich ein pathologisches Ausmaß und entwickelte sich zu einer spezifischen Anordnung der Gelehrten – vor dem Brotverzehren müssen die Hände gewaschen werden.

Man muss sagen, dass sich diese Anordnung in zwei Etappen etablierte. In der ersten Etappe wurde jedem Menschen geboten, morgens Hände zu waschen. Bei der morgigen Waschung der Hände meinte man, dass  die Hände für den ganzen Tag gewaschen werden und diese Reinheit  wird den ganzen Tag  aufbewahrt. Daher verstießen die Jünger möglicherweise nicht gegen dieses Gebot. Später, in der zweiten Etappe, erschienen weitere Einschränkungen – jedes Mal beim Verzehren des Brotes musste man Hände waschen. Diese Praxis existiert bis heute. Diesbezüglich fragten die Gelehrten Jeschua wegen des Verhaltens seiner Jünger.

Ich muss sagen, dass diese Praxis nützlich ist, weil die hygienische Vorschriften halfen den Juden in der Pestzeit in Europa. Diese Praxis hat viele positive Eigenschaften und Wirkungen, aber ihr beigemessene Bedeutung und starke Betonung in der Zeit Jeschua waren in der Tat unzulässig.

Somit aßen Jeschua‘s Jünger  Brot mit ungewaschenen Händen und riefen dadurch die Verwunderung und Empörung der Pharisäer, die kamen und fragten, warum sich die Jünger so benehmen. Anzumerken ist, dass es sich hier um eine interne Frage handelt. Eventuell weiß Jeschua etwas oder besitzt eine bestimmte Lehre bezüglich der Pharisäer, mit der er erklärt, warum man Brot mit ungewaschenen Händen essen darf. Markus erklärt im dritten Vers

(Mk. 7:3-4):

Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben; so halten sie an der Überlieferung der Alten fest. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln.

Für die Reinigung der Bänke wurden diese oft auseinander- und wieder zusammengebaut, d.h. es war eine Wissenschaft an sich, mit komplizierten Ritualen. Ein paar Traktate der Mischna (eine Sammlung der Gesetze und Bestimmungen aus dem zweiten Jahrhundert) sind diesen Handlungen gewidmet. Zudem ist zu ergänzen, dass die Händewaschung einen nationalen Charakter hatte. In der Zeit des Aufstands der Makkabäer verboten die Griechen den Juden das Halten der Gebote, deshalb in vielen Kneipen und Gastronomiebetrieben der damaligen Zeit wurde das koschere (in der Tora erlaubte) Essen nur denjenigen geheim serviert, die Hände wuschen, d.h. das war zusätzlich ein Zeichen der Zugehörigkeit zur Nation, ein sogenanntes Nationalsymbol. Daher war die Verwunderung der Pharisäer nicht grundlos

(Mk. 7:5):

Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen? 

„Warum lehnst du die Bestimmungen unserer „Sekinim“ – unserer Alten ab“? Jeschua antwortet

(Mk. 7: 6-7):

Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Vergeblich verehren sie mich; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.

Jeschua sagt, dass diese Bestimmungen der Alten heuchlerisch sind und häufig dazu führen, dass nicht der Wille Gottes, sondern der Wille des Menschen erfüllt wird. Jeschua führt ein Beispiel an

(Mk. 7:8-10):

Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Und weiter sagte Jesus: Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft, um eure eigene Überlieferung aufzurichten. Denn Mose hat gesagt: Ehre deinen Vater und deine Mutter! und: Wer Vater oder Mutter schmäht, soll mit dem Tod bestraft werden.

Hier ist wichtig, folgendes zu verstehen: Es handelt sich nicht um üble Nachrede, sondern „megadef“ – verleumden, in unbequeme Umstände bringen, d.h. es geht nicht nur um eine verbale Schande, sondern darum, dass jeder Mensch, der seinem Vater und seiner Mutter eine ehrenhafte und würdevolle Existenz entbehrt, zum Tod verurteilt wird. Jeder Mensch ist verpflichtet, sich um seine Eltern zu sorgen, damit sie ein in ihrem Verständnis würdevolles Leben führen können und alles haben, was sie nach ihrem Verständnis benötigen. Jeder Mensch, der dies seinen Eltern entzieht ( er kann geben,  gibt aber nicht) – soll sterben.

(Mk. 7:11-12):

Ihr aber lehrt: Wenn einer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt: Korbán – das heißt: Weihgeschenk sei, was du von mir als Unterstützung erhalten solltest, dann lasst ihr ihn nichts mehr für Vater oder Mutter tun.

Dies ist stark mit dem jüdischen Hintergrund verbunden. Diese Stelle ist tatsächlich sehr schwer zu verstehen und auf diese Stelle entstanden sehr viele Kommentare.

In den 50-er Jahren wurde in Jebel Hallet ein Ossuarium (eine Box aus Stein für die Bestattung eines Leichnams) gefunden, auf dem geschrieben war: „Korban“ für Gott von dem, der in diesem Ossuarium liegt, auf alles, was hier kann verwendet werden“, d.h. es wurde vor Gott ein Schwur ausgesprochen von dem, der sich in diesem Ossuarium befindet, für weiteres Verwenden dieses Ossuariums. In anderen Worten: derjenige, dessen Knochen hier bestattet wurden, verfluchte denjenigen, der erneut diesen Ossuarium verwendet hätte. Die Situation ist folgend: wenn jemand kommt, findet diesen Ossuarium und will diesen Ossuarium für seine Verwandten verwenden, der gerät unter den Fluch. „Korban“ bedeutet im weiten Sinne „Gabe für Gott“, aber auch „das Geweihte“. Der Mensch kann im Zorn versprechen, dass er Vater und Mutter nicht unterhalten wird, wenn er einen Schwur ausspricht wie: „Korban für Gott ist alles, was du von mir essen könntest!“ – heißt es, alles ist verflucht, was du von mir zum Essen nehmen könntest. So ein Mensch darf seinen Vater und seine Mutter nicht ernähren. Später, im dritten Jahrhundert, wird ein System ausgearbeitet, das den Menschen von unwürdigen Schwüren befreit. Aber zur damaligen Zeit war der Mensch, der so unbedacht schwor, frei von der Verpflichtung seinen Vater zu ernähren und hatte sogar kein Recht mehr seinen Vater zu ernähren.

Die Mischna im Traktat Nedarim erzählt von einer Situation, als ein Mensch ähnlichen Schwur ausgesprochen hat. Er lebte in Beit-Charon und bat seinen Freund: „Ich gebe dir zum Geschenk meinen Hof und alles, was für eine Mahlzeit notwendig ist, damit mein Vater kommen und mit mir speisen kann.“ Der Freund antwortete: „Wenn es mir gehören wird, widme ich es dem Himmel.“ Der andere antwortete: „Nein, ich gebe es dir, damit du es meinem Vater gibst, und nicht damit du es dem Himmel widmest.“ – „Wenn ich es dem Himmel nicht widmen kann, wozu brauche ich dieses Geschenk? Das bedeutet, das gehört mir nicht und es ist eine juristische Fiktion, wenn ich mit dem Geschenk nicht alles tun kann, was ich will.“ Als dieser Vorfall vor Gelehrten kam, sagten sie: wenn man das Geschenk dem Himmel nicht widmen kann, dann ist es tatsächlich eine juristische Fiktion und kein richtiges Geschenk. Die Gelehrten waren der Meinung, dass von so einem Schwur, den man gegen die Eltern ausgesprochen hat,  nicht zurücktreten kann. Das war eigentlich die  Bestimmung der Gelehrten, das war ihre Strafe für einen unbedachten Schwur. Und wenn der Mensch mit so einem Schwur schwor, durfte er nach keinem juristischen Schlupfloch suchen, um seinem Vater Essen zu geben. Dagegen trat Jeschua auf.

Ab dem Vers 14 spricht Jeschua nicht mehr von den Überlieferungen der Alten, oder davon, dass sie manchmal gegen die Gebote des Allmächtigen verstoßen, sondern erklärt, warum seine Jünger das Brot mit nicht gewaschenen Händen essen. Jeschua sagt

(Mk. 7:14-20):

Dann rief er die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage! Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Er verließ die Menge und ging in ein Haus. Da fragten ihn seine Jünger nach dem Sinn dieses rätselhaften Wortes. Er antwortete ihnen: Begreift auch ihr nicht? (hier wird das Wort Dummkopf, Narr verwendet, ein ziemlich grobes Wort) Versteht ihr nicht, dass das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann? Denn es gelangt ja nicht in sein Herz, sondern in den Magen und wird wieder ausgeschieden. Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein. Weiter sagte er: Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. 

D.h. keine „Tuma“ von Händen (Unreinheit) wird in das Herz des Menschen reinkommen, wenn der Mensch mit ungewaschenen Händen essen wird. Keine Besorgnis um die rituelle Reinheit der Speise bezieht sich darauf, den Menschen zu verunreinigen oder nicht verunreinigen. Der Mensch verunreinigt sich nicht durch das, was er in seinen Händen hat. Hier ist die Rede natürlich nicht um das Essen, das Gott selbst Gräuel nennt, oder um die Verunreinigung durch unkoschere Tiere (deren Verzehr durch Toragebote verboten ist), deren Unkoscherheit, oder deren Unreinheit wie Gott selbst sagt (3.Mose 20:25): „Seelen verabscheuungswürdig macht“. Hier ist die Rede um koschere Lebensmittel, die  im Zustand der ritueller Unreinheit gegessen werden. Es handelt sich somit um rituelle Reinheit und Unreinheit.

 (Mk. 7:21-23):

Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.

Jeschua zählt eine relativ lange Liste der Verbrechen auf, mit denen wir versuchen uns jetzt auseinanderzusetzen. Vor allem „pornea“ – Ehebruch und „mojchea“ – Unzucht. Das letzte versteht jeden Verstoß gegen Moral im sexuellen Bereich, jede sexuelle Perversion. Das erste ist ein breiterer Begriff und bedeutet die Leidenschaft eines Mannes zu einer Frau, die nicht seine Ehefrau ist. Weiter kommt „pleonoksaj“ – Habgier, Neid, Belästigung, Betrug. Hier kann auch ein sexueller Kontext sein (man kann es in Kol. 3:5, Eph. 5:3 sehen). „Poreriaj“ – Zorn, Verbitterung, Schlechtigkeit. „Afrosine“ – Unvernunft, die Unfähigkeit  ethische, in der Gesellschat existierende Normen wahrzunehmen, eine absolute Nicht-Empfindlichkeit zur Moral.

Das alles kommt aus dem Inneren und das verunreinigt den Menschen. Das alles wird im Herzen enthalten und wenn der Mensch diesen unreinen Wurzeln folgt, verunreinigt er sich. Das Verzehren von Essen mit ungewaschenen Händen verunreinigt den Menschen nicht.

Beim Zusammenfassen des Gesprächs sagt Jeschua, im Grunde genommen, dass es nicht um die rituelle Reinheit der Hände geht, sondern um die Reinheit des Herzens. Denn das, was durch Hände kommt, kommt in den Magen und wird ausgeführt, aber das, was im Herzen bleibt, bleibt tatsächlich im Herzen und führt zu Gedanken und Taten, die den Menschen wirklich verunreinigen. Damit wird die Diskussion beendet. Auf diese Art beantwortet Jeschua die Frage: Warum achten seine Jünger die Überlieferung der Alten nicht. Denn die Überlieferung der Alten widerspricht häufig dem schriftlichen Gesetz, widerspricht, man könnte sagen, dem Willen Gottes, denn das Gebot, Eltern zu ehren ist der Befehl von Gott. Die Überlieferungen der Alten schaffen aber häufig eine Situation, wo der Wille der Alten dem Willen Gottes widerspricht. Auf die Frage zu den ungewaschenen Händen antwortet Jeschua, dass diese Bestimmung mit dem Unverständnis der Natur der Unreinheit des Menschen verbunden ist. Daher, wie die Alten auch entscheiden,  führt das Essen mit ungewaschenen Händen nicht zur Verunreinigung des Menschen.

(Mk. 7:24-26):

 Jesus brach auf und zog von dort in das Gebiet von Tyrus… (d.h. in das Land Dekapolis, wahrscheinlich auf der Suche nach einem Ort, um sich zurückzuziehen, dort wo man ihn nicht kennt). Er ging in ein Haus, wollte aber, dass niemand davon erfuhr; doch es konnte nicht verborgen bleiben. Eine Frau, deren Tochter von einem unreinen Geist besessen war, hörte von ihm; sie kam sogleich herbei und fiel ihm zu Füßen. Die Frau, von Geburt Syrophönizierin, war eine Heidin. Sie bat ihn, aus ihrer Tochter den Dämon auszutreiben

Phönizier lebten auf dem ganzen Territorium von Kleinasien bis Maghreb. Es gab lybische (aus dem Süden) oder syrische (aus dem Norden) Phönizier. Phönizier sprachen überwiegend Griechisch, so wie man heute eine internationale Sprache verwendet. Aber die Besonderheit an der phönizischen Sprache selbst ist, dass auch ein moderner Israelit sie versteht, ganz zu schweigen von dem Menschen, der biblisches Hebräisch, wie Jeschua, kennt. Phönizische Sprache ähnelt sehr dem Hebräischen. Deswegen konnte sich Syrophönizierinproblemlos in ihrer Sprache mit Jeschua unterhalten und wahrscheinlich verstanden sie einander. Somit kam eine syrophönizische Frau zu ihm und Jeschua sagte zu ihr

(Mk. 7:27-28):

Da sagte er zu ihr: Lasst zuerst die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen. Sie erwiderte ihm: Herr! Aber auch die kleinen Hunde unter dem Tisch essen von den Brotkrumen der Kinder. 

Wenn auch in der jüdischen Literatur tatsächlich eine nicht erfreuliche Praktik existiert, Heiden als Hunde zu benennen, in diesem Fall verwendete Jeschua das Wort, das besser für die Bezeichnung eines Zierhündchen passt, das inständig um Brotkrumen vom Tisch bettelt. Syrophönizierin empörte sich nicht über diesen Vergleich, sie nahm ihn an. Genau dieser Glauben wird von Jeschua befürwortet

 (Mk. 7:29):

Er antwortete ihr: Weil du das gesagt hast, sage ich dir: Geh nach Hause, der Dämon hat deine Tochter verlassen! 

Dem Menschen fällt es schwer, anzunehmen, dass er nach seiner Herkunft, seinem sozialen Status, oder anderen Kriterien nicht der Erste, nicht der Beste, nicht der Liebste ist. Wenn sich der Mensch damit abfindet, dass er hier und jetzt in der Rolle eines Zierhündchen am Tisch ist, das Kinder um Brotkrumen bettelt, ist diese Demut ein großes Zeichen des Glaubens an die Gerechtigkeit der Göttlichen Weltordnung. Es fällt leicht, die Gerechtigkeit anzunehmen, wenn man laut dieser Gerechtigkeit du der Erste und der Beste bist. Viel schwerer, wenn es sich laut dieser Gerechtigkeit herausstellt, dass man am zehnten Platz ist, dass man ein Hündchen oder  ein Meerschweinchen oder ein Hamster ist. Hier fällt es viel schwerer, sich mit der Stellung abzufinden. Genau diesen Glauben sah Jeschua in der Frau und für diesen Glauben segnete Jeschua sie, sodass im Vers 30 geschrieben steht

(Mk.7: 30):

Und als sie nach Hause kam, fand sie das Kind auf dem Bett liegen und sah, dass der Dämon es verlassen hatte.

Danach (Mk. 7: 31-32):

Jesus verließ das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen. 

Hier wird ein relativ seltenes Wort verwendet, man kann sagen – ein Stotterer des höchsten Ranges. Der Mensch, der einerseits schlecht hört und andererseits ständig stottert. Da er schlecht hört und von Lippen abliest, ist es für ihn schwer, die Phrasen zu wiederholen. Und er spricht undeutlich und unklar. Normalerweise braucht so ein Mensch, auch wenn sein Gehör geheilt wurde, monatelange Arbeit mit Logopäden und Lehrern, um klar und deutlich sprechen zu lernen. Denn jedes Mal ist es so, als ob er einen neuen Laut, einen neuen Buchstaben erlernt. Hier passiert etwas anderes (Mk. 7:33-37):

Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg

Das ist ein für Jeschua typisches Verhalten. Jeschua ist kein Showman, er strebt nicht nach einer öffentlichen Heilung des Menschen, um dadurch Ruhm und weitere Dividenden einzusammeln. Jeschua heilt in der Bescheidenheit aus Respekt zur kranken Person und zum Geist, der durch ihn wirkt.

…legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

Traditionell befiehlt Jeschua den Menschen über seine Handlungen zu schweigen. Trotzdem gehen die Menschen und erzählen. Hier, in diesem Fall, ruft es Anerkennung in Dekapolis aus, d.h. zum ersten Mal sieht man die Heiden, die staunten: „Sieh mal! Ein Jude, aber ein guter Mensch! Er tut gutes, er macht Taube zu Hörenden, Stumme zu Sprechenden!“ Wir sehen, dass Jeschua Macht besitzt Heiden zu heilen und zu befreien, d.h. diejenigen, die sich außerhalb des Bundes befinden. Wenn  er früher sprach: „Lasst zuerst die Kinder satt werden!“, sehen wir hier, dass Jeschua, nach den Worten der Syrophönizierin, beginnt Brotkrumen vom Tisch der Kinder zu verteilen. Weiter werden wir sehen, dass er mehr als  nur Krumen gibt. Vor allem ist die erste Heilung des Heiden mit der Öffnung seines Gehörs, mit der Heilung seiner Wahrnehmung verbunden, und wie wir wissen hängt das Gehör mit dem Beginn des Glaubens zusammen. Somit hat diese Erzählung noch eine weitere Symbolik, Symbolik der Vorbereitung eines Jüngers aus Heiden. Die Vorbereitung des Menschen zu neuen Hörwahrnehmung, aus dem der Glaube anfängt. Das erstaunt die Heiden.

Kapitel 8

Im Kapitel 8 treffen wir Jeschua, der sich weiterhin auf den heidnischen Ufern von Genezareth aufhält.

 (Mk. 8,1-7):

In jenen Tagen waren wieder einmal viele Menschen um Jesus versammelt. Da sie nichts zu essen hatten, rief er die Jünger zu sich und sagte: Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen. 

Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie auf dem Weg zusammenbrechen; denn einige von ihnen sind von weit her gekommen. Seine Jünger antworteten ihm: Woher könnte jemand diese hier in der Wüste mit Broten sättigen? Er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie antworteten: Sieben. Da forderte er die Leute auf, sich auf den Boden zu setzen. Dann nahm er die sieben Brote, sprach das Dankgebet, brach die Brote und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen; und die Jünger teilten sie an die Leute aus. Sie hatten auch noch ein paar Fische bei sich. Jesus segnete sie und ließ auch sie austeilen. 

Laut der jüdischen Tradition, wenn man Fisch mit Brot isst, wird nur das Brot gesegnet, der Fisch stellt nur einen Zusatz zum Brot dar. Hier segnet Jeschua aber das eine und das andere. D.h. hier handelt es sich nicht um den Segen einer Mahlzeit, bei dem der Allmächtige für das Essen gelobt wird. Sondern es handelt sich hier um einen Segen als Anschluss zur Quelle der Schöpfung, um Brot und Fisch zu vermehren.

 (Mk. 8,8-9):

Die Leute aßen und wurden satt. Und sie hoben die Überreste der Brotstücke auf, sieben Körbe voll. Es waren etwa viertausend Menschen beisammen. Danach schickte er sie nach Hause.


Früher, im Kapitel sechs in einer ähnlichen Geschichte ging es darum, dass es fünf tausend Speisenden gab und danach zwölf Körbe übrigblieben. Hier sehen wir aber, dass vier Tausend aßen und sieben Körbe überschüssig waren. Diese Zahlen sind keine rein statistischen Angaben, sondern haben eine bestimmte Bedeutung aus der Sicht der jüdischen Zahlensymbolik.

 Die Fünf steht traditionell für Segen und Überfluss, das kann man an vielen Stellen in Tanach (in der christlichen Tradition  – Kanon des Alten Testaments) sehen. Zum Beispiel, das Joseph dem Benjamin eine fünfmal größere Portion als seinen Brüdern (1.Mose 43:34) und fünf Wechselkleidungsstücke (1.Mose 45:22) gab.

Die Vier bedeutet vier Winde, vier Weltrichtungen. Sie zeigt auf die Welt, Standfestigkeit, Universum usw.

Die Zwölf steht für die Zahl der Stämme Israels, für die Apostelzahl. Und im Allgemeinen symbolisiert die Zahl Zwölf die Ganzheit Israels. Wenn die Rede von übrig gebliebenen zwölf Körben geht, bedeutet es symbolisch, das diese Mahlzeit – die Vermehrung der Brote – der Segen für Israels ist. In diesem Kapitel waren vier tausend Speisende – vier Weltrichtungen – und übrig blieben sieben Körbe. Sieben, siebzig usw. sind die Zahlen, die von Heiden sprechen. Israel kam in das Land der sieben Völker und die Tora wurde in siebzig Sprachen aufgeschrieben, d.h. sieben und siebzig weisen auf heidnische Völker hin.

Daraus folgt, dass sich der Segen über die Mahlzeit, die Vermehrung der Brote, auch auf die Heiden sich verbreitete.

 (Mk. 8,10-11)

Gleich darauf stieg er mit seinen Jüngern ins Boot und fuhr in das Gebiet von Dalmanutha. (Leider ist es schwierig den geografischen Standort festzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das die Gegend Kineret( um den See Genezareth) etwas südlicher von Tiberias). Da kamen die Pharisäer und begannen ein Streitgespräch mit ihm; sie forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel, um ihn zu versuchen. 

Die Pharisäer verlangten von Jeschua eine himmlische Bestätigung seiner Macht. Es handelt sich nicht um ein Wunder – sie sahen viele Wunder – sie benötigten eine Bestätigung vom Oben davon, dass Jeschua tatsächlich ein Gesandter des Himmels (von Gott) ist, der sogenannte „Bat kol“ – eine Stimme vom Himmel. In der talmudischen Geschichte gibt es viele Fälle, wo Gott sich einmischt und sagt: „Unter euch ist Mir nur derjenige würdig…“ oder „Unter euch hat derjenige Recht…“ oder „Der weiseste ist unter euch derjenige…“ Genauso eine himmlische Bestätigung  forderten die Pharisäer von Jeschua.

 (Mk. 8,12):

Da seufzte er im Geist auf und sagte: Was fordert diese Generation ein Zeichen? Amen, ich sage euch: Dieser Generation wird niemals ein Zeichen gegeben werden. 

Die Generation bedeutet in diesem Fall die Gruppe der Pharisäer, die nach Zeichen suchen. Jeschua antwortet ihnen, dass es keine eindeutige Bestätigung geben wird, und motiviert sie dazu, dass sie versuchen, selbst die Geschehnisse zu verstehen und zu analysieren.

In diesem Abschnitt endet ein gewisser Zyklus der Parallele zwischen dem, was im Leben Jeschuas geschieht und zwei anderer Menschen in der israelischen Geschichte. Zum einen der Schüler von Elia – Elischa( Elisa). Er teilte das Wasser (das war das erste Wunder, nachdem er den Mantel von Elia bekommen hatte). Er vermehrte das Brot.  Er verbesserte den Wassergeschmack.  Zum anderen –  der Mosche. Durch Mosche wurde ebenfalls das Meer geteilt. Durch Mosche wurde auch das Brot vermehrt (das Brot kam auf die Erde). Mosche verbesserte auch den Geschmack des verdorbenen Wassers. Zudem, belebte Elischa die Toten (im Fall mit der Witwe aus Sarepta). Dadurch weißt Jeschua uns darauf hin, dass seine Tätigkeit die Maßstäbe der Handlungen von Mosche und Elischa übertrifft, diesen jedoch sehr ähnelt. Deshalb sind diese Parallelen in den Texten der Evangelien, in den Erzählungen über Wunder enthalten. Und das ist genau das Zeichen, das die Pharisäer erkennen mussten.

 (Mk. 8,13-14):

Und er verließ sie, stieg in das Boot und fuhr ans andere Ufer. Die Jünger hatten vergessen, Brote mitzunehmen; nur ein einziges hatten sie im Boot dabei. 

Aus dem Text ist es ersichtlich, dass Jeschua für eine kurze Zeit das Land Dalmanutha besuchte und dann das Ufer wieder verließ, ohne sich darum zu kümmern, das seine Schüler essen und irgendwo schlafen sollen. Der Geist brachte ihn dorthin, damit er den Pharisäern zeigte, dass sie kein weiteres Zeichen bekommen werden.

Jeschua spricht zu seinen Schülern

(Mk. 8,15):

Und er warnte sie: Gebt Acht, hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes! 

Sowohl Pharisäer als auch Herodes Antipa suchten nach irgendwelchen Zeichen. Einerseits hörten sie den Gerechten zu, sie sahen die Gerechtigkeit von Johannes und die Gerechtigkeit von Jeschua. Andererseits, um ihren Unglauben und Widerstand gegen die Tätigkeit dieser Menschen zu rechtfertigen, warteten die Pharisäer und Herodes auf irgendwelche besonderen Zeichen, besondere Worte vom Himmel. Und sie wollten ihr Herz nicht erweichen, es an das Geschehende glauben lassen.

Die Schüler verstehen wieder nicht, wovon Jeschua hier spricht. Und Jeschua ermahnt sie erneut

(Mk. 8,17-18):

Als er das merkte, sagte er zu ihnen: Was macht ihr euch darüber Gedanken, dass ihr keine Brote habt? Begreift und versteht ihr immer noch nicht? Ist denn euer Herz verstockt? (Ein verstocktes Herz zeugt von der Unfähigkeit neue Ereignisse wahrzunehmen). Habt ihr denn keine Augen, um zu sehen, und keine Ohren, um zu hören? Erinnert ihr euch nicht…

Weiter erinnert Jeschua sie und spricht zu ihnen eigentlich wie im Kindergarten

(Mk. 8,19-20):

Als ich die fünf Brote für die Fünftausend brach, wie viele Körbe voll Brotstücke habt ihr da aufgehoben? Sie antworteten ihm: Zwölf. Und als ich die sieben Brote für die Viertausend brach, wie viele Körbe voll habt ihr da aufgehoben? Sie antworteten: Sieben.

Hier ist zu beachten, dass im Vers 19 das Wort „Korb“ und im Vers 20 „Behälter“ verwendet wird, genauso wie in der Erzählung selbst. „Korb“ ist ein traditioneller jüdischer geflochtener Behälter für Lebensmittel. In solchen wurden die Erstlinge in den Tempel gebracht. Und „Behälter“ im Vers 20 – ist ein traditioneller griechischer Tragekorb. Das ist ein Beweis dafür, dass in einem Fall Juden und in einem anderen Fall Hellenen – Vertreter anderer Völker – aßen.

(Mk. 8, 21)

Da sagte er zu ihnen: Versteht ihr immer noch nicht?

Worin besteht die Gefahr des pharisäischen Sauerteigs? Dieser Sauerteig besteht in Heuchelei und Selbstbetrug.

Ab dem Vers 22 beginnt noch eine wundervolle Heilungsgeschichte

(Mk. 8,22-26):

 Sie kamen nach Betsaida. Da brachte man einen Blinden zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren. Er nahm den Blinden bei der Hand, führte ihn vor das Dorf hinaus, bestrich seine Augen mit Speichel, legte ihm die Hände auf und fragte ihn: Siehst du etwas? Der Mann blickte auf und sagte: Ich sehe Menschen; denn ich sehe etwas, das wie Bäume aussieht und umhergeht. Da legte er ihm nochmals die Hände auf die Augen; nun sah der Mann deutlich. Er war wiederhergestellt und konnte alles ganz genau sehen. Jesus schickte ihn nach Hause und sagte: Geh aber nicht in das Dorf hinein!

Wahrscheinlich kam dieser Mensch nicht aus Bet-Zaida (Betsaida), da er nach Hause nicht durch Bet-Zaida geschickt wurde. Und Jeschua selbst äußerte sich skeptisch über Bet-Zaida und den Unglauben in dieser Stadt. Deswegen führte er für die Heilung den Blinden aus dem Ort hinaus. Erstaunlich ist aber, dass es ein fast unvergleichlicher Fall ist, da die Heilung durch Jeschua in zwei Etappen erfolgt. Zunächst geschieht die Halberleuchtung und dann tritt die komplette Erleuchtung ein.

Ohne Jeschuas Heilungskraft und seine Fähigkeit Blinde zu heilen zu bezweifeln, stellen wir uns die Frage, warum hier so eine außergewöhnliche Heilung passiert? Warum handelt Jeschua nicht sofort mit voller Kraft?

Aus der medizinischen Sicht könnten die Mediziner sagen, dass die Hornhaut manchmal so beschädigt ist, dass eine direkt vollständige Heilung die Netzhaut beschädigen kann und der Kranke kein unverzüglich großes Licht sehen darf. Teilweise ist diese Behauptung richtig, aber da es sich um eine  Wunderheilung handelt, ist medizinische Logik hier nicht angebracht.

Man kann annehmen, dass Jeschua absichtlich seine Wirkungskraft reduziert, damit die Erleuchtung in zwei Etappen stattfindet. So wie die Errettung Gottes für das Volk Israel und für die Völker in zwei Etappen vollbracht wird (wir wissen von zwei Kommen des Maschiachs) –deshalb reduzierte Gott die Erscheinung seiner Kraft in dieser Welt. Ähnlich handelt hier Jeschua. Er zeigt, dass aus der Gnade zur Menschheit und damit der Mensch, der vom ersten Mal nicht alles erkennen konnte, nicht verstoßen wird, verringerte Gott selbst seine Kraft, verringerte seine Wirkung, die nicht in der Fülle offenbart wird, damit der Mensch eine zweite Chance auf die Heilung hat.

(Mk. 8,27):

Jesus ging mit seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Auf dem Weg fragte er die Jünger: Für wen halten mich die Menschen? 

Wir wissen schon, dass Herodes Jeschua für Johannes der Täufer hielt und wahrscheinlich genauso wie viele andere auch. Die Schüler erzählen Gerüchte, die über Jeschua verbreitet wurden.

(Mk. 8,28-30):

Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elia, wieder andere für sonst einen von den Propheten. (Dann fragt Jeschua direkt…) Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Christus! (Maschiach) Doch er gebot ihnen, niemandem etwas über ihn zu sagen. 

Jeschua verbietet Petrus darüber zu sprechen, dass er weiß  wer Jeschua ist. Aber gleichzeitig erkennt Jeschua die Richtigkeit der Antwort von Pertrus an. Und zum ersten Mal fängt Jeschua an, offen von dem Plan Gottes für Maschiach zu sprechen.

 (Mk. 8,31):

Dann begann er, sie darüber zu belehren: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.

Jeschua nennt sich Menschensohn. Das ist einer der Namen eines geborenen Menschen, der vom männlichen Samen ohne Einfluss der Frau geboren wurde. In der jüdischen Mystik gibt es die Geschichte über den Propheten Jermijahu(Jeremia), der Menschensohn genannt wurde, weil er ohne Beteiligung der Frau geboren wurde.

Jeschua spricht von Leiden. Er spricht darüber, dass drei Säulen der Führung des jüdischen Volkes (Älteste, Hohepriester, Gelehrte) ihn verurteilen und töten werden, und dass er am dritten Tag auferstehen wird. Jeschua spricht darüber, dass er eine ganze Leidensphase durchzugehen hat.

 (Mk. 8,32):

Und er redete mit Freimut darüber. Da nahm ihn Petrus beiseite und begann, ihn zurechtzuweisen. 

Hier zeigt Markus nicht, wie Petrus Jeschua widerspricht. Wahrscheinlich bittet Petrus darum, dass sich Jeschua den Leiden nicht aussetzt, denn es ist möglich, nicht nach Jerusalem zu gehen, es ist möglich die Gelehrten zu besiegen, indem man Engel vom Himmel herbeiruft… Letztendlich gibt es auch viele andere Möglichkeiten…

 (Mk. 8,33-34):

Jesus aber wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Tritt hinter mich, du Satan! (Selbstverständlich ist es eine Metapher. Petrus ist kein Satan, er ist in dem Fall einfach ein Verführer.) Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 

Dieser erstaunlicher Satz stellt den Anfang der Geschichte über die Leiden des Messias dar. Jeschua ist selbst noch nicht gekreuzigt und trug noch kein Kreuz. Um was für ein Kreuz geht also hier?

Hier ist eine Reminiszenz an einen alten Midrasch (Auslegung) aus dem Buch Bereschit Raba (Auslegung der 1.Moses). Als Jitzhak(Isaak) Reisig nahm und zum Opferaltar brachte (1.Mose 22:6), hebt der Midrasch hervor: „Wie ein zur Hinrichtung Verurteilter, das Kreuz Tragender“. Hier weist Jeschua seine Schüler auf die Selbstaufopferung von Jitzhak, der sich selbst verleugnete und selbst Reisig nahm, auf dem er verbrannt wird, und zum Opferaltar trug. Der Dienst für Maschiach kann mit dem Tod enden. In jedem Fall ist es das alltägliche Sterben des alten Menschen: Ablegen von bestimmten Eigenschaften und Charakterzügen. Aber im realen Leben kann es Verfolgungen mit sich bringen. In den Medien kann man dies ganz oft sehen. Und Jeschua sagt: Wenn du mir nachfolgen willst, verleumde dich selbst, nimm dein Kreuz. Nimm die Kugel, mit der du getötet wirst, das Messer, mit dem du erstochen wirst, und folge mir nach…

 (Mk. 8,35):

Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.

Diese Herangehensweise ist sehr bekannt in der jüdischen Tradition. Man erzählt von einem Gespräch, das Alexander der Große, König von Makedonien, mit den Weisen führte, als er die Lehrer fragte: „Was soll der Mensch tun, um zu leben?“ Ihm wurde gesagt: „Sterben!“ Um ein ewiges Leben zu leben muss der Mensch für fleischiges Leben sterben. „Und was soll der Mensch tun, um zu sterben?“ – „Leben!“. Dementsprechend, wenn der Mensch ein säkulares Leben führt, dann lebt der ewige, der neue Mensch in ihm nicht und darüber wird gesagt: „Die Bösewichte werden sogar während des Lebens als Tote bezeichnet, und die Gerechten werden sogar im Tod als Lebende genannt.“ Darüber spricht auch Jeschua, aber er setzt den Schwerpunkt auf seine Nachfolge. D.h., die Rede geht nicht darum, das Leben einfach abzugeben (es gibt Menschen, die ihre Seele für fremde Religionen, für irgendwelche Überzeugungen, für die Freiheit eigenen Landes, für irgendwelche Idealen abgeben). Jeschua sagt, dass derjenige, der die Seele um seinetwillen und  um seines Dienstes willen aufgibt – bewahrt sie.

(Mk. 8,36):

Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?

Auch wenn der Mensch alle Schätze der Welt besitzen wird, wenn er seine Seele hingeben muss, werden diese Schätze nicht mehr verfügbar sein.

(Mk. 8,37):

Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen? 

Der Mensch, der vor Antlitz Gottes kommt, was wird er sagen? Dass er der Kirche gespendet hat? Im schlimmsten Fall wird er als Antwort hören: „Wir berieten uns hier und kamen zu dem Schluss, das Geld Ihnen zurückzugeben.“  In jene Welt können wir nichts mitnehmen, außer der Gerechtigkeit der Seele. Daher ist es unbedeutend, was wir uns anschaffen, welche Reichtümer wir haben, all das bleibt in dieser Welt. Und hier, mit diesen Schätzen, kann man entweder sich selbst oder dem Allmächtigen dienen.

(Mk. 8,38):

Denn wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommt.

Wenn z.B. der Mensch weigert sich seine Jüngerschaft Jeschua, unter dem Druck der Gesellschaft, anzuerkennen, das ihm sagt: „Du bist doch ein moderner Mensch! Du musst leben wie alle! Wozu brauchst du all diesen alten Glauben? Lebe zu deinem Vergnügen! Niemand kehrte von dort zurück, niemand weiß, wie es dort tatsächlich ist. Lebe jetzt! Warum sollte man jetzt nicht sündigen, warum sollte man jetzt nicht probieren?!“ Es ist eine große Versuchung für den Menschen, wenn er vor der Welt steht, seine Zugehörigkeit und seine Jüngerschaft Jeschua zu verteidigen. Und wenn der Mensch sich der Lehre Jeschuas schämt und infolge dieser Scham irgendeine Sünde begeht, dann wird auch Jeschua sich dieses Menschen schämen und ihn nicht in seine Gefolge aufnehmen, wenn er im Ruhm seines Vaters mit den heiligen Engeln kommen wird. Die Rede ist, selbstverständlich, um Rückkehr zum Gericht, wenn Jeschua kommt und thront, um die Völker zu richten.

Kapitel 9

Kapitel neun Markus Evangelium beginnt folgend

(Mk. 9,1-2):

Und er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft.

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt

Häufig wird gefragt, warum es bei Markus nur einen Besessenen und bei Matthäus zwei Besessene gab. Aus dem zitierten Abschnitt kann auch die Frage hervorgehen: Warum schreibt Markus, dass sechs Tage vergingen, während andere Evangelisten von acht Tagen sprechen? Und warum besteht zwischen ihnen dieser Unterschied? Ich rate euch die Evangelien zu lesen, ohne sie miteinander zu vergleichen oder gegenüberzustellen. Denn jedes Evangelium ist eine separate Geschichte. Für Markus war es wichtig, sechs Tage hervorzuheben. Sechs Tage, als Mosche auf die Antwort des Allmächtigen aus der Wolke wartete. Für Matthäus ist jedoch der achte Tag wichtig. Als der Tempel „in Betrieb genommen wurde“ (3 Mose 9,1), sagt die Tora, dass Mosche am 8. Tag die Stiftshütte öffnete und es gab eine „Chanukka“ – Einweihungsfeier, Erneuerung der Stiftshüte. D.h. diese Tage und Zahlen zeigen  bestimmte parallele historischen Ereignissen an und stellen, so zu sagen, Dekorationen zur Erzählung dar. Es ist für uns unbedeutend zu wissen, nach welchen Ereignissen sechs oder acht Tage vergangen sind, denn hier geht es nicht um die Chronologie, sondern um der Symbolik, die hinter dieser Chronologie stehen kann.

 Also (Mk. 9,2) :

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes und führte sie auf einen hohen Berg, nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verklärt.

Laut der Tradition handelt es sich um den Berg Tavor, wenn auch es Mystiker gibt, die eher der Meinung sind, dass es hier um den Berg Hermon geht, das war der höchste und am stärksten mit Schnee bedeckte Berg in der Umgebung. Denn von Hermon wird im Buch „Henoch“ und in einer anderen apokryphe Literatur erzählt, dass Engel auf diesen Berg heruntersteigen. Dennoch wird in den Evangelien nicht direkt erwähnt, um welchen Berg es sich handelt. Und wenn hier der Berg Hermon gemeint wäre, würde es bedeuten, dass die Jünger relativ hoch aufsteigen mussten.

 (Mk. 9,3):

und seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann.

Markus weist auf das himmlische Ausbleichen der Kleidung hin. Wiederum deutet er nicht, im Gegensatz zu den Verfassern anderer Evangelien, auf die Verklärung des Gesichts hin. Denn, wahrscheinlich charakterisiert Markus Jeschua aufgrund des Zeugnisses von Petrus. Petrus und die anderen Apostel konnten hinter Jeschua stehen und sein Gesicht einfach nicht sehen. Von der Verklärung sprechen die Propheten, insbesondere Jesaja, er berichtet, dass die Gerechten verwandelt werden. Das Abbild davon sehen wir hier

(Mk. 9,4):

Und es erschien ihnen Elia mit Mose, und sie redeten mit Jesus.

Anscheinend sprechen sie nur mit Jeschua. Petrus, Jakobus und Johannes sind am Gespräch nicht beteiligt, sie stehen in Verwirrung, Fassungslosigkeit und Angst.

 (Mk. 9,5):

Und Petrus antwortete und sprach zu Jesus: Rabbi, hier ist für uns gut sein; wir wollen drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. 

Wahrscheinlich spricht Petrus hier von einer Hütte nicht im Sinne einer „Sukka“ – Laubhütte, die zum Fest Sukkot gebaut wird (3 Mose 23:42). Das Wort, das hier als Hütten übersetzt wird, kann auch Stiftshütten bedeuten. Petrus meint genau das – die Stiftshütte – ein Zelt für den Dienst. Markus erklärt, dass Petrus selber nicht wusste, was er sagte, denn sie waren in Verwirrung und das ist auch verständlich.

(Mk. 9,6-8):

Er wusste aber nicht, was er redete; denn sie waren verstört. Und es kam eine Wolke, die überschattete sie. Und eine Stimme geschah aus der Wolke: Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören! Und auf einmal, als sie um sich blickten, sahen sie niemand mehr bei sich als Jesus allein.

Aus anderen Stellen in der Schrift wissen wir, dass Gott in der Wolke erschien und von dort sprach. Hier passiert das Gleiche – die Wolke ging tatsächlich hinunter so wie in der Stiftshütte. Eventuell ist es zum Teil eine Antwort auf die verwirrte Aussage von Petrus.

In rabbinischen Texten kommen öfters die Geschichten vor, in denen sich ein paar Menschen treffen, sich unterhalten und dann vom Himmel eine Stimme erklingt, dass man „auf denjenigen hören soll“ oder „derjenige ist der Größte unter euch“. Das war für alle ein Zeugnis des Himmels. Und um so ein himmlisches Zeugnis baten Pharisäer. Aber ihnen wurde kein Zeugnis gegeben. Seinen Schülern gibt Jeschua solches Zeugnis.

Der Aufstieg auf den Berg symbolisiert den Ort, wo sich so zu sagen Himmel und Erde treffen. Der Aufstieg auf den Berg ist zudem ein Aufruf von Himmel und Erde Zeugen zu sein. Hier hat man Zeugen von Lebenden: Petrus, Jakobus und Johannes und Zeugen von den Verstorbenen: Mosche und Elijahu. Ihnen zeugt die himmlische Stimme – „bat kol“ – dass Jeschua der geliebte Sohn ist.

Aus diesem Zeugnis geht hervor, dass Jeschua mehr als Elijahu und mehr als Mosche ist. Midrasch(Auslegung) sagt traditionell, dass Mosche und Elijahu in allem gleich sind, aber Elijahu widerspiegelt die Propheten und Mosche widerspiegelt das Gesetz (Midrasch Pesiqta Suta). Hier sehen wir,dass Jeschua als der Größte von ihnen in der Anwesenheit von Zeugen, durch eine himmlische Stimme und  traditionsgemäß erklärt wurde. Das ist genau das Zeichen, um das die Pharisäer baten und das sie nicht erhielten. Und dieses Zeugnis sollte zunächst ein Geheimnis bleiben.

 (Mk. 9,9-10):

Als sie aber vom Berg herabgingen, gebot ihnen Jesus, dass sie niemandem sagen sollten, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn auferstünde von den Toten. Und sie behielten das Wort und befragten sich untereinander: Was ist das, auferstehen von den Toten?

Das Wort „behielten“ bedeutet in der Sprache der Torastudiums, dass sie sich damit auseinandersetzten. Wenn der Lehrer etwas erzählt, aber die Schüler es nicht verstehen, dann bedeutet die Diskussion über das Wort des Lehrers – „es behalten“. Sie stellten das Wort zur Diskussion und fingen an, einander zu fragen, was es bedeutet, von den Toten aufzuerstehen. Zudem hatten sie auch noch eine Frage aus den früheren Lehrstunden Jeschuas

 (Mk. 9,11):

Und sie fragten ihn und sprachen: Sagen nicht die Schriftgelehrten, dass zuvor Elia kommen muss?

Im Judentum gibt es keine eindeutige Zeitangabe über das Kommen des Maschiachs. Dennoch, sprechen solche Quellen wie „Buch Henoch“, „Aufstieg der Vorväter“ , „Ben Sira“, und andere Apokryphen, dass Elijahu vor dem Kommen Maschiachs kommen soll. Es gibt verschiedene Erklärungen dazu. Laut einer Version soll Elijahu das Kommen des Maschiachs ankündigen, laut einer anderen Version soll er zehn verstreute Stämme versammeln. Laut der dritten Variante soll er kommen und alles so vorbereiten, dass alle erfahren, wer Maschiach ist, er soll vom Maschiach zeugen

 (Mk. 9,12):

Er aber sprach zu ihnen: Elia soll ja zuvor kommen und alles wieder zurechtbringen.

Jeschua bestätigt damit die Tradition der Gelehrten, auf die sich die Jünger berufen, und ergänzt dabei

(Mk. 9,12-13):

Er aber sprach zu ihnen: Elia soll ja zuvor kommen und alles wieder zurechtbringen. Wie steht dann geschrieben von dem Menschensohn, dass er viel leiden und verachtet werden soll? Aber ich sage euch: Elia ist gekommen, (wir wissen, dass er von Johannes dem Täufer spricht) und sie haben ihm angetan, was sie wollten, wie von ihm geschrieben steht.

Es gibt keine schriftlichen Quellen, die bestätigen, dass Elijahu einen Märtyrertod sterben muss. Aber jeder, der die Frage über Maschiach im Judentum erforscht hat, weiß, dass es eine Tradition über zwei Maschiache gibt. Zum einen geht es um Maschiach ben Joseph, der leidet und stirbt. Einer der Meinungen ist, dass er im Kampf gegen Heiden stirbt. Eine andere Meinung sagt, dass er im Gericht getötet wird, weil er leidet für die Sünden des Volkes. Und laut einer der Meinungen wird Elijahu genau der Maschiach sein, der Sohn Josephs, der kommen und so behandelt wird. Somit weist Jeschua auf mündliche Tradition hin, genauer gesagt auf apokryphische Tradition bezüglich Elijahu, und bestätigt sie durch seine Worte. Und wenn Jeschua etwas bestätigt, soll es wie die Wahrheit angenommen werden. So die Worte Jeschuas: „Elijahu ist gekommen – Johannes der Täufer – und sie haben ihm angetan, was sie wollten“, d.h. man richtete ihn hin. Markus erzählt darüber ausführlich.

Danach kehrt Jeschua zu seinen Jüngern zurück.

 (Mk. 9,14-18):

Und sie kamen zu den Jüngern und sahen eine große Menge um sie herum und Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten. Und sobald die Menge ihn sah, entsetzten sich alle, liefen herbei und grüßten ihn. Und er fragte sie: Was streitet ihr mit ihnen? Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn zu Boden; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht.

Wahrscheinlich entzündete sich ein Streit zwischen Pharisäern und Jüngern. Anscheinend machten sich die Pharisäer über Jeschuas Schüler lustig, weil sie den Geist nicht austreiben konnten. Jeschua sagt aber

(Mk. 9,19):

Er antwortete ihnen aber und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, (nicht ohne Glauben, sondern mit dem geringeren Glauben) wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? 

Überraschend, von Jeschua – traditionell freundlichen und sanftmütigen – solche Worte zu hören. Aber wenn man an Mosche denkt, der der sanftmütigste Mensch war, sagte er bei der Ermahnung des Volkes ähnliches. Hier handelt es sich nicht um Überheblichkeit oder irgendwelche Beschimpfungen, sondern Jeschua macht sich Sorgen, dass seine Schüler einen geringeren Glauben haben, obwohl sie so viele Wunder sahen.

 (Mk. 9,20-23):

Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn hin und her. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist’s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! Jesus  sprach zu ihm: Wenn du  kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 

Der Vers 23 sollte gesondert betrachtet werden, weil er nicht ganz korrekt übersetzt wurde wegen Textproblem. In vielen alten Schriften fehlt das Wort „glauben“, das hier verwendet wird. Jeschua paraphrasiert an dieser Stelle die Worte des Vaters und sagt: „Wenn du mindestens etwas kannst, ist alles dem Gläubigen möglich.“ D.h. „Frage nicht, was ich kann, sondern sprich von deinem Glauben. Du selber, was kannst du?“ „Dem Gläubigen ist alles möglich und du, was kannst du?“

 (Mk. 9,24):

Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! 

In anderen Worten antwortet der Vater, dass sein kleiner Glaube nicht ausreicht, um mit diesem Geist fertig zu werden. Jeschua sieht voraus, dass sich das Ganze in eine Show verwandeln kann, und wartet daher nicht, bis sich eine Volksmenge versammelt.

(Mk. 9,25-27):

Als nun Jesus sah, dass die Menge zusammenlief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! Da schrie er und riss ihn heftig hin und her und fuhr aus. Und er lag da wie tot, sodass alle sagten: Er ist tot. (Wahrscheinlich dauerte diese Verstörung nur paar Minuten) Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf, und er stand auf. 

Achten wir auf Jeschuas Worte: „Du sprachloser und tauber Geist“. Wenn der Geist taub ist, ist es sehr schwierig zu ihm irgendwelche Beschwörungen oder Forderungen anzuwenden, weil der Geist selbst nicht hört. Die Laute haben auf ihn keine Auswirkung, egal wie sehr man ihn anschreien würde: „Im Namen Jesu Christi!“ Deswegen reichen weder ein einfacher Glaube, noch elementare Kenntnisse der ersten Stufe des Exorzismus, auf der sich die Schüler befinden, nicht aus, um diesen Geist auszutreiben.

 (Mk. 9,28-29):

Und als er ins Haus kam, fragten ihn seine Jünger für sich allein: Warum konnten wir ihn nicht austreiben? (Das ist vermutlich wieder das Haus von Petrus). Und er sprach: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.

Fasten ist ein Einschub, der etwas später erschien, der Originaltext von Markus enthält das Wort „Fasten“ nicht. Obwohl es seitens Jeschua scheinbar kein Gebet gab, er wandte sich nicht an den Himmlischen Vater, es wurde nicht gesagt: „Himmlischer Vater verbiete diesen Geist“, es gab nichts dergleichen –  er befahl einfach dem Geist herauszugehen. Aber wir sehen, dass der Vater von dem Jungen um Hilfe bat und  sprach: „Herr, hilf meinem Unglauben!“ Man könnte annehmen, dass „Herr“ eine Anrede für Jeschua, aber wahrscheinlicher wandte sich der Vater des Jungen zu Gott. Und das ist ein Gebet – der Ruf des Vaters um Hilfe, um den Tauben zu erreichen, erschien als notwendig.

Hier können wir etwas tiefer den Sinn des Streits zwischen Jüngern und Gelehrten verstehen. Das Problem bestand darin, dass ein Tauber Mensch einem völlig nutzlosen Menschen gleichgesetzt wurde. Ein tauber Mensch war frei von allen Geboten, weil es war unmöglich, ihm die Tora beizubringen. Ein tauber Mensch konnte sich sogar keine Braut nehmen, denn, was kann er schon geben… Diese Regel galt nicht nur bei Juden, sondern überall. Beispielweise gibt es eine römische Aussage – „Absurd“. Absurd bedeutet das, was ein Tauber sagt, etwas Unsinniges, unverständliches usw. Da der Mensch keine Lehre aufnehmen konnte, galt er als nichtexistierend, wertlos. Und wahrscheinlich lag die Frage über die Möglichkeit, so einen Menschen zu rehabilitieren, ihn wiederherzustellen, der Diskussion zwischen Jüngern Jeschuas und Gelehrten zugrunde.

Also, Jeschua zeigt hier, dass die Einstellung zu einem tauben Menschen (lassen wir Dämonen beiseite) als zu einem wertlosen Menschen, der nichts lernen kann, völlig falsch ist. Jeden Menschen kann man rehabilitieren. Ein verächtlicher Umgang mit dem Menschen empört gerade Jeschua, als er sagt: „O du ungläubiges Geschlecht! Wie lange soll ich euch ertragen?“ Weiter lesen wir

(Mk. 9,30-32):

Und sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa; und er wollte nicht, dass es jemand wissen sollte. Denn er lehrte seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände der Menschen, und sie werden ihn töten; und wenn er getötet ist, so wird er nach drei Tagen auferstehen. Sie aber verstanden das Wort nicht und fürchteten sich, ihn zu fragen.

Warum hatten die Jünger Angst Jeschua zu fragen? Sie hatten keine Angst, dass Jeschua sie mit einem Stock verprügelt oder eine schlechte Note für eine dumme Frage vergibt. Traditionell herrschte Konkurrenz zwischen Weisen und Schülern im Judentum. Uns erreichte eines der persönlichen Gebete des Lehrers Rabbi Jehuda, der vor dem Betreten des Lehrhauses betete: „Gott, lass mich heute keinen Fehler bei der „Halacha“(Praktische Gesetze) machen, damit meine Mitschüler sich nicht erfreuen.“ Denn, wenn der Mensch einen Fehler macht oder etwas Unsinniges sagt, dann sieht jemand anderer in seinem Licht klüger aus. Philippus verstand etwas nicht, Petrus verstanden etwas nicht aus dem, was Jeschua sagte, aber sie stellten keine Fragen aus Angst, durch andere Schüler ausgelacht zu werden. Das bedeutet, sie fürchteten nicht vor Jeschuas Reaktion, sondern vor der möglichen Reaktion der Mitschüler. Und genau im nächsten Abschnitt kommt diese Konkurrenz zwischen den Schülern zum Ausdruck

(Mk. 9,33-35):

Und sie kamen nach Kapernaum. Und als er im Haus war, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg besprochen? Sie aber schwiegen; denn sie hatten auf dem Weg miteinander besprochen, wer der Größte sei. Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener.

Einiger Zeit später, vielleicht etwa 300 Jahre nachher, lebte Rabbi Jehoschua. Er hatte einen Sohn Josef, der einmal klinisch tot war. Darüber erzählt Talmud im Traktat Bava Batra. Nach einiger Zeit wurde sein Sohn auferweckt und Vater fragte ihn: „Was hast du dort gesehen, mein Sohn?“ Und Josef, ein kleiner Junge, antwortete: „Ich habe eine umgedrehte Welt gesehen: die Höheren sind dort unten und die Niedrigeren sind dort oben. Derjenige, der hier ein Herr ist, ist dort ein Diener. Derjenige, der hier ein Diener ist, ist dort ein Herr. Derjenige, der hier erniedrigt ist, ist dort erhaben, und derjenige, der hier erhaben ist, ist dort erniedrigt.“ Nachdem der Vater ihm zuhörte, antwortete er: „Du hast eine „gerade“ Welt gesehen.“

 Da Jeschua seine Schüler nicht für eine irdische Karriere vorbereitet, sondern für das Leben in Ewigkeit, sagt er ihnen: um der Erste in der Ewigkeit zu sein, ist es notwendig, hier, in dieser Welt, der Letzte und aller Diener zu sein. Dann können wir möglicherweise in der umgedrehten Welt, so wie sie Josef sah, zu den Ersten werden.

Weiter folgt wieder eine Jeschua Predigt. Markus wird nun mehrere Predigten in eine zusammenstellen, damit man sie sich besser merken kann.

 (Mk. 9,36-37):

Und er nahm ein Kind, stellte es mitten unter sie und herzte es und sprach zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.

Jeschua zeigt, dass das Kind einem Ungelehrten, einem Tauben oder einem Blinden ähnelt. Das Kind ist hilflos und in allem von der Gesellschaft abhängig. Und das Kind dient hier als Beispiel eines schutzlosen und schwachen Menschen. Derjenige, der diesen Menschen – einen Bettler, einen Obdachlosen oder einen Hungrigen – annimmt, und derjenige, der dies im Namen Jeschuas tut, nimmt Jeschua an. Und derjenige, der Jeschua annimmt, nimmt auch den Vater an.

Wenn wir aufhören, Menschen in Würdige und Unwürdige zu teilen und danach zu streben, genau den Würdigen Hilfe zu leisten, dann ändert sich auch die Einstellung von Oben zu uns. Und uns wird die Hilfe nicht nach Würde beigemessen, sondern aus Gnade. Das bedeutet nicht, dass wir zu Einfaltspinsel werden sollen, denn es wird gesagt: „Dein Almosen soll in deiner Hand schwitzen.“ Aber wenn wir einen Menschen sehen, der wirklich in Not ist, dann müssen wir ihm helfen, ohne uns lange Gedanken zu machen, warum er in die eine oder andere Situation geraten ist, ohne ihn zu verurteilen. Wir sollen ihn als Kind annehmen, als einen Menschen ohne Vergangenheit, als Hilflosen und Bedürftigen. Und wir sollen es um Jeschuas willen tun.

Weiter stellen die Jünger noch eine Frage an Jeschua

(Mk. 9,38-39):

Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden.

Hier entsteht die Frage nach der Zugehörigkeit zur Gemeinde, zur Jüngerschaft oder einfach nach dem Wissen, nach dem Glauben im Namen. Natürlich ist es besser für den Menschen, der an Jeschua glaubt, mit ihm zusammen zu gehen und unter seinen Jüngern zu sein. Aber wenn jemand geht und im Namen Jeschuas heilt, dann sagt Jeschua selbst: „Ihr sollt es ihm nicht verbieten!“ Wenn man ihm nicht verbietet zu heilen, bedeutet das, dass man auch dem Volk nicht verbietet, sich an so einen Menschen zu wenden. So sagt Jeschua

(Mk. 9,40-41):

Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.

(Weiter spricht Jeschua, als ob er unterbrochen wurde, zu dem Gesagten im Vers 37). Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.

Wenn wir dem Gott dienenden Menschen mit Becher Wasser helfen, wird niemand sagen: „Na ja, der hat nur einen Becher Wasser eingeschenkt! Was kostet der schon?“ Sogar für den Becher Wasser werden wir den Lohn nicht verlieren.

Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.

Wir können den bedürftigen und „unbedeutenden“, “kleinen“ Gläubigen an Jeschua dienen. Wir können sie lehren. Aber wir sind auch für ihre Verführung verantwortlich. Wir dürfen nicht sagen: „Na ja, ein Bettler. Er führt bereits diese Lebensweise und ist eigentlich ein verlorener Mensch,“ – nein, wir tragen die Verantwortung für ihn. Und eine auf derartig verächtliche Einstellung stellt den Menschen sozusagen einem Mörder gleich, demjenigen, der von der Tora Gottes ausgestoßen wird.

Ein Mühlstein am Hals wird traditionell als eine Strafe gesehen für den, der einen Menschen vom Toralernen entfernt.

Ab dem Vers 43 beginnt eine andere Predigt, die man hierher hinzufügt, da es sich um Versuchungen handelt und man es sich gut merken kann. Es ist ein für die Bücher jener Zeit traditioneller Aufbau des Inhalts.

 (Mk. 9,43-48):

Wenn dich aber deine Hand verführt, so haue sie ab! Es ist besser für dich, dass du verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass du zwei Hände hast und fährst in die Hölle, in das Feuer, das nie verlöscht. Und wenn dich dein Fuß verführt, so haue ihn ab! Es ist besser für dich, dass du lahm zum Leben eingehst, als dass du zwei Füße hast und wirst in die Hölle geworfen. Und wenn dich dein Auge verführt, so wirf’s von dir! Es ist besser für dich, dass du einäugig in das Reich Gottes eingehst, als dass du zwei Augen hast und wirst in die Hölle geworfen, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht.

„Gehinnom“ ist ein Ort im Süden Jerusalems, eine Mülldeponie, wo man früher Kinder als Opfer für Moloch darbrachte. Anschließend war dort eine riesige Mülldeponie, wo stets Feuer brannte.

Jeschua vergleicht zwei Sachen: Einerseits kann ein Verstümmelter ohne Hand in das ewige Leben kommen, andererseits kann man mit beiden Händen auf einer Mülldeponie landen, wo der Körper verbrannt wird. Was ist besser?

 Jeschuas Zuhörer, genauso wie moderne Leser, können verstehen, dass man das Gesagte nicht wörtlich nehmen darf, sondern es geht darum, welche Eigenschaften unseres Wesens, unseres Charakters wir abtrennen sollen. Der Vergleich mit der Abtrennung der Hand oder des Beines ist nicht umsonst. Es ist wirklich ein sehr schmerzhafter Prozess. Aber es ist besser, dies zu vollbringen, denn in die Welt, wohin wir gehen – in das ewige Leben – können wir nicht hineinkommen, wenn wir sogar ein bisschen Finsternis in uns tragen. Das Hereinkommen wird ohne Abtrennung jeglicher Finsternis, jeglichen dunklen Flecks nicht möglich

(Mk. 9,49):

Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden. 

Juden schlossen den Bund des Salzes ab. Salz bewahrt Fleisch von verderben. Salz korrigiert den Geschmack. Salz kann Fleisch vom Blut reinigen, d.h. mithilfe des Salzes kann man auch eine rituelle Reinigung vollbringen. Und jeder soll eine Korrektur durch Salz durchlaufen, den Prozess, von dem Jeschua früher bereits gesprochen hat. Jedes Opfer wird durch Salz korrigiert. Wir bereiten uns zum Opfer durch die Kreuzigung  Jeschua und wir müssen gesalzen werden.

Jeschua setzt fort

 (Mk. 9, 50):

Das Salz ist gut; wenn aber das Salz nicht mehr salzt, womit werdet ihr’s würzen?

Ein nicht salziges Salz ist ein Widerspruch in sich. Das Salz kann nicht nichtsalzig sein. Wenn Salz nichtsalzig ist, kann man damit nicht würzen, das ist dann überhaupt kein Salz. Dieses Kapitel endet mit den Worten:

Habt Salz bei euch und habt Frieden untereinander!

Jeschua spricht darüber, dass wir in uns Kraft und Möglichkeit haben sollen, uns selbst zu korrigieren. Uns zu beherrschen, uns bewusst zu sein, was wir sein möchten – die Größeren oder die Kleineren.

Wir sollen verstehen, wozu wir tatsächlich fähig sind, wie groß unser Glaube ist und was  uns gegeben wurde. Und wenn wir Salz in uns haben, sollen wir auch Frieden untereinander haben.

Salz zu besitzen bedeutet sich selbst wirklich zu kennen. Das hilft, sich selbst nicht auf die erste Stelle zu stellen und im Kampf um den ersten Platz einen anderen Menschen zu verstoßen. Diese Selbsterkenntnis sollte helfen, barmherziger im Umgang mit anderen Menschen zu werden. Solche Einstellung zu anderen führt zum Frieden untereinander.

Man kann sagen, das ist Jeschuas Testament an seine Nachkommen. Das wurde nicht nur seinen Schülern gesagt, sondern auch uns, wie einen Teil der Rettungsmethode. Man soll vor allem seine eigene Schwächen betrachten, diese salzen, korrigieren und abtrennen (manchmal sehr schmerzhaft) und dieses Salz immer in sich haben. Und wenn wir Salz in uns haben und barmherzig miteinander umgehen, können wir dann vergeben und mit Verständnis die Schwächen anderer Menschen annehmen, wir können dann anderen helfen der Sünde zu widerstehen, und wir werden Frieden untereinander haben. Und das ist das größte Zeichen für Jeschuas Jünger.

Kapitel 10

Kapitel 10 beginnt damit, dass Jeschua Galiläa verlässt und in die Gegend östlich des Jordans kommt (das ist die Gegend der heutigen Hauptstadt Jordanien Amman, damals ein jüdischer Ort). Hier trifft er sich wieder mit Pharisäern, die erneut versuchen, ihn zu prüfen.

Testen oder prüfen – das hatte keine negative Bedeutung im Gegensatz dazu, wie es heute wahrgenommen wird. Es ist der Wunsch Jeschua zu verstehen, zu sehen, wie kompetent er in dieser oder jener Frage ist. Anders gesagt, hier verbirgt sich der Wunsch nach einem intellektuellen Wettbewerb. Mit diesem Ziel kommen sie zu Jeschua und fragen ihn

 (Mk. 10,2):

ob es einem Mann erlaubt sei, sich von seiner Frau zu scheiden, und versuchten ihn damit.

Seitens der Halacha (praktische Vorschriften) ist diese Frage gleichzeitig einfach und kompliziert. Im Buch Dwarim (5.Mose 24) steht geschrieben, wenn der Mann etwas Schamhaftes (hebr. – „dwar arwat“) an seiner Frau findet, dann kann er ihr einen Scheidungsbrief schreiben und sie wegschicken. Dementsprechend bekommt die Frau die Summe, die  in ihrem Ehevertrag (Ketubba) festgeschrieben ist. Nach dem Gesetz geht die Frau in die Ehe mit einem Dokument (es heißt „Ketubba“) ein und verlässt die Ehe mit einem Dokument (es heißt „Get“). „Ketubba“ beschreibt die Verpflichtungen des Ehemannes gegenüber seiner Frau und umgekehrt, und definiert die Summe, die sich der Ehemann verpflichtet, seiner Frau zu zahlen, wenn er sich von ihr scheiden lässt. „Get“ bestimmt, dass die Frau nicht mehr seine Ehegattin ist, d.h. es ist ein Scheidungsbrief und wird durch die Herausgabe einer bestimmten Summe und Festsetzung des Unterhalts begleitet, damit die Frau irgendwie existieren kann. Das ist eine allgemeingültige Regel.

Eine sehr verbreitete Diskussion, die zur damaligen Zeit geführt wurde, bestand darin: Wie soll man „dwar arwat“ – „etwas Schamhaftes“ verstehen? Es gab zwei Hauptschulen im Judentum. Die Lehre einer Schule – „beit Schamaj“ (Haus Schamais) – sagte, „dwar arwat“ ist tatsächlich etwas Schamhaftes, d.h. Unzucht oder Gedanken darüber. Die Lehre einer anderen Schule – „beit Hillel“ (Haus Hillels) bestand darin, dass etwas Schamhaftes, das ist, was dem Mann nicht gefällt, z.B. wenn die Frau sein Abendessen verbrannte. Zur späteren Zeit wurde dieses Thema durch Rabbi Akiva noch weiter überspitzt. Er sagte, dass der Mann, wenn er eine schönere Frau traf, Recht hatte, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Solche Meinungen herrschten damals zu dieser Frage.

Aber mit der Zeit fiel es den Gelehrten schwer, der Lehre der Schule „beit Hillel“ zuzustimmen, die sagte, wenn die Frau das Abendessen verbrannte, dann kann der Mann sich von ihr scheiden lassen. Sie fügten die Korrektur hinzu: wenn die Frau aus dem verbrannten Abendessen die verbrannten Stückchen aussucht und diese dem Mann serviert und dadurch den fehlenden Respekt ihm gegenüber zeigt, kann das als Indiz für die Scheidung betrachtet werden. Natürlich handelt es sich nicht um die Kochkunst, sondern um die Frage der Beziehung. Aber hier sehen wir eher eine Art Kommentatorenkult, keine wirkliche  Einschätzung der Situation. Und eine reale Einschätzung der Situation zeigt, dass die Lehre einer Schule Scheidung nur aufgrund der Unzucht erlaubt, während die Lehre einer anderen Schule es aus einem beliebigen Grund zulässt.

Diese Diskussion ist sehr aktuell, weil sie das Eheleben eines jeden Menschen betrifft. Wir können im Talmud sehen, dass die Fragen bezüglich der Scheidung vor vielen Lehrern auftauchen. Wir kennen einen Lehrer, den seine Schüler fragten: „Warum lässt du dich von so einer schlechten Frau nicht scheiden?“ Darauf antwortete er: „Die Summe in der Ketubba ist sehr hoch. Ich habe eine hohe Verpflichtung im Ehevertrag festgeschrieben.“ Letztendlich halfen die Schüler ihm die Summe zu sammeln. Aber es geht hier vor allem darum, dass das Scheidungsthema auch für die größten Rabbiner auf allen Ebenen aktuell war. Deswegen war es sehr interessant, sich einen Rat von so einem ungewöhnlichen Lehrer wie Jeschua zu holen. Außerdem entstand der Eindruck, dass Jeschua liberaler Ansicht ist und auf seine Art lehrt: er erlaubte mit ungewaschenen Händen zu essen, am Schabbat zu heilen und Ähren zu pflücken. Und was die Scheidung angeht, vielleicht gab es eine solche Erwartung, dass er möglicherweise erlaubt, die Frau wegzuschicken, anstatt sich von ihr offiziell  scheiden zu lassen, und sich dann eine andere Frau zu nehmen.

Aber Jeschua enttäuscht Menschen, die von ihm fertige und konkrete Antworten erwarten. Jeschua antwortet auf jüdische Art – er stellt Frage auf die ihm gestellte Frage

(Mk. 10,3-5):

Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten?  Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben.

Die Tora wurde dem Volk in der Form gegeben, die dem geistlichen Zustand der Gemeinde Israel entsprach. Deswegen behandelt sie den Verkauf von Sklaven und viele andere Aspekte, die in unserer Zeit, nachdem das Volk einen gewissen Evolutionsweg beschritt, wild klingen. Jedoch sind sie in der Tora enthalten. Und Jeschua antwortet, dass unter der Berücksichtigung des geistlichen Zustandes des Menschen die Scheidung in der Tora durch Mosche erlaubt wurde.  Aber ursprünglich war es nicht so.

 (Mk. 10,6-9):

aber von Anfang der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

Ursprünglich war es nicht möglich, das zu trennen, was vereint war. Beim Lesen von Markus Evangelium kann der Eindruck entstehen, dass sich der Mensch nie scheiden lassen darf. Aber wenn Jeschua von einem Fleisch spricht, sagt er auch, wenn die Frau sündigt und sich mit einem anderen Mann vereint, dann geschieht der Ehebruch. In dem Fall wird der eine von Gott vereinte Leib gestört und die Scheidung wird möglich. Aber es ist nicht möglich eine treue Frau zu verlassen oder sie wegzuschicken.

 (Mk. 10,10):

Und im Haus fragten ihn die Jünger abermals danach.

In einem engen Kreis erzählt Jeschua wunderbare Sachen

(Mk. 10,11):

Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe;

Wenn man die Worte Jeschuas wörtlich nimmt, dann waren sie für die damalige Zeit eine unerhörte Sache. Bis zu jener Zeit konnte nur eine Frau Ehebruch begehen. Der Ehebruch bestand darin, dass ein unverheirateter oder verheirateter Mann eine Affäre mit einer fremden Ehefrau oder Braut hatte. Somit betrogen sie durch diese Beziehung ihren Mann oder Bräutigam. Eine Frau durch den Ehebruch zu betrügen war zur damaligen Zeit rechtlich einfach nicht möglich.

Vers 12 enthält noch eine außergewöhnliche Aussage

(Mk. 10,12):

und wenn die Frau sich scheidet von ihrem Mann und heiratet einen andern, bricht sie die Ehe.

Nach jüdischem Gesetz kann die Frau einerseits eine Scheidung einleiten, wenn der Mann ihre Bewegungsfreiheit oder ihre Kommunikation mit anderen Menschen gesetzeswidrig einschränkt. Wenn der Mann Impotent oder unfruchtbar ist, kann die Frau sich an das Gericht aus drei Rabbinern wenden und das Gericht wird den Mann verpflichten der Frau einen Scheidungsbrief zu geben. Aber andererseits, rechtlich kann nur ein Mann die Scheidung vollbringen. Deswegen war die Situation, wenn die Frau sich von ihrem Mann scheiden lässt und einen anderen Mann heiratet, für die damalige Zeit unrealistisch.

Verschiedene Kommentatoren verstehen es unterschiedlich. Einige sagen, dass Verse von 10 bis 12 ein späterer Einschub sind, der vom römischen Recht spricht. Andere sagen, dass diese Verse unter Berücksichtigung der Situation der Juden aus Transjordanien geschrieben wurden, die freiere Beziehungen hatten. Aber es ist schwierig, diese Hypothese mit etwas zu verbinden. Es gibt noch eine Version, die davon spricht, wenn jemand sich scheiden lässt und eine andere Frau heiratet, der seine erste Frau zum Ehebruch verleitet, da sie gezwungen wird, nach einem anderen Mann zu suchen. Heiratet sie ein zweites Mal, begeht sie Ehebruch. Also  wieder, hier geht die Rede um das Verhalten einer geschiedenen Frau.

Also, welcher Meinung sollte man zustimmen und wie kann man Worte Jeschuas erklären? Unter Berücksichtigung, dass sich Jeschua mit seinen Schülern in einem engen Kreis unterhält und sie „halacha“(praktische Vorschriften) unterrichtet, kann man annehmen, dass Jeschua von den Gesetzen für eine künftige Gemeinde spricht. Er legt strengere Maßstäbe für neue Gemeinden, die der Tora nicht widersprechen, aber viel strikter sind (möglicherweise für die Gemeinden, die nicht nur aus Juden bestehen werden). Wenn man behaupten wird, dass der eine oder andere Einschub durch Römer oder Kirchenväter eingefügt wurde oder, dass das  Evangelium durch Missetäter komplett oder teilweise verzerrt ist – diese Einstellung ist eine Sackgasse, kein guter Weg.

In Jerusalem gab es die Tradition, dass am Anfang des Monats Nissan zu den Ältesten Kinder zum Segnen gebracht wurden. Die Ältesten segneten die Kinder, wünschten ihnen viel Erfolg in der Tora, in der Ausübung guter Taten, in der Ehe. Im Vers 13 werden auch zu Jeschua Kinder gebracht

(Mk. 10,13-16):

Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an.  Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.  Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.

Das Reich Gottes wie ein Kind anzunehmen bedeutet: wie ein Kind die Autorität seines Vaters und seiner Mutter annimmt, ohne sich Gedanken zu machen, inwieweit seine Eltern klug sind, ohne sie mit anderen zu vergleichen. Im Weltbild des Kindes gibt es nur Vater und Mutter. Natürlich benötigt unser himmlischer Vater solche Apologie nicht, dass er a priori als der Klügste und der Beste anerkannt wird. Aber dieser kindliche Zustand selbst – ist der wahre Zustand gläubiger Menschen, der sie zu Erben des Reiches Gottes macht.

Jeschua macht sich auf den sehr schweren Weg nach Jerusalem. Unterwegs erwartet ihn noch eine Begegnung

 (Mk. 10,17-18):

Und als er hinausging auf den Weg, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als der eine Gott.

Dieser Abschnitt ist schwer zu kommentieren. Wahrscheinlich sagte dieser „einer“ (an anderen Stellen „ein junger Mann“) Jeschua: „Rabbi hatov! Was soll ich tun, um ewiges Leben zu erben?“ Im Tanach(in christlichen Tradition – der Kanon des Alten Testaments), im Buch Sprüche und Prediger kommt es vor, dass man einen Menschen gut nennt.  Jeschua selbst verwendet im Matthäus Evangelium diesen Begriff – ein guter Mensch. Warum hier löst die Aussage „guter Meister“ einen solchen Widerstand? Wahrscheinlich ist „guter Meister“ in den Augen des Fragenden ein Meister, der den Menschen verändern, ihn gut machen kann.  Ihm nicht das Gesetz zu lehren, ihm nicht das Dienen oder innere Korrektur beizubringen, sondern ihn in einen guten Menschen zu verwandeln. Und Jeschua antwortet, dass es niemanden außer Gott gibt, der dies machen könnte.

Hier geht es nicht um die Bestätigung oder Widerlegung des göttlichen Wesens Jeschuas. Man kann aufgrund dieses Verses nicht sagen, dass Jeschua kein Gott ist oder umgekehrt. Hier ist ein Hinweis auf die Weltanschauung, auf die Korrektur der Weltanschauung dieses jungen Mannes.

Weiter setzt Jeschua seine Antwort fort

(Mk. 10,19-20):

Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.« Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.

Dieser aufrichtige Jüngling wurde zum Prototyp in vielen Predigten in den Kirchen und oft zu einem negativen Prototyp. Aber man kann sehen, dass dieser Mensch ehrlich ist und seine Anrede uneigennützig ist: er fragt nicht nach der Gesundheit der Kindern, er bittet um keine Heilung für sich… er will in der Tat das, was Jeschua lehrt zu wollen – danach streben, um das ewige Leben zu erben. Auf Jeschuas Frage zu den einzelnen Geboten antwortet er, dass er sie von seiner Jugend her bewahrte. Und Jeschua gibt zu, dass dieser Mensch sich bemühte, die Gebote zu halten.

 (Mk. 10,21)

Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!

Man soll darauf achten, dass der Jüngling  damit nicht zufrieden war, dass seine Bemühungen die Gebote zu halten gebilligt wurden, sondern, er bat um mehr, um auf die nächste Stufe der Heiligkeit zu kommen, um noch vollkommener zu werden. Darauf sagte Jeschua: „Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben.“

(Mk. 10,22):

Er aber wurde betrübt über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.

Das ist die Traurigkeit des Menschen, der auf dem Weg zu Jeschua dachte, dass er alles tun kann, um das Gewünschte zu bekommen, alles opfern kann. Aber plötzlich versteht er, dass es Sachen gibt, die er nicht opfern kann. Deswegen geht er traurig weg.

Markus spricht von der Traurigkeit und sehr wohl wird diese Traurigkeit später ihre Früchte bringen. Möglicherweise endet die Geschichte damit nicht. Er hatte ein großes Vermögen und es war schade, sich von diesem Vermögen zu trennen. Ich frage oft Menschen, die ein großes oder kleines Gut besitzen – eine Wohnung oder Haus, ob sie bereit sind, es zu verkaufen und Geld an Arme zu verteilen? Und wenn Menschen sich solche Frage stellen, stellt sich heraus, dass die Bereitschaft fehlt. Und nicht alle werden diesbezüglich traurig…

Jeschua spricht zu seinen Schülern

(Mk. 10,23-24):

Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte.

 Sie waren entsetzt, weil es angenommen wird, dass Reichtum und Segen gehen Hand in Hand.  Dann wiederholt Jeschua und gibt eine Erklärung:

Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen!

Wenn der Mensch Angst hat, seinen Reichtum zu verlieren, und sich auf ihn verlässt, dann stört es ihn Gott nachzufolgen, weil er dem Reichtum dienen wird und nicht nach Gott streben. Jeschua bringt eine Metapher

 (Mk. 10,25):

Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.

Diese Metapher verwirrte viele Kommentatoren, einige vermuteten, dass die Rede hier nicht um ein Kamel geht, sondern um ein Schiffsseil, das man durchs Nadelöhr ziehen kann. Ein Mythos entstand, dass es in Jerusalem ein sehr kleines Nadeltor gab, dass das Kamel nur mit Mühe und Not passieren konnte. In der Tat existierte dieses Tor nicht. Es gibt keine historischen Beweise über die Existenz dieses Tores und man kann ruhig sagen, dass die Geschichte ausgedacht ist.

Aber der Ausdruck „jemanden durch das Nadelöhr ziehen“ (in Babylon wurde dabei ein Elefant und in Galiläa ein Kamel gemeint) bedeutet „etwas Unmögliches“. In Babylon wurde der Ausdruck „einen Elefanten durch das Nadelöhr ziehen“ mit der Bedeutung verwendet, etwas rechtlich Kompliziertes zu schaffen: einen Schuldigen freizusprechen, einen Unschuldigen zu verurteilen, das Verbotene zu erlauben, das Erlaubte zu verbieten usw.

Als die Jünger hörten, wie schwer es ist, in das Himmelreich zu kommen, erschraken sie .

(Mk. 10,26-27):

Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden? Jesus sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.

Letztendlich führt Gott den Menschen zur Errettung und Er tritt als errettende Kraft auf. In Kirchen und Gemeinden neigen wir dazu zu diskutieren, dass die eine oder andere Person nicht errettet wird, weil sie nicht so glaubt und handelt, wie es sich gehört. Natürlich sollen wir uns auf der Basis des eigenen Schriftverständnisses um die Errettung des Nächsten kümmern. Aber gleichzeitig dürfen wir die rettende Kraft des Allmächtigen nicht begrenzen. Gott kann, wenn Er will, jeden Menschen aus jedem Zustand retten.

Petrus ist mit dieser Information überfordert und stellt die Frage

(Mk. 10,28-31):

Da fing Petrus an und sagte zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlässt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen – und in der kommenden Welt das ewige Leben. Viele aber werden die Letzten sein, die die Ersten sind, und die Ersten sein, die die Letzten sind.

So eine Antwort auf Petrus Frage wäre viel später angebracht. Denn die Verfolgungen begannen noch nicht und niemand empfing das Hundertfache an Häusern und Geschwistern. Hier meint Jeschua eher einen evangelistischen Midrasch(Auslegung) auf eine bekannte Aussage aus dem Tanach aus Ps. 37:25, die sagt: „Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie den Gerechten verlassen gesehen und seine Kinder um Brot betteln.“ Midrasch sagt traditionell, dass diese Worte von dem Weltfürsten – „Sar haOlam“ oder Friedefürsten – „Sar haSchalom“ gesagt wurden – das sind Titel, die für Jeschua angewendet werden können. Ein Gerechter, der sein Leben dem Dienst für Gott, Gesetz, Tora und Evangelium widmet, wird nie verlassen. Und man kann sehen, dass er eine Belohnung erhält. Im Brief an Hebräer wird auch gesagt, dass Mosche Christi Leiden bevorzugte, d.h. Christi Leiden konnten schon vor Christus vorhanden sein. Die Selbstaufopferung für das Volk, für andere Menschen – bedeutet Christi Leiden zu teilen.

Es gibt auch Kommentatoren, die sagen, dass dies ein Einschub aus späteren Zeiten ist und dieses Kapitel mehrmals redigiert wurde. Aber wie bereits oben erwähnt, empfiehlt es sich, sich an diese Herangehensweise nur in Ausnahmefällen zu halten, wenn der Einschub durch den Text bestätigt wird, wenn der in bestimmten Manuskripten fehlt.

(Mk. 10,32):

Sie waren aber auf dem Wege hinauf nach Jerusalem, und Jesus ging ihnen voran; und sie entsetzten sich; die ihm aber nachfolgten, fürchteten sich.

 Es wäre korrekter zu übersetzen, dass Jeschua vorne ging, die Jünger sich entsetzen und die Begleiter Angst bekamen. Angst, weil Jeschua vermied lange Zeit absichtlich die Konfrontation mit Juden. Und wahrscheinlich wussten die Jünger von den bösen Absichten der Pharisäer bezüglich Jeschua

(Mk. 10,32-34):

Und er nahm abermals die Zwölf zu sich und fing an, ihnen zu sagen, was ihm widerfahren werde: Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Menschensohn wird überantwortet werden den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten, und sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden überantworten, und die werden ihn verspotten und anspeien und geißeln und töten, und nach drei Tagen wird er auferstehen.

Zum ersten Mal erzählt Jeschua, was ihm geschehen wird. Dieses Geißeln und Spucken wird auch von Propheten in der einen oder anderen Form erwähnt, von Propheten Jesaja. Somit erfuhren die Jünger, was genau Jeschua passieren wird und wohin sie gehen

(Mk. 10,35):

Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen zu ihm: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden.

Wahrscheinlich interessieren sich Jakobus und Johannes wenig dafür, welche Versuchungen Jeschua überstehen muss. Sie verstehen, dass er der Maschiach ist, und nach der Auferstehung wird er die Macht selbst in die Hand nehmen und das Königreich wiederherstellen. Und in diesem Reich wird die Zeit kommen, da die Posten verteilt werden. Und je früher man sich darum kümmert, desto bessere Positionen kann man bekommen

(Mk. 10,36-40):

Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, (traditionell symbolisiert der Kelch das Leiden) oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde? Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das zu geben steht mir nicht zu, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist.

Wenn man ungefähr versteht, was mit dem Kelch gemeint ist, dann ist die Bedeutung der Taufe in diesem Kontext überhaupt nicht klar. Bei Jesaja und in Psalmen, wenn David sagt (Ps. 69:2): „das Wasser geht mir bis an die Kehle“, in der Übersetzung von Aquila  Sinopsky wird das Verb „baptiso“ verwendet, was bedeutet „ich lasse mich taufen“, d.h. „ich bin bereits getauft.“ Bei Jesaja 43,2 steht es „muss du durchs  Wasser gehen..“ und es wird wieder das Wort „baptiso“ verwendet. Erlebnis einer kritischen Periode, Qualen im Laufe der Zeit – sind mit Taufe verbunden. Und Taufe symbolisiert in diesem Fall: etwas durchmachen, eine Phase der Ablehnung durch die Welt durchgehen.

(Mk. 10,41-42):

Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.

Der Grund für das Entrüsten lag daran, dass Jakobus und Johannes zum ersten Mal an Jeschua traten und hinter den Rücken der anderen begannen Politik zu betreiben. Worauf Jeschua antwortet:

Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. 

„Die Herrscher“ sind diejenige, die fehlerhaft durch Völker verehrt, bewundert werden. Jeschua zeigt, dass nur in der sichtbaren Welt sichtbare Menschen einem sichtbaren König dienen. Tatsächlich aber, herrscht der Allmächtige über alles.

(Mk. 10,43):

Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein;

„Ein Diener“ ist einer, der sich selbst zurückstellt und demütigt. In der kommenden „ verdrehten“ Welt, über die wir schon gesprochen haben wird er der Größte sein.

 (Mk. 10,44-45):

und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

Hier wird das Wort mit der Bedeutung „Lösegeld für gefangene Soldaten“ verwendet, um  viele loszukaufen. Das Wort „viele“ ruft bei einigen Erstaunen hervor. „Warum nicht alle? Warum nicht die ganze Welt?“ Aber hier wird eine für Hebräisch typische Gegenüberstellung „einer“ (echad) und „viele“ (rabim) verwendet. „Rabim“ kann in diesem Zusammenhang „alle“ oder „eine große Menschenmenge“ bedeuten, aber es besteht kein Widerspruch.

(Mk. 10,46):

Und sie kamen nach Jericho. Und als er aus Jericho hinausging, er und seine Jünger und eine große Menge, da saß ein blinder Bettler am Wege, Bartimäus, der Sohn des Timäus.

Das ist eine traditionelle Situation. Ein großer Pilgerstrom läuft, sie gehen durch Jericho und steigen nach Jerusalem. Der Platz am Wegrand bei Ausgang aus Jericho war sehr passend für einen Bettler.

 (Mk. 10,47-48):

Und als er hörte, dass es Jesus von Nazareth war, fing er an zu schreien und zu sagen: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Und viele fuhren ihn an, er sollte schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner!

Der Blinde wurde zum Schweigen gezwungen. Warum? Erstens, weil sich immer soziale Aktivisten finden, die sich für Ordnung einsetzen. Zum anderen, weil der Ausdruck „Sohn Davids“ jemanden bezeichnet, der auf das Königreich Anspruch erhebt, und das war gefährlich in der Gegend. Denn zur damaligen Zeit herrschte ein  Kaiser – in Rom, er hatte viele Statthalter und brauchte keine Söhne Davids.

 (Mk. 10,49-50):

Und Jesus blieb stehen und sprach: Ruft ihn her! Und sie riefen den Blinden und sprachen zu ihm: Sei getrost, steh auf! Er ruft dich! Da warf er seinen Mantel von sich, sprang auf und kam zu Jesus.

Hier kann man zwei Bestandteile sehen. Zum einen, sind es Details der Zeugniserzählung. Wenn das z.B. Petrus Erinnerung ist, dann kann man vermuten, dass Petrus und andere den Blinden kannten, da sie ihn mit Namen riefen. Er war wahrscheinlich ein bekannter Mann. Zum zweiten, solche Einzelheit wie „Da warf er seinen Mantel von sich“ kann die Situation beschreiben, wenn man schmutzige Arbeitskleidung auszieht, um vor jemandem Heiligem, Wichtigem, vor dem König aufzutreten. Der Blinde stand auf und kam zu Jeschua.

 (Mk. 10,51-52):

Und Jesus antwortete ihm und sprach: Was willst du, dass ich für dich tun soll? Der Blinde sprach zu ihm: Rabbuni („Rabbuni“ ist die höchste Form des Respektausdrucks zum Lehrer), dass ich sehend werde. Und Jesus sprach zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege.

Hier soll ein wichtiges Detail erwähnt werden. Laut Midraschim(Auslegungen) und Tradition gehören Jericho und Beit-El zu den verdorbensten Städten in Israel. Jericho steht auf dem ersten Platz, Beit-El ist auf Platz zwei. Jericho war so, weil es von Jeschua ben Nun(Josua) verflucht wurde. Und Beit-El war so, weil es in ihm heidnische Götzenaltäre gab. Jericho befindet sich nicht weit von Jerusalem. Der Talmud sagt, dass man in Jericho hören konnte, wie die Tore in Jerusalem geöffnet wurden, wie der Hahn in Jerusalem krähte. Aber Jericho antwortete auf diesen Ruf nicht, sondern es blieb die am meisten verdorbene Stadt in Israel. Und hier von der geistlichen Abgrund Israels ertönte ein offenes Bekenntnis „Jeschua ben David“ (Jeschua Sohn Davids)! Zum ersten Mal war das Bekenntnis offen, weil Jeschua zum ersten Mal dem Blinden nicht verbat, darüber zu sprechen, und der Blinde folgte offen Jeschua nach. Es war vollbracht! Aus Jericho, aus dem geistlichen Abgrund Israels erklang sozusagen die frohe Botschaft darüber, dass ben David kam und heilte. Das ist die letzte Geschichte in der Heilungsreihe in Markus Evangelium.

Kapitel 11

Das elfte Kapitel des Markus Evangeliums ist eines der schwierigsten Kapitel im Bibelstudium sowohl wegen der inhaltlichen Spannung als auch wegen der hier auftretenden Symbolik. Deswegen werden wir vom Text abweichen und Exkurse in die Geschichte machen, was genauso interessant und nützlich sein wird. Das Kapitel beginnt damit, dass Jeschua den Aufstieg nach Jerusalem beendet. Normalerweise geht man nicht nach Jerusalem, sondern steigt auf, genauso wie man innerhalb von Jerusalem zum Tempel aufsteigt. Genau diese Verben werden sowohl in Tanach(in der christlichen Tradition – der Kanon des Alten Testaments), als auch im Neuen Testament verwendet.

(Mk. 11,1-3):

Und als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, bei Betfage und Betanien am Ölberg, sandte er zwei seiner Jünger und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt. Und alsbald wenn ihr hineinkommt, werdet ihr ein Füllen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat; bindet es los und führt es her! Und wenn jemand zu euch sagen wird: Was tut ihr da?, so sprecht: Der Herr bedarf seiner, und er sendet es alsbald wieder her.

«Er sendet es alsbald» – d.h. Jeschua sendet seine Schüler, damit sie für kurze Zeit ein Eselfohlen ausleihen, und verspricht es anschließend zurückzugeben. Warum schickt Jeschua nur zwei Schüler? Zwei Schüler können Zeugen sein, dass das Eselfohlen ausgeliehen wird oder diese zwei Schüler wissen, dass der Besitzer des Esels auf Jeschuas Seite ist. Höchstwahrscheinlich ist es nicht nötig bei dieser Frage irgendeine Mystik zu suchen.

Die Prophetie von Sacharja sagt, dass der Maschiach als ein armer Mensch kommt, der einen Esel reitet. Die nächste wichtige Frage ist, wozu der Maschiach einen Esel braucht? Warum kann er nicht in einer Trage von Sklaven getragen werden, in einem Wagen fahren oder ein Pferd reiten? In der Prophetie von Sacharja steht geschrieben (Sach. 9:9): Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.

Der persische König Schabor (3. Jahrhundert) fragte einen Weisen: Warum erscheint euer Maschiach so arm, auf einem Esel? Soll ich ihm vielleicht meine Hengste schicken? Ich kann ihm mein bestes Pferd schicken.“  Darauf antwortete der Weise: „Hast du, König, einen Hengst, dessen Färbung tausende von Tönen hat?“ – der König sagte: „Nein.“ Der Weise setzte fort: „Unser Esel ist aber so.“ Natürlich wiedergibt das Gesagte keine genaue Beschreibung des Esels. Es ist eine Metapher, die damit verbunden ist, dass das Bild eines Esels sehr tiefe Wurzeln in jüdischer Tradition hat.

Zu Beginn ist zu sagen, dass die Mischna(eine Sammlung  der Gesetze und Bestimmungen aus dem 2 Jh.) erzählt, dass Adam sündigte und fiel (das war am Freitag, der Schöpfungsprozess nahte sich dem Ende). Danach, in der Dämmerung des sechsten Schöpfungstages, wurden noch weitere zehn Dinge erschaffen. Das sind : der Mund der Erde (der Korach verschlucken wird), die Quelle des Brunnens (Miriams Brunnen, der Juden in der Wüste begleitete), der Mund von Bileams Eselin, der Regenbogen, das Manna, der Stab, Schamir (Wurm, der für den Tempelbau eingesetzt wurde) und die Bundestafeln. Einige zählen dazu noch das Grab von Mosche Rabejnu, den Bock (den Abraham anstatt von Izchak opferte) und den Esel des Maschiachs. Das sind wie zehn Stufen, zehn Markierungen in Gottes Heilungsplan von der Sünde.

Die Tradition sagt, dass der Esel von Maschiach vorher auch der Esel von Abraham und Mosche war. Aus all diesen Überlieferungen entsteht die Frage, welche Rolle der Esel spielt? Und wozu soll der Maschiach einen Esel reiten, der ein paar Tausend Jahre alt ist? Warum nimmt er nicht ein junges Eselfohlen?

Natürlich ist die Vereinigung der drei Esel in einen eine Metapher, obwohl einige glauben, dass dieser Esel beim Allmächtigen irgendwo im Verborgenen aufbewahrt wird. Aber hier geht die Rede nicht um den Esel selbst, sondern um seine Funktionen. Das Wort „Esel“ (hebr. „chamor“) ist mit dem Wort „chomer“ vom Hebräischen „Materie, Fleisch“ verbunden. Den Esel zu reiten bedeutet den Sieg über die materielle Welt. Daher sollen wir genauer betrachten, auf welche Art und Weise Abraham, Mosche und Jeschua diesen Esel nutzten.

  • Abraham nimmt Äste, alles Nötige für den Altar und legt es auf den Esel, er selbst läuft mit dem Sohn zu Fuß, er setzt sich nicht auf den Esel.
  • Mosche setzt seine Familie, seine Frau und Kinder, auf den Esel. Er selbst setzt sich nicht.
  • Der Dritte in dieser Kette ist der Maschiach. Er setzt sich auf den Esel und reitet ihn.

Die Weisen sahen in diesen drei Herangehensweisen drei Stufen des Sieges über die materielle Welt. Zunächst können wir nur Gegenstände unseres Alltags heilig machen – das ist die erste Stufe. Die zweite Stufe ist, wenn wir anfangen, die Heiligkeit zu berühren, denn Frau und Kinder sind dasselbe Fleisch eines Menschen, ein Teil von ihm. Aber der Mensch ist noch nicht vollständig geheiligt. Die Frau heiligt sich früher als der Mann, sie kommt mit einem größeren Potenzial an Heiligkeit in diese Welt. Daher hat sie weniger Verpflichtungen bezüglich einzelner Gebote. Im Fall von Mosche heiligten sich seine Frau und Kinder und das wurde zum Anfang seiner Heiligung. Die dritte Stufe des Sieges über die materielle Welt ist der Maschiach. Er ist frei von dem Besitztum und von der Familie, in diesem Sinne ist er „anii“ – arm. Und er reitet voll und ganz einen Esel.

Midrasch Tanhuma sagt, dass der Allmächtige die Weltordnung um des Volkes Israel willen veränderte. In der Tora (2. Mose 13:13) steht, dass des Esels Erstgeborenes als einziges von allen Tieren ausgelöst wurde. Der Erstgeborene eines Esels wird durch ein Lamm erkauft. Der Allmächtige sagt (im Midrasch Tanhuma): „Ich bestimmte das Gesetz in dieser Welt so, dass der Erstgeborene eines Esels durch ein Lamm erkauft wird. Aber ich selbst handle danach nicht, weil ich ein Lamm durch einen Esel erkaufte. Denn Ägypter, unter denen ihr lebtet, werden mit einem Esel verglichen, wie es geschrieben steht: „deren Fleisch wie Eselsfleisch…war “ (Hes. 23:20 (SLT)). Die Israeliten werden einem Lamm gleichgestellt. Wie es geschrieben steht: „Israel ist ein versprengtes Schaf“ (Jer. 50:17). Und der Allmächtige sagt: „Ich schlug alle Erstgeburt im Land Ägypten und heiligte zum Dienst für mich alle Erstgeburt in Israel.“ (4.Mose 3:13).

Der „Esel“ dient als Erlösung für das „Lamm“, obwohl das Gebot der Tora es andersrum vorschreibt. Trotzdem, spielt der Esel eine wichtige Rolle in der Erlösung Israels. Da die Ägypter vom Propheten dem Esel gleichgestellt wurden, stellt der Sieg über das Materielle den Höhepunkt der Erlösung, die in Ägypten begonnen hat, dar. In diesem Zusammenhang bekommt der Esel eine besondere symbolische Bedeutung.

Man kann noch weitere zahlreiche Beispiele für die Eselssymbolik nennen. Wir schauen uns noch eine näher an.

Gleich nach dem Beginn von Pessach beginnt die Opferung der ersten Gerstengarbe (3.Mose 23:11). Man opfert Gerstengarben, aber man bringt im Tempel keine Speiseopfer aus Weizen. Wie die Weisen erklären: man bringt Eselsfutter(Gerste) in den Tempel. Warum geschieht es so? Die Weisen sagen, dass eine Degradation der Generationen geschieht. Im Vergleich zu vorherigen Generationen werden wir schwächer in der Toraverständnis, in der Befolgung der Gebote. Wären unsere Vorfahren wie Engel, so wären wir vor ihnen wie Menschen. Wenn unsere Vorfahren aber Menschen waren, so sind wir wie Esel in Vergleich zu ihnen. Von Pessach bis zur Darbringung der Opfergabe aus Weizen, die ganze Zeit der Omerzählung(49 Tage – 3.Mose 23:15) oder die ganze Zeit nach dem Auszug aus Ägypten bis zum Aufstieg auf den Berg Sinai (oder von Jeschuas Auferstehung bis zum Ausgießen des Heiligen Geistes), jedes Jahr durchlaufen wir sozusagen eine Entwicklung von einem Esel zu einem Menschen. Das Reiten auf dem Esel beginnt symbolisch mit der Einfahrt in Jerusalem.  Wenn man es noch tiefer betrachtet, dann, von der Zeit, als Abraham alles für die Opfergabe Nötige auf den Esel auflud. Deswegen wird der Esel in dem Fall einem Pferd oder einem anderen Tier, einem Auto, einem Flugzeug oder einer Trage vorgezogen.

Aus der Sicht der Mystiker oder jüdischen Kommentatoren könnte man vermuten, dass es einen Ort am Berg Eleon(Ölberg) gibt, woher dieser Esel genommen wurde. In der Tat gibt es eine Überlieferung, dass Abraham bis jetzt diesen Esel bewacht. Betrachtet man diese Episode mystisch, dann hätten zwei Schüler Jeschuas wohl zu Abraham kommen können, um diesen Esel zu holen. Aber höchstwahrscheinlich würde eine der oben beschriebenen Varianten an der Stelle besser passen: Entweder ausgeliehen diese beiden, als Zeugen, den Esel für kurze Zeit. Der Besitzer vertraute ihnen und gab den Esel. Oder diese zwei Schüler wussten, dass der Besitzer des Esels auf Jeschuas Seite ist.

 (Mk. 11,4):

Und sie gingen hin und fanden das Füllen angebunden an einer Tür draußen am Weg und banden’s los.

Es war sehr unbequem auf einem Esel zu sitzen, weil der Esel ein starkes, aber gleichzeitig mageres Tier ist. Deswegen breitete man auf ihm etwas aus, in diesem Fall legten die Schüler möglicherweise ihre Oberbekleidung auf.

 (Mk. 11,8):

Und viele breiteten ihre Kleider auf den Weg, andere aber grüne Zweige, die sie auf den Feldern abgehauen hatten. 

Die Zweige wurden auf den Weg ausgebreitet, damit der Esel weich treten konnte. Es gibt heute Lehrer, die der Meinung sind, dass dies dafür getan wurde, damit sich Jeschua rituell nicht verunreinigte. Diese Vermutung hat überhaupt keinen Sinn, weil der Esel ein unreines Tier ist und ihn von der Berührung mit Erde zu schützen ist sinnlos. Aber die rituelle Unreinheit des Esels macht den auf ihm sitzenden Menschen nicht unrein.

Menschen, die Jeschua begleiteten, riefen aus

 (Mk. 11,9-10):

Und die vorangingen und die nachfolgten, schrien: Hosianna! (aus aram. „Hoschia na“ –  Errette uns) Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Gelobt sei das Reich unseres Vaters David, das da kommt! Hosianna in der Höhe!

„Hosianna in der Höhe“ bedeutet ein Zeugnis davon, dass Freude im Himmel herrscht (das ist ein ekstatischer Teil des Lobgesangs). Somit tritt Jeschua in Jerusalem in Begleitung einer großen Menschenmenge ein, die ihn als König bejubelt. Alle sind von Freude erfüllt.

 Aber dieses Ereignis hat ein ungewöhnliches Ende

(Mk. 11,11):

Und er ging hinein nach Jerusalem in den Tempel und er besah ringsum alles, und spät am Abend ging er hinaus nach Betanien mit den Zwölfen.

Jeschua kommt in den Tempel herein. Man kann denken, dass jetzt etwas passiert, dass sich alle feierlichen Ereignisse in seiner Gegenwart abspielen werden. Aber Markus Erzählung enthält nichts ähnliches. Jeschua kommt am Abend, betrachtet alles. Einige Kommentatoren verstehen das Wort „alles“, als ob Jeschua in das Allerheiligste eintrat. In der Tat war der Tempel ein großes, grandioses Gebäude. Ursprünglich war es schon ein großer Bau, geschweige denn in der Zeit von Herodes. Herodes war ein Kenner der Architektur und er baute den Tempel so aus, dass man einige Tage dort spazieren gehen und ihn sich anschauen konnte. An einem Abend konnte Jeschua sich nicht den ganzen Tempel anschauen, er kehrte nach Betanien zurück. Natürlich, er konnte früher kommen ( wir sehen in anderen Evangelien eine andere Beschreibung) und zu arrangieren, was Jeschua am nächsten Tag arrangieren wird. Hier kann man wieder den Ausdruck der Gnade dem Volk gegenüber sehen. Wie das Kommen Jeschuas und das Gericht in zwei Stufen aufgeteilt wird, so ist auch der Tempelbesuch in zwei Etappen geteilt. Das alles symbolisiert Demut und Bescheidenheit der richterlichen Fähigkeiten von Jeschua, Komprimierung des Gerichtsmaßes, damit sich das Maß der Gnade vergrößern kann.

Somit kehrte Jeschua zu dem einige Kilometer entfernten Betanien zurück. Vermutlich übernachtete er auch dort.

(Mk. 11,12-14):

Und am nächsten Tag, als sie von Betanien weggingen, hungerte ihn. Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen. Da antwortete Jesus und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.

Wir gehen weiter zum Vers 20

(Mk. 11, 20-26):

Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorbeigingen, sahen sie, dass er verdorrt war bis zur Wurzel. Und Petrus erinnerte sich und sprach zu ihm: Rabbi, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt Glauben an Gott! Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen würde, was er sagt, so wird’s ihm geschehen. Darum sage ich euch: Alles, was ihr betet und bittet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteilwerden. Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.

Viele christliche Kommentatoren verbrauchten große Menge an Tinte um zu erklären, warum Jeschua den Feigenbaum verflucht. Normalerweise erschafft Jeschua, anstatt zu zerstören. Hier jedoch, unerwartet, verflucht er plötzlich den Baum.

Häufig glauben die Kommentatoren, dass es in dieser Geschichte um Israel geht. Denn im Tanach(in der christlichen Tradition – der Kanon des Alten Testaments) und in den Evangelien wird Israel mit dem Feigenbaum verglichen. Betrachtet man das Ganze mit einer gewissen Ironie, dann ergibt sich folgende Situation: Denjenigen, die diese Meinung vertreten, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass Messias Jeschua den Baum verflucht, weil es nicht human ist. Eine ganz andere Sache ist, wenn man ein paar Generationen, paar Millionen Juden verflucht. Im Vergleich zum Fluch eines Baums ist es nicht so schlimm. D.h., die Kommentatoren sind der Meinung, dass Jeschua Israel verfluchte, weil es mit Blättern bedeckt ist. Es verhält sich so, als ob es Früchte bringt, aber man findet bei ihm keine Früchte. Deswegen wird niemand von seinen Früchten genießen.

Dabei geschah diese Geschichte einen Tag nachdem  Israel Jeschua festlich bei der Einfahrt nach Jerusalem begrüßte, nach allen wundervollen Ereignissen in Galiläa, und nachdem Jeschua in der verdorbensten Stadt Israels Jericho als „König auf  Davids Tron“ gefeiert wurde.

Bekannt ist, dass Jeschua in der Endzeit kommt – in der Zeit, wenn er am meisten gebraucht wird. Hier steht aber, dass es nicht die Zeit war, das der Feigenbaum Früchte bringt. Wenn Petrus zu Jeschua sagt: „Siehe, der von dir verfluchte Feigenbaum ist trocken geworden.“, antwortete Jeschua darauf nicht: „Ihr sollt verstehen…“, sondern er sagt: „Habt glauben…“ Er droht nicht, dass dies jeden erwischt, der ihn nicht annimmt oder ihm nicht gehorcht. Zudem spricht Jeschua von Vergebung.

Jeschua sagt den Schülern überhaupt nichts über das Gericht über den Feigenbaum (geschweige denn über das Gericht über Jerusalem). Er erzählt von der Möglichkeit zu verfluchen. Das ist das Hauptgesprächsthema. Deswegen sagt Jeschua weiter zu seinen Schülern: „Ihr sollt vergeben.“ Wenn ihr betet, vergebt! Beeilt euch nicht, jemanden zu verfluchen, wartet nicht auf eine Strafe. Dann wird auch euer Himmlischer Vater euch vergeben. Wenn ihr nicht verflucht, wird kein Fluch über euch kommen.

Also, was ist der Sinn der Geschichte mit dem Feigenbaum?

Die erste Erklärung ist eine der ältesten Erklärungen von Ephräm den Syrer. Das ist einer der Urväter der orthodoxen Kirche, einer und der letzte, der gegen die Erklärung über den Fluch Israels war.  Sein Argument besteht darin, dass der Feigenbaum nicht im Zusammenhang mit Jerusalem stehen konnte, er schreibt:

„Einige sagen, dass der Feigenbaum Jerusalem bezeichnet. Da er keine Frucht brachte, sagt man, er wurde dem Feigenbaum ähnlich, verflucht. Man behauptet, Der, Der nach Buße suchte, und suchte danach bei den Jerusalemern, fand nichts. In dem Zusammenhang wird noch eine weitere Aussage zitiert: „Ein Mensch hatte einen Feigenbaum in seinem Weingut (Vergl. Lk. 13:6). Das eine und das andere wird auf Jerusalem bezogen.“ Hier argumentiert Syrer: „Wenn er nach Früchten von Jerusalem suchte, warum verfluchte er es als einen Feigenbaum, für den noch nicht die Zeit war, Früchte zu bringen? Wenn seine Zeit noch nicht kam, wie soll man dann die Worte des Apostels verstehen: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Vergl. Gal. 4:4) Da das Kommen des Eingeborenen zur richtigen Zeit stattfand, warum wird dann der Feigenbaum in der für seine Ernte unpassende Zeit mit Jerusalem verglichen, dessen Erntezeit bereits kam. Wir sollten uns mehr um das Verständnis dieser Bibelstelle bemühen…“

Was schlägt Syrer selbst vor? Er sagt: „Er verfluchte den Feigenbaum“ (Mt. 21:19), weil es geschrieben steht: „Wenn du auf deinem Acker geerntet und eine Garbe vergessen hast auf dem Acker, so sollst du nicht umkehren, sie zu holen, sondern sie soll den Fremden, Weisen gehören … Wenn du deine Ölbäume geschüttelt hast…“ so sollst du das Gleiche tun; tue so in allem, was du besitzt (Vergl. 5.Mo. 24:19-21). Es gibt ein Gebot, das „Pea“ – Rand heißt. D.h. die Ernte vom Rand, vom am Weg entlang Wachsenden soll auf dem Feld gelassen werden. Die Feigen verderben nicht, sie dörren auf dem Feigenbaum aus und bleiben auf dem Baum. Deswegen kann man sie auf dem Feigenbaum noch lange finden. Wenn ein Feigenbaum von irgendjemandem am Weg in Jericho wuchs, dann sollte sein Besitzer sich darum kümmern, dass einige Früchte am Baum blieben. Auch wenn es noch nicht die Zeit war, sollte es jedoch noch Feigen vom letzten Jahr auf dem Baum geben. Ein Feigenbaum ist nicht nur ein Baum, sondern das ist Eigentum. D.h. ein Feigenbaum hat einen Besitzer, der sich um den Baum kümmert, seine Früchte erntet. Dementsprechend verkauft er die Früchte und verdient damit Geld. Jeschua verflucht den Feigenbaum, der Feigenbaum trocknet aus und verursacht Verluste für seinen Besitzer, was zu einer Bestrafung für ihn wird.

Eine andere Interpretation hat einen symbolischen Charakter. Die Moabiter begrüßten die Israeliten nicht mit Brot, als Israeliten nach Kanaan zogen, und wurden deswegen verflucht, sodass niemand von ihnen bis zur zehnten Generation sich der Gemeinde Israels anschließen kann. Vielleicht wurde der Feigenbaum aus dem gleichen Grund bestraft.

Es gibt noch eine weitere Erklärung, bei der der menschliche Faktor eine Rolle spielt. Jeschua wachte in der Früh auf und als er Betanien verließ, verspürte er starken Hunger, da er kein Frühstück hatte. Die Tatsache, dass Jeschua hungrig wurde, zeugt davon, dass menschliche Eigenschaften beim Gottesmenschen Jeschua zum Ausdruck kommen. Da er keine Früchte am Feigenbaum fand, verfluchte er im Zorn den Baum und das dient als Beispiel für seine Schüler, wie gefährlich Zorn sein kann, wie gefährlich die fehlende Vergebung sein kann. Der Meinung der Kirchenväter nach, die von Jeschuas Vollkommenheit, seiner absoluten Gerechtigkeit, Heiligkeit und Güte sprechen, ist es nur ein Beispiel, eine gespielte Zornvorführung, um den Jüngern zu zeigen, wie gefährlich Zorn ist. Und es steht hier genau im Zusammenhang mit Gericht. Im Kontext dessen, dass ein Gericht bald über Jerusalem kommt. Das Gericht bedeutet aber nicht Zorn, sondern das Streben zu vergeben.

Eine weitere Variante der Erklärung. Möglicherweise wurde der Feigenbaum zu einem Gleichnis darüber, was einem Ungläubigen, der keine Früchte bringt, passieren könnte. Oder das war ein Gleichnis für Hörende und Apostel. Wiederum, wenn man sich überlegt, inwieweit es fair war, dann kann man sich an das Beispiel mit dem Blinden aus dem Johannes Evangelium erinnern. Er war blind von der Geburt, nicht weil er dadurch für etwas bestraft wurde, sondern damit sich Gottes Herrlichkeit an ihm offenbaren konnte. Der Allmächtige ist Herr der Welt. Und er kann so machen, dass der Feigenbaum zu Belehrung der anderen verflucht wurde.

Es gibt nur ein weiteres wichtiges Detail in dieser Geschichte. In der jüdischen Tradition wird von Feigen- und Dattelpalmen erzählt, dass diese Bäume nur dann Früchte bringen, wenn der Allmächtige auf ihnen Früchte finden will. Sie bringen Früchte allmählich (die Früchte werden nicht gleichzeitig reif). Andererseits steht es geschrieben, dass der Allmächtige weiß, wann Er nach den Früchten auf dem Feigenbaum suchen soll, und Er weiß, wann ist die Zeit Gerechte aus dieser Welt zu nehmen. Möglicherweise zeigen die fehlenden Früchte darauf hin, dass die Zeit reif ist, Gerechte aus dieser Welt zu holen und dass das eine vorläufige Ankündigung Jeschuas Urteils ist.

Kommen wir zum wichtigsten Teil dieses Kapitel zurück, nämlich zum Tempelbesuch.

 (Mk. 11,15-19):

Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an, hinauszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trüge. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jes. 56,7): »Mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. Und es kam vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre. Und am Abend gingen sie hinaus vor die Stadt. 

Bemerkenswert ist, dass Jeschua keineswegs den Gottesdienst im Tempel stört. Jeschua stellt keine Ansprüche an Priester und ihre Verpflichtungen. Seine Unzufriedenheit wird durch die Handelstätigkeit auf dem Gelände des Tempels hervorgerufen. Priester kauften ihre Posten in Rom für große Geldsummen und wollten ihre Ausgaben kompensieren. Deswegen erschienen Geldwechsler aller Art, Händler usw. Sogar viel später beschwerte sich Rabban Gamliel, dass die Preise für Tauben ungeheuerlich wachsen, und lehrte sogar, dass die Frau nur ein Opfer für mehrere Geburten bringen soll. (Er lehrte so, nur um Preise für Tauben zu drücken). Im Tempel entstanden Kommerz, Geldgier und Jeschua tritt dagegen an, ohne die Hauptaktivität des Tempels zu berühren.

Zudem erlaubte Jeschua nicht, dass irgendwelche Gegenstände durch den Tempel getragen werden. Der Tempel befand sich auf dem Tempelberg. Und manchmal gingen vom Markt Zurückkehrende mit ihren schweren Taschen durch den Tempelhof, um dadurch den Weg zu verkürzen, Zeit zu sparen und nicht um den Tempelberg herumzugehen. Aber der Respekt zum Tempel (heute wird es bei der Synagoge angewendet) ließ dieses Verhalten nicht zu. Die Tatsache, dass Jeschua solche Menschen aufhält, Händler vertreibt, weist auf seinen Respekt zum Tempel und Tempeldienst hin. Er sorgt dafür, dass das Haus des Allmächtigen ein Gebetshaus für alle Völker darstellt und nicht zur Verdienstmöglichkeit wird.

Priester betrieben eine große kommerzielle Tätigkeit. Sie führten eine internationale Tempelwährung ein, die man wechseln und zur Bezahlung der Opfer verwenden konnte. Sie verkauften Opfer für angemessen hohe Preise. Sie führten ihr Monopol auf den Verkauf der Tauben und des Viehs. Wenn man früher Tauben z.B. in Tiberias kaufen und in den Tempel bringen konnte, wurde es später unmöglich. Man musste alles im Tempel kaufen und die Preise waren besonders. Jeschua verspürte eine gerechte Empörung, die gerade an seine Liebe zum Tempel gebunden ist, und eine tiefe damit verbundene Besorgnis um den Tempel, als er das alles sah.

Weiter gehen wir zum dritten Tempelbesuch Jeschuas.

 (Mk. 11,27-29):

Und sie kamen wieder nach Jerusalem. Und als er im Tempel umherging, kamen zu ihm die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen zu ihm: Aus welcher Vollmacht tust du das? Oder wer hat dir diese Macht gegeben, dass du das tust? Jesus aber sprach zu ihnen: Ich will euch eine Sache fragen; antwortet mir, so will ich euch sagen, aus welcher Vollmacht ich das tue. 

Es ist noch eine Frage oder, besser gesagt, der gerichtliche Untersuchung, in der  einer Aggression spüren kann und der andere nicht. Obwohl Priester und Menschen, die mit Jeschua sprachen, beabsichtigten, ihn zu töten, stellte er eine Rückfrage nicht um sie zu überlisten. Jeschua sucht nach Berührungspunkten, in denen man Übereinstimmung erreichen kann. Alle wissen, dass Johannes von Jeschua als Maschiach zeugte. Um die Frage zu beantworten, woher Jeschua seine Macht hat, schlägt er vor, bei seinen Zeugen anzufangen.

„Sagt mir: War Johannes Taufe vom Himmel oder von Menschen?“ Einigkeit bei dieser Frage war für Jeschuas Antwort wichtig. Das ist kein Versuch, Gelehrte und Älteste in eine Sackgasse zu bringen, sondern es ist eine reale Möglichkeit ihnen Beweise oder eine Abfolge der Zeugnisse zu geben, dass seine Macht vom Himmel ist. Sie konnten ihm aber nicht antworten.

(Mk. 11,31-33):

 Und sie bedachten es bei sich selbst und sprachen: Sagen wir, sie war vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? Oder sollen wir sagen, sie war von Menschen? Doch sie fürchteten sich vor dem Volk; denn sie meinten alle, dass Johannes wirklich ein Prophet sei. Und sie antworteten und sprachen zu Jesus: Wir wissen’s nicht. Und Jesus sprach zu ihnen: So sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.

Wahrscheinlich verstanden diese Menschen, dass Johannes Taufe vom Himmel war. Gleichzeitig hatten sie Angst das anzunehmen, denn das bedeutete sich überwinden müssen. Man darf nicht sagen, dass er von niemandem angenommen wurde. Aber in diesem Fall hatten Menschen Angst Zeugnis über Johannes abzugeben, der längst gestorben war und keinen Bezug zur Frage hatte. Ohne dieses Zeugnis konnte Jeschua ihnen nicht in ihrer Sprache antworten. Würden sie sagen: „Das Zeugnis von Johannes war vom Himmel“, das bedeutet, dass auch vom Himmel war die Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ Würden sie sagen: „Von Menschen.“ Dann müssten sie dem Volk erklären, warum Johannes kein Prophet war. Argumente dafür fehlten ihnen aber. Deswegen antworten sie Jeschua: „Wir wissen es nicht.“ Und diese Antwort lässt sie im Unwissen auch in Bezug auf Jeschuas Macht. Sie waren nicht in der Lage, sich zu entscheiden und eine Antwort zu geben, einen Standpunkt im Streit über die Bestimmung Jeschuas Autorität und Macht zu finden. Jeschua antwortet ihnen, dass auch er ihnen nicht sagt, mit welcher Macht er das tut, weil er ihre Heuchelei und Bereitschaft sieht, nur das anzunehmen, was ihnen passt.

Kapitel 12

Das zwölfte Kapitel beginnt mit dem Gleichnis über die böse Weingärtner

(Mk. 12,1):

Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes.

Dieser Vers beschreibt den Weingarten. Er ist umzäunt, es gibt dort eine Kelter – das ist der Ort, wo der Wein nach der Pressung fließt. Es gibt auch einen Turm – das ist ein gut befestigtes Zelt, ein Wirtschaftsraum, in dem Weingärtner und Wächter wohnen. Der Besitzer verpachtet den Weingarten und geht weg, seine Geschäfte zu erledigen.

Zu damaligen Zeiten war das Vermieten von Landgütern sehr aktuell. Deswegen waren angemietete Weingärten, Olivenhaine und Dattelgärten eine sehr verbreitete Erscheinung.

(Mk. 12,2-6):

Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs nähme. (Wenn der Mensch Pächter ist, dann soll er ein Teil der Früchte dem Besitzer abgeben.) Da nahmen sie ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen anderen Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und er sandte einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 

Aus dem Vers sechs kann man erschließen, dass der Besitzer noch einen Sohn hatte, d.h. einen zweiten Sohn. Korrekter wäre es zu übersetzen: „Er hatte auch einen Sohn.“

(Mk. 12,7-11)

Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«?

Dieses Gleichnis hinterlässt viele Fragen, auf die wir versuchen eine Antwort zu finden.

Das einfachste Verständnis dieses Gleichnisses ist, auf die wir stoßen werden, dass es hier wiederum um Israel geht: Der Weingarten ist Israel, das den Priestern und Pharisäern anvertraut wurde, aber sie brachten keine Früchte, deswegen wird er den anderen übergeben. Oder es gibt auch eine andere Variante: Pächter des Weingartens stellen Israel dar. Da der Weingarten keine Früchte brachte oder sie wollten geerntete Weintrauben Gott nicht geben, gehört Israel nicht mehr zum auserwählten Volk. Am einfachsten ist es natürlich, in diesem Text die Verfluchung Israels zu sehen. Des Weiteren entsteht die Frage zum Abschluss des Gleichnisses, weil es mit dem Hinweis auf Psalm 118 beendet wird: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.

Wenn man den Psalm im Kontext betrachtet, stellt sich heraus, dass es eine ziemlich fröhliche Botschaft ist (Ps. 118:21-25): Ich danke dir, dass du mich erhört hast und hast mir geholfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum  Eckstein geworden. Das ist vom HERRN geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen. Dies ist der Tag, den der HERR macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein. O HERR, hilf! O HERR, lass wohl gelingen! 

Das Gleichnis scheint tragisch zu sein, aber es hat einen optimistischen Ausgang. Und wenn man es annimmt, dass es hier um den Fluch Israels geht, wie konnte dann Jeschua in der Gegenwart der Apostel, in einem jüdischen Kreis, sich über ein solches Ende freuen? Derjenige, der sagte: „Ich bin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel gekommen“, derjenige, der sagte: „Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden hinzuwerfen.“ Ein Jude, der von einer jüdischen Frau geboren wurde, der Israel liebt und bereit ist, sein Leben für Israel zu geben (und nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt). Wie kann er sich über den Fluch Israels freuen? Und was ist mit dem Stein gemeint, den die Bauleute verworfen haben?

 Etwas seltsam scheint das Verhalten des Weingartenbesitzers zu sein. Nach allen tragischen Ereignissen entscheidet er sich dennoch, seinen Sohn zu schicken, um Ernte zu holen. Es ist unklar, wie man wegen Weintrauben das Leben des eigenen Sohnes riskieren kann.

Wir beginnen der Reihe nach. Das fünfte Kapitel im Buch Jesaja erzählt uns von einem Winzer, der einen Weingarten hatte. Er richtete ihn ein und umzäunte ihn. Der erste Vers unseres Kapitels ist fast ein Zitat aus der Geschichte über den Weingärtner bei Jesaja. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Geschichte bei Jesaja einen Vorwurf enthält, weil der Weingarten keine Früchte hat. Bei Markus geht es nicht um die Früchte, sondern es handelt von den bösen Pächtern, die die Ernte nicht abgeben.

Schauen wir nach, welche Parallele man hier noch finden kann

 (Mk. 12,6-7):

Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, wir wollen ihn umbringen, so wird das Erbe unser sein!

Dieser Abschnitt ähnelt dem, was zu seiner Zeit Josef passierte. Jakob schickt Josef, um seine Brüder zu besuchen (darüber wissen wir aus dem Buch Bereschit (1.Mose)). Hier gibt es viele Parallelen zu Jeschua: so wie Jakob Josef beauftragt, den Viehzustand zu prüfen, genauso kommt Jeschua zu verlorenen Schafen aus dem Hause Israels; die Brüder sind zu zwölf und die Apostel sind zu zwölf. Und die Aussage aus dem siebten Vers „kommt, wir wollen ihn umbringen,“ ist fast die gleiche Aussage, die Josefs Brüder aussprachen, als sie ihn aus der Ferne sahen (1. Mose 37:20). Hier ist ein gewisser Hinweis auf die Geschichte mit Josef.

Wir wissen, dass die Brüder lange Zeit dachten, dass sie Josef getötet hatten. In der Tat war es die Entscheidung des Allmächtigen, dass Josef (tot für Israel) zur Macht unter den Heiden kam, zur rechten Hand des Pharaos wurde, und das alles diente der Errettung Israels. Wenn man darüber spricht, dass die Vorväter das Volk bauten, dann ist der Stein, den sie verworfen hatten (das hebräische Wort „maasu“ bedeutet „sich ekelten“) zum Eckstein geworden.

Der Eckstein kann zwei Bedeutungen haben. Normalerweise wird es übersetzt, als Grundstein, an den alle anderen Steine beim Mauern angepasst werden. Eine andere Bedeutung dieser Aussage (und sie ist an der Stelle viel wahrscheinlicher) ist der Schlussstein, d.h. der letzte Stein, der den Bogen schließt und das Zusammenhalten anderer Steine ermöglicht.

Um sich in dieses Gleichnis zu vertiefen betrachten wir eine jüdische Quelle, die zur gleichen Zeit entstanden ist: „Sifre“( Deutung) zum 5.Mose. In ihr geht es darum, dass Jakob das Erbteil, das Los des Allmächtigen ist (5.Mose 32:9). „Sifre“ ist ein sehr früher Midrasch (Auslegung), es kann wohl sein, dass er auch zu Jeschuas Zeiten existierte oder mindestens seine Hauptbeiträge zu damaligen Zeiten existierten. In „Sifre“ wird gefragt: „Was bedeutet es, dass der Anteil des Allmächtigen sein Volk (d.h. Jakob und seine Kinder) ist? Das kann man mit einem König vergleichen, der ein Feld hatte und es verpachtete. Die Pächter fingen an vom Feld zu stehlen. Der König nahm das Feld von ihnen weg und übergab es ihren Kindern. Es stellte sich heraus, dass die Kinder noch schrecklicher als die Väter sind. Das zweite Mal nahm er das Feld weg und gab es an die Enkelkinder. Die Enkelkinder waren aber noch schlimmer als die vorherige Generation. Der König hatte einen Sohn, und er sagte: „Verlasst das Feld. Ihr könnt es nicht weiter verpachten. Gebt mir das, was mir gehört. Ich werde es besitzen.“

Der Midrasch erklärt sich selbst: Als Abraham in diese Welt kam, war sein Same noch nicht rein. Von ihm wurde Izchak(Isaak) geboren, eine edle Frucht, aber nicht alle seine Früchte waren vollkommen, da von ihm auch Ischmael und Keturas Söhne stammten. Deswegen kann man sagen, dass Abraham kam und das Land als Pacht vom Allmächtigen bekam, aber er stahl vom Allmächtigen, d.h. er brachte unreine Früchte. Danach kam Izchak und auch er hatte unreine und reine Früchte – Esau und Jakob wurden geboren, der Esau pflegte enge Beziehungen mit den Fürsten Edoms. Das war noch schlimmer als in der Geschichte mit Abraham. Als Jakob kam, waren seine Nachkommen reine Söhne, keiner von ihnen trennte sich ab, alle zwölf Söhne Jakobs bildeten Volk Israel. Von seinen Söhnen fiel niemand ab, deswegen wählte Gott Jakob zu seinem Erbe aus, weil Jakob in der Midraschsprache die Früchte nicht stahl.

Zurückkehrend zu unserem Text kann man die Schlussfolgerung machen, dass das betrachtende Gleichnis nicht von Gottes Langmütigkeit und Israels Fluch spricht, sondern von Verheißungen an Israel. Gott gab Abraham Verheißung, dass von ihm der Same kommt, und Er ist seinem Versprechen treu. Und ähnlich dem, wie die Weingärtner den Sohn behandelten, ihn töteten und schmissen aus dem Weingarten, warfen die Brüder Josef aus dem Land Israel raus. Josef selbst war der Meinung, dass er verstoßen war. Wir sehen das an den Namen, die er den Kindern gab, er nannte seinen Sohn „Menasche“ – „Gott ließ mich Vaters Haus vergessen.“ Aber Gott wendete alles so, dass Josef zur Basis der Errettung Israels wurde. Das war das erste Mal, dass der Stein, den die Bauleute verworfen hatten, zum Eckstein, zum Schlussstein wurde.

Jeschua spricht mit seinen Schülern schon, nachdem er ihnen die Verheißung über die Auferstehung am dritten Tag offenbarte. Nach der Auferstehung Jeschuas wird das Königreich Israels ihm übergeben. Für einige Zeit verbirgt er sich und wird zu Völkern gehen, aber er wird wiederkehren und die Macht in Israel wird ihm übergeben. Das wird eine große Errettung für Israel und das wird wunderbar in unseren Augen.

Jetzt, in der Zeit, wo Jeschua in Israel verachtet wird, man kann sagen, dass viele religiösen Anführer ihn mit Ekel behandeln, ist er wörtlich der von Bauleuten verworfene Stein. Aber das Gleichnis ist die Verheißung darüber, dass die Errettung durch diesen Stein kommen wird.

Das Gleichnis wurde gegeben, um einen bestimmten Gedanken zu bewahren. Verschiedene Kommentatoren erläutern es unterschiedlich. Wir sehen in ihm Verheißungen an Israel, jemand anderer sieht hier aber den Fluch Israels. Die Wahrheit wird am Ende der Zeit offenbart, wenn alle Prophezeiungen in Erfüllung gehen. Bei Apostel Paulus sehen wir, dass Jeschua zum Volk Israel zurückkommt und  ganz Israel errettet wird.

 (Mk. 12,12):

Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

Zur Rechtfertigung ihrer Handlungen ist zu bedenken, dass Israel zu jener Zeit von Rom erobert wurde. Daher konnten jegliche Ansprüche auf Macht und Reich zu politischen Repressionen führen, zum Krieg, zum Tod großer Anzahl der Menschen usw. Im Nachhinein wird es dazu kommen, dass die Juden aus Jerusalem vertrieben werden und der Tempel zerstört wird. Also, die Lehrer verstanden von wem Jeschua spricht, sie wurden auf ihn zornig und entschieden ihn zu fangen. Sie kamen zu Jeschua und stellten ihm eine Frage mit politischen Hintergrund. Eine Frage, die man nicht beantworten konnte, ohne Politik zu berühren. Politische Fragen zu beantworten ist eine große Herausforderung.

 (Mk. 12,13-14):

Und sie sandten zu ihm einige von den Pharisäern und von den Anhängern des Herodes, dass sie ihn fingen in seinen Worten. Und sie kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und fragst nach niemand; denn du siehst nicht auf das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes recht. Ist’s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen? 

Das Volk empörte sich stark gegen die römische Eroberung und auch gegen das Bild auf der Münze, das war unzulässig. In dieser Situation bedeutete die bejahende Antwort „ja, man kann zahlen“ dass man zu den Kollaborationisten (prorömisch eingestellten Bürgern) gezählt wurde. „Nein“ zu sagen, bedeutete sich in eine politisch ungünstige Lage zu bringen und des Aufstands gegen Rom beschuldigt zu werden. Was macht Jeschua?

(Mk. 12,15):

Er aber merkte ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: Was versucht ihr mich? Bringt mir einen Silbergroschen, dass ich ihn sehe!

Natürlich hat Jeschua auch früher einen Silbergroschen gesehen. Aber er möchte zeigen, dass diese „rechtschaffene“ Menschen Münzen mit dem Abbild des Kaisers bei sich tragen und diese Symbole des Götzendienstes in den Tempel mitnehmen. Auf dem Silbergroschen stand geschrieben: „Tiberius – Kaiser. Sohn göttlichen Augustus. Augustus – Pontifex“, Pontifex war der Oberpriester in Rom. Das Abbild des Kaisers und die Aufschrift beunruhigten natürlich das Gewissen und die Worte „Oberpriester“ und „göttlich“ sind miteinander nicht vereinbar.

(Mk. 12,16-17):

Und sie brachten einen. Da sprach er zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach Jesus zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Und sie wunderten sich über ihn.

Nach dem Gesetz gehören die Münzen dem Kaiser Augustus, er ist auf ihnen abgebildet, was seine Macht im Land bestätigt. Deswegen sagt Jeschua, man soll dem Kaiser seine Münzen abgeben und Gott sollte man das Göttliche geben. Und es war schwierig, darüber zu streiten.

Jeschua war keine ordinäre Persönlichkeit, einige wollten mit ihm diskutieren und andere wollten ihn in die Enge treiben. Verschiedene Menschen konnten zu ihm mit seltsamen Fragen kommen. Und so kamen zu ihm die Sadduzäer. Die Sadduzäer waren eine Sekte, die möglicherweise von Zadok hervorging. Überwiegend gehörte dazu die regierende Elite, die Priester. Sie glaubten nicht an die Auferstehung von den Toten und an ein Leben nach dem Tod. Sie glaubten nur an den Text der fünf Bücher Mose (Chumasch) und lebten danach. Ihre Prinzipien bestanden daraus, dass Erlösung und Reinigung durch Opfergabe erreicht wird und es keine Belohnung im Jenseits gibt. Sadduzäer stellten Jeschua eine höhnische Frage

 (Mk. 12,18-19):

Da traten die Sadduzäer zu ihm, die sagen, es gebe keine Auferstehung; die fragten ihn und sprachen: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben (5. Mose 25,5-6): »Wenn jemandes Bruder stirbt und hinterlässt eine Frau, aber keine Kinder, so soll sein Bruder sie zur Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken.«

Um die erblichen Beziehungen zu halten und das Geschlecht des älteren Bruders zu bewahren, war der jüngere Bruder verpflichtet, mit der Frau (der Witwe) des älteren Bruders seinen Samen wiederherzustellen. Mit diesem Gesetz verbundene Schwierigkeiten entstanden sogar unter den Pharisäern bereits zur damaligen Zeit. Zur Leviratsehe war die Einstellung sehr kompliziert. Es gibt eine Legende über orthodoxe Juden, dass sie mit ihren Frauen durch ein Loch in der Decke schlafen. In der Tat ist das eine Lüge. Natürlich schlafen sie mit ihren Frauen ganz normal. Die Legende selbst geht aber auf die Geschichte mit Rabbi Jehuda zurück, der mit der Witwe seines Bruders geschlafen hat. Er schlief mit ihr fünfmal, um fünf Kinder zu zeugen. Jedes Mal machte er das durch ein Loch im Laken. Denn es ist sehr schwierig, das Streben nach der Erfüllung des Gebotes von der Begierde nach einer Frau zu trennen. Um die Anziehungskraft zur Frau mindestens irgendwie zu bezwingen, deckte Rabbi Jehuda ihren Körper zu. Das mag für einige wild klingen und bei anderen Spott hervorrufen, aber solches Verständnis der Frömmigkeit hatte dieser Mann. Auf diese Art und Weise versuchte er vor dem Allmächtigen fromm zu sein. Aber in jedem Fall ging der Bruder zur Witwe seines älteren Bruders ein. Wenn es ihm nicht gelang, den Samen wiederherzustellen, dann machte es der mittlere Bruder usw. In der Geschichte der Sadduzäer (das ist natürlich keine reale Geschichte, sondern ein von ihnen ausgedachtes Märchen) geht es darum

(Mk. 12,20-23):

Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau; der starb und hinterließ keine Kinder. Und der zweite nahm sie und starb und hinterließ auch keine Kinder. Und ebenso der dritte. Und alle sieben hinterließen keine Kinder. Zuletzt nach allen starb die Frau auch. Nun in der Auferstehung, wenn sie auferstehen: Wessen Frau wird sie sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt.

Sadduzäer legten viel Wert auf Kinder, weil sie der Meinung waren, dass derjenige, der Kinder hinterließ, gewisse Vorteile hatte. Hier möchte Markus zeigen, dass Sadduzäer die Halacha (praktische Vorschriften) nicht verstanden haben. Da der Samen für den älteren Bruder wiederhergestellt werden sollte, war es irrelevant, von wem die Frau gebärt, denn die Kinder galten als Kinder des älteren Bruders, sonst hätte man mit der Frau nicht schlafen dürfen. Die Frau blieb formell die Frau des älteren Bruders.

 (Mk. 12,24):

Da sprach Jesus zu ihnen: Irrt ihr nicht darum, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes?

Jeschua sagt den Sadduzäern, dass sie sich mit sinnlosen Sachen beschäftigen. Sie denken sich scholastische Geschichten aus und verwirren sich selbst. Dabei versuchen sie nicht zu verstehen, was der Allmächtige will und wie Er wirkt

(Mk. 12,25):

Denn wenn sie von den Toten auferstehen, so werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel.

D.h.,sie werden nicht im Himmel sein, sondern sie werden den Engeln im Himmel ähnlich sein. Auferstandene aus Toten werden kein Institution der Ehe haben, daher ist die Frau frei. In der Tat, wenn der Man gestorben ist, gehörte sie ihm dann nicht. Und wenn sie selbst stirbt, gehört sie ihm nicht. In katholischen Kirchen wird gesagt, bis der Tod euch trennt – wenn der Tod trennt, dann ist man frei.

(Mk. 12,26-27):

Aber von den Toten, dass sie auferstehen, habt ihr nicht gelesen im Buch des Mose, bei dem Dornbusch, wie Gott zu ihm sagte und sprach (2. Mose 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Ihr irrt sehr.

Wenn ihr nur an die Tora glaubt, gut! Nehmen wir eure Solo Skriptura und schauen, wo die Auferstehung von den Toten in der Tora ist. Mosche erschien nicht irgendein Gott der Hölle, sondern Gott – Schöpfer und Meister von allem, der absolute Herrscher der ganzen Welt. Er wird mit den Namen der Lebenden genannt, nämlich als Gott von Abraham, Izchak und Jakov, weil bei Gott alle lebendig sind. Diesem einfachen und verständlichen Argument konnten die Sadduzäer kaum widersprechen.

 (Mk. 12,28-31):

Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5. Mose 6,4-5). Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.

Mosche erhielt am Berg Sinai zwei Tafeln. Auf einer von ihnen waren Gebote, die die Beziehungen zwischen Gott und Menschen darstellen. Auf der zweiten waren die Gebote wie du sollst nicht Ehe brechen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht morden – das sind Gebote, die zwischenmenschliche Beziehungen regeln. Traditionell kann man das später bei den Weisen sehen. Rabbi Akiva kommentiert es ähnlich. Er sagt, dass die ganze erste Tafel  darauf hinausläuft „Liebe Gott mit deinem ganzen Herzen“. Wenn ein Mensch Gott liebt, dann existieren keine weiteren Götter für ihn und er wird auch Schabbat (Samstag) halten. Und andererseits, wenn ein Mensch seinen Nächsten liebt, dann wird er nicht nach seiner Frau oder nach seinem Esel verlangen, er wird auch nicht falsch gegen ihn aussagen.

(Mk.12,32-33):

Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 

Unter Berücksichtigung, dass diese Worte im Tempel gesagt wurden, war diese Aussage sehr fortschrittlich für damalige Zeit, weil um den Tempel herum Menschen lebten, die Opfer brachten und rituelle Reinheit sehr schätzten, oft mehr als das menschliches Leben.

(Mk. 12,34):

Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.

„Du bist nicht fern vom Reich Gottes“ – mit diesen Worten lobte Jeschua den Schriftgelehrten und meinte, dass er den richtigen Weg geht.

(Mk. 12,35-37):

Und Jesus fing an und sprach, als er im Tempel lehrte: Wieso sagen die Schriftgelehrten, der Messias sei Davids Sohn? David selbst hat durch den Heiligen Geist gesagt (Psalm 110,1): »Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege.« David selbst nennt ihn ja »Herr«. Woher ist er dann sein Sohn? Und die große Menge hörte ihn gern.

In der Tat kann der Vorfahre keinen Nachkommen „Herr“ nennen. Das war gegen gute Sitten jener Zeit und absolut unmöglich. Wenn David so seinen Nachkommen nennt, bedeutet es, dass eine exklusive Verbindung zwischen ihm und dem Maschiach besteht. Wir wissen, dass David die Verheißung erhielt, dass der Maschiach von ihm stammen wird. Die ganze Tätigkeit Davids war darauf ausgerichtet, den Tempel zu bauen und dem Allmächtigen zu dienen, damit in ihm die Verheißung in Erfüllung geht, die noch Abraham gegeben wurde.

Aus der Sicht der Genealogie oder Abstammung ist der Maschiach tatsächlich formell ein Nachkomme Davids. Laut den Absichten des Allmächtigen entstand der Maschiach viel früher als David. Daher kann auch König David den Maschiach „Herr“ nennen.

Wenn z.B. jemand entscheidet nach Israel zu fliegen, eine Reise nach Jerusalem zu unternehmen, steigt er zuerst ins Taxi ein und fährt ins Reisebüro ein Ticket zu bestellen. Einerseits ging die Fahrt ins Reisebüro der Reise nach Israel voraus. Andererseits entstand diese Fahrt aus der Entscheidung nach Israel zu reisen. Wenn man alles aus der Sicht des Vorhabens Gottes betrachtet, dann kann David den Maschiach „Herr“ nennen. Es gibt viel gesunde Kritik bezüglich dieses Midraschs (dieser Erklärung). Man sagt, es handele sich um Abraham, der Vers wurde falsch übersetzt und Jeschua zitierte ihn ungenau. Diese gewisse Freiheit und Biegsamkeit der Gedanken passen vollkommen zu den Midraschim jener Zeit. Das war ganz normal, hier gibt es keine Lüge oder Täuschung. Das ist eine klassische Interpretation jener Zeit, die durchaus den Sinn der Absichten des Allmächtigen widerspiegelt.

Dieses Kapitel endet mit ethischen Belehrungen.

 (Mk. 12,38-40):

Und er lehrte sie und sprach: Seht euch vor vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern umhergehen und sich auf dem Markt grüßen lassen und sitzen gern obenan in den Synagogen und beim Gastmahl; sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.

Einerseits taten die Schriftgelehrten sehr gut daran, dass sie das Volk in der Tora lehrten, im Gegensatz zu den Priestern. Sie leisteten einen großen Beitrag in die Bildung Israels, indem sie in den Synagogen lehrten und Tora predigten, so wie sie wussten und konnten. Das Volk brachte ihnen Achtung entgegen, manchmal sogar übertrieben, wodurch die Gelehrten verführt wurden. Sie ergaben sich der Möglichkeit, etwas vom Volk zu erhalten.

Man erzählt von Rabbi Jehuda, dass er einmal zu einem Mann kam. Sie unterhielten sich über Tora und der Mann servierte ihm Essen. Rabbi Jehuda sagte ihm: „Da wir (Schriftgelehrte und Pharisäer) gehen und die Tora bringen, nehmen wir uns priesterliche Gaben. Behandle mich wie einen Kohen(Priester) und bringe mir die Zunge einer dreijährigen Kuh.“ Die Zunge einer dreijährigen Kuh galt zu jener Zeit als eine große Delikatesse. Der Mann ging, nahm diese Zunge, bereitete sie zu und servierte sie Rabbi Jehuda. Man sagt, dass Rabbi Jehuda danach vom Himmel ernsthaft zurechtgewiesen wurde.

Jeschua spricht darüber, dass die Menschen, die auf priesterlichen Positionen sind, als Gegenleistung für irgendwelche Segnungen finanzielle Ressourcen aus dem Volk absaugen. Jeschua sagt seinen Schülern nicht, dass sie sich vor den Schriftgelehrten in Acht nehmen sollen, sondern dass sie aufpassen müssen, genauso wie diese Schriftgelehrten zu werden.

 Außerdem sagt Jeschua, dass die Schriftgelehrten zur Schau beten und lange Gewände tragen. In einem Wort, sie  versuchen gerecht auszusehen. Fast zwei Tausend Jahre nach diesen Ereignissen kann ich sagen, dass eine der orthodoxeren und fast in allen Fragen strengsten Gemeinde in der ganzen Welt – die Jerusalemer Gemeinde ist. Es gibt keine andere Gemeinde, die strengere Vorschriften über die Kopfbedeckung der Frauen, Strümpfe, Länge des Kittels und Größe der Straimel (Pelzmütze) hätte. Denn diese Gemeinde lebte lange Zeit von Spenden aus der ganzen Welt. Damit man Menschen zu Spenden bewegt, muss man eine sehr korrekte und gerechte Lebensweise führen, die öffentlich sichtbar ist. Das ist Heuchelei, wenn das Innere unserem Äußeren nicht entspricht und genau davor warnt Jeschua seine Jünger.

 (Mk. 12,41-44):

Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. (Der durchschnittliche wöchentliche Unterhalt einer Witwe mit zwei Kindern). Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Wir schenken häufig Aufmerksamkeit den Menschen, die gewisse geistliche Errungenschaften haben, z.B. beim Spenden, im Gebet oder im Kampf gegen irgendwelche Schwächen und Laster. Aber die Größe unserer Heiligkeit wird nicht dadurch bestimmt, wie viel wir für den Tempel gespendet oder wie viele Sünden wir besiegt haben, sondern sie hängt davon ab, wofür wir bereit waren und welche Anstrengungen wir unternommen haben, um diese Heiligkeit zu erreichen. Wenn ein Mensch, der mit einer gebrochenen Wirbelsäule daliegt, aufsteht und ein paar  Schritte macht, hat er vielleicht einen stärkeren Geist als derjenige, der hundert Meter laufen kann. Als Diener sollte man verstehen und das wählen, was für das Königreich wertvoll ist. Die Verführung kann entstehen, diejenigen Menschen näher zu Gott zu bringen, die mehr Geld spenden. Aber Jeschua lehrt tiefer in die Menschen zu schauen und das zu verstehen, was in den Menschen ist. Dann kann man sehen, dass die zwei Scherflein der Witwe mehr waren als die zwei Tausend Dinaren, die an dem Tag Nikodemus in Gotteskasten legte.

Kapitel 13

Das dreizehnte Kapitel beginnt damit, dass Jeschua nach allen Diskussionen den Tempel verlässt.

(Mk. 13,1):

Und als er aus dem Tempel ging, sprach zu ihm einer seiner Jünger: Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten! 

Bekannt ist, dass der zweite Tempel unter der Leitung von Serubavel in der Zeit der Rückkehr des Volkes aus der Gefangenschaft gebaut wurde. Ende des ersten Jahrhunderts vor Christus richtete Herodes den Tempel ein, erweiterte ihn deutlich, so dass der Tempel ein wirklich großartiges architektonisches Bauwerk darstellte. Unter den Bauanlagen, die wir heute sehen können, gibt es Steine, die sechshundert Tonnen wiegen. Auf den Menschen aus dem ersten Jahrhundert, auf den Zeitgenossen Jeschuas sollte dieses Bauwerk sicherlich einen unauslöschlichen Eindruck machen. Vor allem auf den Menschen aus Galiläa, die in einstöckigen Häusern wohnten und keine mehrstöckigen Gebäude kannten.

Die Schüler wollten im Vorfeld des kommenden Gerichts einen sicheren Punkt in dieser Welt finden. Das brachte sie auf den Gedanken über den Tempel, der sich im Zentrum Jerusalems befand und ein riesiges und fest eingerichtetes Gebäude darstellte.

 (Mk. 13,2):

Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Bauten? Hier wird nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.

Jeschua versucht den Schülern durch das Sichtbare das Unsichtbare zu zeigen, indem er erklärt, dass sie jetzt vor sich ein Gebäude sehen, aber es wird die Zeit kommen, in der das alles zerstört wird. Nach diesen Worten wurden die Schüler vermutlich stutzig.

 (Mk. 13,3-4):

Und als er auf dem Ölberg saß gegenüber dem Tempel…

Von diesem Berg öffnet sich auch in unserer Zeit eine schöne Aussicht auf den Tempelberg. Jetzt steht dort leider eine Moschee, aber damals öffnete sich wohl eine schöne Aussicht auf den Tempel. Die Schüler sahen das alles und fragten ihn:

…fragten ihn Petrus und Jakobus und Johannes und Andreas, als sie allein waren: Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein, wann das alles vollendet werden soll?

Man kann sehen, dass die Schüler beängstigt und verwirrt sind. Sie bitten um Vorzeichen und Merkmale, um frühzeitig zu erkennen, wann das passiert, worüber Jeschua erzählt. Eigentlich wäre es schön im Voraus zu wissen, was in unserem Leben geschehen wird. Wie oft man sagt: „Hätte ich früher gewusst, dass Feuer in der Laterne ist, so wäre der Grieß längst gekocht.“

(Mk. 13,5-6):

Jesus fing an und sagte zu ihnen: Seht zu, dass euch nicht jemand verführe! Es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin’s, und werden viele verführen. 

Das Warten auf ein Vorzeichen, der innere Wunsch sich auf das Vorzeichen oder auf jemanden zu verlassen, der es offenbart, führen in die Verführung, dazu, dass man einem Betrug folgt. Es ist einfach daran zu glauben, was man erwartet. Jeschua sieht diesen geistlichen Zustand und warnt seine Schüler vor, dass die Versuche eine Frist des Endes auszurechnen und das Warten auf Vorzeichen dazu führen können, dass sie verführt werden. Jemand kann dieses Warten ausnutzen, er kann kommen und erklären, dass er Christus ist, und die Schüler werden ihm nachfolgen.

 (Mk. 13,7-8):

Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Kriegsgeschrei, so erschreckt nicht: Es muss geschehen. Aber das Ende ist noch nicht da. Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; es werden Erdbeben geschehen hier und dort, es werden Hungersnöte sein: Das ist der Anfang der Wehen. 

Im Judentum gibt es eine feste Redewendung – „chavlej Maschiach“ – Wehen vor dem Kommen Maschiachs. Sie sind tatsächlich mit Kriegen und Leiden des Volkes verbunden, sie sind damit verbunden, dass das Volk Trauer erleidet. Genauso wie eine Gebärende Trauer bei der Geburt erleidet.

Jeschua sagt, dass diese Kriege, der Hunger und alles, was in dieser Welt passiert, tatsächlich mit Wehen verbunden sind. Aber man soll nicht das beobachten. Man soll in den Nachrichten nicht die Gerüchte über Kriege und Hungersnot verfolgen.

 (Mk. 13,9-10):

Ihr aber seht euch vor! Sie werden euch den Gerichten überantworten, und in den Synagogen werdet ihr geschlagen werden, und vor Statthalter und Könige werdet ihr geführt werden um meinetwillen, ihnen zum Zeugnis. Und das Evangelium muss zuvor gepredigt werden unter allen Völkern.

Jeschua erklärt seinen Schülern, dass in der Zeit, wenn sie das Evangelium unter Völkern verkünden werden, werden sie verfolgt, geschlagen, vor Gericht gezogen, verraten, getötet usw. Das muss man beobachten! Man muss wachsam sein. Man muss ständig geistlich bereit sein, zum Gericht, zu Schlägen, dazu, dass man vor dem Herrscher oder König auftreten muss. In anderen Worten, warnt Jeschua vor, solange die Schüler das Evangelium verkünden, kann jeder Zeit der Moment der Zeugnisgabe im Gericht oder der apokalyptische Moment kommen, wenn sie mit dem Tod konfrontiert werden. Ihr „Ende der Welt“ kann viel früher kommen als Ende der Welt für die andere. Dafür ist die innere Bereitschaft wichtig.

(Mk. 13,11):

Und wenn sie euch hinführen und überantworten werden, so sorgt euch nicht vorher, was ihr reden sollt; sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet. Denn ihr seid’s nicht, die da reden, sondern der Heilige Geist. 

Jeschua sagt, wenn sich die Schüler im Zustand des „Zeugnissgabe“ befinden werden, dann wird der Heilige Geist durch sie wirken. In der Welt wird aber folgendes passieren

(Mk. 13,12-13):

Und es wird ein Bruder den andern zum Tod überantworten und der Vater das Kind, und die Kinder werden sich empören gegen die Eltern und werden sie zu Tode bringen. Und ihr werdet gehasst sein von jedermann um meines Namens willen. Wer aber beharrt bis an das Ende, der wird selig.

Innerhalb der Familien, z.B. muslimischen oder afrikanischen Familien, wenn  einer aus der Familie den Glauben an Jeschua annimmt, werden große Diskussionen und Kriege entfacht. Die Ablehnung in der Familie wird so stark, dass sich der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater auflehnt. Eine echte Feindschaft entsteht. Das passiert und in jüdischen und in muslimischen Gemeinden.

In der Tat entsteht Hass wegen des Namens Jeschuas. Diesen Hass gibt es nicht, wenn jemand aus den Juden ein Buddhist oder sogar ein Moslem wird. Andererseits stärkt es uns, denn wenn wir wissen, dass unsere Familien sich weigern, mit uns  kommunizieren wegen des Glaubens an Jeschua, dann wissen wir von ihm selbst, dass wir den richtigen Weg gehen. Das ist die Unterstützung, die Jeschua uns in diesem Krieg gibt.

Weiter spricht Jeschua von der Zerstörung des Tempels

(Mk. 13,14-16):

Wenn ihr aber sehen werdet den Gräuel der Verwüstung stehen, wo er nicht soll – wer es liest, der merke auf! –, alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe auf die Berge. Wer auf dem Dach ist, der steige nicht hinunter und gehe nicht hinein, etwas aus seinem Hause zu holen. Und wer auf dem Feld ist, der wende sich nicht um, seinen Mantel zu holen. 

Man sollte der Aussage „wer es liest, der merke auf“ Aufmerksamkeit schenken. Laut des Textes scheint es, dass Jeschua seinen Schülern eine mündliche Antwort gibt. Wenn man annimmt, dass Jeschua denjenigen meint, der das Buch Daniel liest, dann wird das Wort „lesen“ im Zusammenhang mit prophetischen Büchern nie verwendet. Dies verleitet viele Forscher dazu, das komplette dreizehnte Kapitel in Frage zu stellen. Es muss gesagt werden, dass, wenn man die klassischen Kommentare zu diesem Kapitel öffnet das erste, was man sieht, ist ein Streit über die Echtheit dieses Kapitels, wieweit dieses Kapitel die eschatologische Lehre Jeschuas  ist.

In der Wirklichkeit enthält das dreizehnte Kapitel überhaupt keine eschatologische Lehre. Wie bereits gesagt, gebietet Jeschua, Hinweise auf Kriege und alle möglichen eschatologischen Vorzeichen zu vermeiden.

Schauen wir uns die jüdischen Quellen an, die versuchen Petrus Frage zu beantworten: Wie wird das alles sein? In diesen Quellen wird davon gesprochen, dass es in den Zeiten des Kommens von Ben David (Sohn Davids, Maschiach) Kriege und Hunger geben wird. In dieser Zeit wird ein Stern vom Himmel fallen und der Himmel wird rötlich usw. Es geht um verschiedene unheilvolle Vorzeichen, die sich auf alle sieben Jahre beziehen, an deren Ende der Maschiach kommt. Es gibt einen gewissen siebenjährigen Plan, eine siebenjährige Beschreibung der Vorzeichen, aufgrund derer Juden erhoffen, das Kommen des Maschiachs zu sehen. Und das ist tatsächlich eine eschatologische Lehre.

Hier spricht Jeschua aber nicht von Eschatologie, sondern von der inneren Bereitschaft des Menschen zu kommenden Ereignissen.

Gräuel der Verwüstung auf einem heiligen Ort ist Gräuel der Verwüstung im Jerusalemer Tempel. Warum steht aber geschrieben „wer es liest, der merke auf“? Es gibt eine Tradition, die besteht darauf das Verwenden einiger „gefährlicher“ Worte zu vermeiden oder diese zu ersetzen. In der modernen Gesellschaft haben viele Angst die Krankheit mit ihrem Namen „Krebs“ zu nennen. Sondern man sagt, bei dem Menschen wurde „die schlimme Krankheit“ oder Onkologie usw. gefunden. Der Mensch hat Angst irgendein Wort zu sagen, das die Krankheit hervorrufen kann. Sehr oft wird in Talmud gesagt, wenn es um irgendwelche Gefahr, um den Fluch auf Israel, um ein schlechtes Vorzeichen für Israel geht: „Das ist ein schlechtes Vorzeichen für Israelhasser, dabei wird unter den „Israelhasser“ Israel selbst gemeint.

Hier sagt Jeschua, ohne Worte über den Gräuel der Verwüstung in Allerheiligen auszusprechen: „Wo er nicht sein soll“. Markus ergänzt: „wer es liest, der merke auf“ oder vielleicht ist es eine Korrektur von Jeschuas Worte von Markus selbst (Art und Weise, wie Markus Jeschuas Worte wiedergibt). Mit keinem Wort will weder der Evangelist oder Jeschua von Gräuel der Verwüstung im Allerheiligen direkt aussprechen.

Weiter geht die Rede darum, was man tun sollte, wenn so etwas passiert:

wer in Judäa ist, der fliehe auf die Berge. Wer auf dem Dach ist, der steige nicht hinunter und gehe nicht hinein, etwas aus seinem Hause zu holen. Und wer auf dem Feld ist, der wende sich nicht um, seinen Mantel zu holen.

Die Dächer sind in Judäa, genauso wie in Galiläa, flach. Dort hing man häufig Wäsche auf oder richtete sogar Sommerküchen ein. Auf so einem Dach kann man in einer guten Jahreszeit sitzen, grillen, Wasserpfeife rauchen und schlafen. Mit dem Dach waren zwei Leiter verbunden, eine führte ins Haus, die andere führte nach draußen. Jeschua sagt, wenn jemand auf dem Dach ist, dann soll er nicht ins Haus hinuntersteigen, um Sachen zu holen, sondern man soll sofort fliehen, das Gleiche gilt für diejenigen, die auf dem Feld sind.

 (Mk. 13,17-18):

Weh aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Bittet aber, dass es nicht im Winter geschehe.

Im Winter ist es sehr schwierig, sich fortzubewegen, weil die meisten Wege überschwemmt sind, der Wasserpegel steigt und an vielen Stellen kann man den Weg nicht überqueren. Deswegen ist die Flucht im Winter nicht möglich.

(Mk. 13,19-20):

Und wenn der Herr diese Tage nicht verkürzt hätte, würde kein Mensch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen, die er auserwählt hat, hat er diese Tage verkürzt.

In der Zeit der Tempelzerstörung war große, mit nichts vergleichbare Trübsal. Zwei Drittel der Jerusalemer Bevölkerung waren vernichtet. Die Juden wurden in die Sklaverei für einen Preis verkauft, der kaum höher war als die tägliche Gerstenportion für ein Pferd. Viele Kinder starben. Es gab Vorfälle, wo Mütter ihre Kinder aufaßen (bei der Belagerung Jerusalems). Viele Familien gingen bankrott und führten eine elende Existenz.

 (Mk, 13,21-23):

Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus; siehe, da ist er!, so glaubt es nicht. Denn es werden sich erheben falsche Christusse und falsche Propheten, die Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, die Auserwählten zu verführen. Ihr aber seht euch vor! Ich habe euch alles zuvor gesagt!

Jeschua erzählt, dass die Zerstörung des zweiten Tempels mit Leid und Aufstand falscher Messias und falscher Propheten verbunden ist, die Zeichen geben werden. So passierte es auch, es gab viele Propheten in Jerusalem selbst und in Kleinasien. Ein Brief über irgendeinen Jehuda blieb erhalten, er wollte Juden über das Meer durch Zypern in das Land Israel bringen, römische Armee besiegen und den Tempel aufbauen.  Es gibt viele solche Geschichten.

 (Mk. 13,24-25):

Aber in jenen Tagen, nach jener Bedrängnis, wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

Dieses Bild, wenn die Sterne dunkel werden und der Mond wird seinen Schein verlieren – das ist eine Hyperbel, eine Übertreibung. Petrus sagt auch in seiner Predigt in der Apostelgeschichte, dass die Sonne sich verfinsterte und der Himmel ins Wanken kam, und verbindet diese Ereignisse mit Jeschuas Tod vor der Auferstehung. Hier spricht Jeschua aber von Leiden.

All  dieser Trauer, angefangen mit der Zerstörung des Tempels und Vertreibung der Juden in die Galut (hebr. „Zerstreuung unter anderen Völkern“), ihr Leiden, das mal schwächer, mal stärker wurde, erreichten aus der heutigen Perspektive ihren Höhepunkt in der Zeit des Holocaust. Aber das, was offensichtlich mit dem jüdischen Volk passiert, spricht von globalen Prozessen. In der ganzen Welt erfolgt die Verdunkelung des Lichtes und Angriffe auf die Gerechtigkeit und, wie Jeschua im Vers 25 sagt, das Wanken des Himmels.  Himmlische Fürsten der Staaten geraten ins Wanken, weil die Regierungen dieser Staaten die göttliche Macht bezweifeln. Und je stärker diese Anspannung wird, desto näher wird das Kommen Maschiachs. (Mk. 13,26-27):

Und dann werden sie sehen den Menschensohn kommen in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und dann wird er die Engel senden und wird seine Auserwählten versammeln von den vier Winden, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.

Es gibt einen traditionellen Midrasch (Erklärung), dass Jerusalem auf Tausend Amot (vom Hebr. Ellen) steigen wird, es wird fünfhundert Meter höher. Und auf den Wolken kommt Gottes Volk von der ganzen Welt nach Jerusalem und wird dort in Jerusalem mit dem Maschiach sein. In seinem Brief deutet Paulus auf diesen Midrasch hin. Und dies wird fehlerhaft als Himmelfahrt der Kirche gedeutet. Hier geht es aber nicht um die Himmelfahrt, sondern um die Versammlung des Volkes Gottes in Jerusalem. Das Volk Gottes ist nicht nur Israel, sondern alle Gläubigen, die sich dem Volk durch den Glauben an Jeschua anschlossen. Er zerstörte die Trennwand zwischen Juden und nicht Juden. All diese Menschen, alle Gläubigen – das Volk Gottes – werden sich am Ende dieser Zeiten in Jerusalem versammeln.

Im Weiteren geht es um den Feigenbaum

(Mk. 13,28-29):

An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis: Wenn seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Ebenso auch, wenn ihr seht, dass dies geschieht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist.

Der Vorbote des Frühlings ist das Anschwellen der Baumknospen und die Erweichung der Zweige beim Feigenbaum. Der Feigenbaum blüht in Israel als einer der ersten auf. Der Talmud sagt, dass der Feigenbaum eine Vorahnung hat und das Kommen der Wärme spürt, bevor sie eingetreten ist. An diesem Beispiel zeigt Jeschua, dass man ein geistliches Vorahnung ähnlich dem Feigenbaum haben soll, um Vorzeichen zu erkennen. Man hätte keinen Vergleich mit dem Feigenbaum gebraucht, wenn die Vorzeichen so klar wären, wie der Sonnenfinsternis oder das fehlende Mondlicht oder das Fallen der Sterne.

Jeschua rät den Aposteln im Zustand des Feigenbaums zu verweilen, in einer solchen Vorfreude auf Sommer und Wärme zu sein und intuitiv zu fühlen, wann es an der Tür sein wird.

 (Mk. 13,30):

Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht.

Unter diesem Geschlecht wird das Volk Israel möglicherweise gemeint oder vielleicht Gläubige an Jeschua oder vielleicht diejenige, die wie ein Feigenbaum spüren können. Man kann hier jede Variante nehmen. Aber einige nehmen die Variante, dass es hier um die Generation aus der Zeit Jeschuas geht, und sagen, dass wenn eine Generation nach der Tempelzerstörung verging, bedeutet es dann, dass Jeschua nicht die Wahrheit über die vorhergesagten Ereignisse sagte. In der Wirklichkeit hat der Begriff „Geschlecht“ viele verschiedene Bedeutungen.

(Mk. 13,31-32):

Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. 

Jeschua sagt, dass sich sein Gesetz, seine Worte, die Tora des Maschiachs nicht verändern, wenn auch sich der Himmel und die Erde verändern.

Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.

Aus irgendeinem Grund wird dieser Vers von westlichen liberalen Theologen, die einen großen Beitrag ins Bibelstudium leisteten, abgelehnt. Bei dieser Stelle sagen sie, dass es eine spätere Ergänzung der Kirche ist. Denn warum würde Jeschua sich so erwähnen?

Mir scheint die Vermutung unwahrscheinlich zu sein, dass irgendwelche Menschen aus der Kirche einen Vers ergänzten, der die Rolle Jeschuas abwerten würde. Wenn es stehen würde, dass nur der Sohn und der Vater wissen, dann könnte man es glauben. Da es hier ganz klar ist, dass es Ungleichheit im Wissen zwischen dem Vater und dem Sohn gibt, kann man vermuten, dass die Kirche kaum so einen Einschub hätte machen können.

Zum Schluss, als Höhepunkt seiner Antwort auf die Frage der Schüler sagt Jeschua

 (Mk. 13,33-34):

Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. (Ich weiß es nicht und ihr wisst es auch nicht. Lasst alle Vorzeichen, lasst euch durch Vorzeichen nicht hinreißen). Es ist wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er sollte wachen.

Jeschua zeigt seinen Jüngern, dass auch er ihnen einen Auftrag gab – das Evangelium zu verkünden und Schüler zu machen. Danach lenkt er ihre Aufmerksamkeit auf die Hauptsache.

(Mk. 13,35-37):

So wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!

Jeschua erklärt seinen Schülern, wenn sie auf irgendwelche besonderen Kriege, Leiden und vom Himmel gefallene Sterne warten werden, dann werden sie den Schlafenden ähnlich sein, der Herr kann aber plötzlich kommen.

 Also bilanzieren wir die Anweisungen, die Jeschua seinen Schülern gab:

Seht zu, dass euch nicht jemand verführe! (Mark. 13:5)

Ihr aber seht euch vor! (Mark. 13:9)

Ihr aber seht euch vor! (Mark. 13:23)

An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis (Mark. 13:28)

Wachet (13:33)

In anderen Worten macht Jeschua seinen Schülern deutlich, dass es keine Antwort bezüglich der Merkmale des Weltuntergangs geben wird. Er lenkt aber ihre Aufmerksamkeit auf das wirklich Wichtige: Beobachte dich selbst, überprüfe alles, sei vorsichtig.

Bekannt ist, dass christliche Gemeinden es besonders mögen, alle möglichen Zeichen zu studieren. Großes Bestreben besteht sich vorzubereiten, den Weltuntergang aufgrund dieses oder jenes Merkmals, aufgrund eines oder  andren Krieges auszurechnen. In der Weltgeschichte gab es aber viele Kriege. Jüdische Gelehrten äußerten sich zu seiner Zeit gegen Berechnungen des Endes, wie gesagt: „Verflucht ist derjenige, der das Ende berechnet.“ Denn das lenkt ab und verführt, der Mensch hört auf, wachsam zu sein.

Somit bekommen wir im Markus Evangelium eine Antwort auf die Frage, wann das zweite Kommen des Maschiachs stattfindet und worin die Eschatologie Jeschuas besteht. Die Antwort besteht darin, dass es keine Eschatologie gibt. Es gibt kein Gerät, das bestimmen kann, wann der Weltuntergang stattfindet. Das Einzige, was wir tun können, ist wachsam zu sein.  Wenn wir wachsam sind, sind wir sowohl für die große Trübsal als auch für das Entrücken vor der großen Trübsal und nach der großen Trübsal bereit. Jeschua sagt: Seit auf jedes Szenario vorbereitet.

Wir wissen über die Verfolgung der Gläubigen in verschiedenen Ländern. Schreckliche Sachen passieren, wenn der Mensch gefangen, gefoltert werden kann, wenn seine Familie vernichtet werden kann. In diesem Moment tritt große Trübsal für diesen Gläubigen. Hier ist die Frage der inneren Bereitschaft für solche Entwicklungen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass messianische Eschatologie in einem Wort „seid wachsam“ verankert ist.

Kapitel 14

Das Kapitel spricht über den letzten Tag von Jeschuas Dienst, über seinen letzten Tag mit den Schülern vor dem Tod und der Auferstehung.

(Mk. 14,1-2):

Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.

Zu jener Zeit waren das Passafest und das Fest der ungesäuerten Brote zum Großteil zwei unterschiedliche Feste. Bis zum Fest der ungesäuerten Brote sind es drei Tage, bis zum Passafest sind es zwei Tage. Aber Markus verwendet einen verallgemeinernden, im Volk verbreiteten Namen, weil sich das Volk zu einem der drei von der Tora vorgeschriebenen Festen in Jerusalem versammelte. Dreimal im Jahr sollte jeder Mann Jerusalem besuchen.  Jerusalem war mit Pilgern überfüllt. Pilger versammelten sich am Pessach, deswegen werden die beiden Feste mit einem Sammelnamen „Pessach“ bezeichnet. Markus nennt sie aber als „Pessach“ und „Tage der ungesäuerten Brote“.

Die Hohepriester suchten danach, Jeschua festzunehmen, weil er am Fest, wenn es in Jerusalem große Menschenmengen gibt, einen großen Einfluss hatte. „Nicht bei dem Fest“ bedeutet nicht bei der großen Versammlung der Menschen, damit es nicht zum Aufstand im Volk kommt. Im Grunde genommen war es kein Problem aus chronologischer Sicht, ihn an einem Festtag festzunehmen, aber Priester befürchteten eher große Menschenmassen. Sie hatten keine Angst, den Festtag zu entheiligen.

 Jeschua hielt sich zu der Zeit in Betanien, im Haus von Simon dem Aussätzigen auf.

 (Mk. 14,3):

Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und lag zu Tisch,

„Lag zu Tisch“ bedeutet, er bereitete sich zum Mittagessen vor oder nahm eine Mahlzeit zu sich. Denn damals aßen die Menschen, indem sie zu Tisch lagen. Das war eine griechische und persische Tradition, die auch unter Juden verbreitet war.

da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.

Häufig legten Frauen ihr Geld in verschiedene Öle an, die man am Körper tragen konnte (eine Art der Investition). Das war das ganze Vermögen der Frau und sie nutzte es kaum im alltäglichen Leben. Dieses Öl wurde aus edlen Ölen hergestellt. In diesem Fall verwendet Markus ein Wort, das man auch als „Pistazienöl“ verstehen konnte. In jedem Fall war es ein wertvolles Öl. Die Frau kam aber und goss das Öl auf sein Haupt.

(Mk. 14,4-5):

Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

Wozu sollte man tatsächlich das Öl auf Jeschua gießen das viel Geld kostet? Es war nicht üblich, das Öl in solchen Mengen auf Männer zu gießen, selbst nicht einmal auf Frauen. Man konnte wirklich das Geld den Armen geben, Arme ernähren, eine andere, Gott gefällige Sache tun. Man kann die Empörung der Menschen verstehen, sogar die Verteilung von Zdaka (Spenden, Almosen), der für die Almosen bestimmten Gelder, muss durch angemessene Überlegungen geführt werden. Die Weisen sagten: „Lass die Almosen in deiner Hand schwitzen“ – d.h. beeile dich nicht, gib nicht sofort jedem beliebigen. Hier ist Jeschua freilich nicht jeder beliebige, aber eine solche „Ölverschwendung“ empörte viele.

(Mk. 14,6-9):

Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

So ist es. Wir sehen in allen kanonischen Evangelien die Erwähnung über diese Frau. Leider wird ihr Name nicht immer erwähnt. Die katholische Tradition schreibt dieser Frau den Namen Maria Magdalena zu, die bußfertige Hure. Im Allgemeinen identifizieren die Evangelien und Apokryphen häufig diese Frau mit einer Hure, indem sie über irgendein besonderes Verhalten sprechen. Bei Markus ist alles einfach, er geht nicht auf Einzelheiten ein. Er betrachtet nur die Tatsachen (das sind Erinnerungen von Petrus), er schreibt nicht darüber, was er nicht weißt. Deswegen spricht Markus einfach: „Eine Frau kam.“ Bei Markus lesen wir nichts über das Abwischen des Öls mit Haaren (die Geschichte ist weniger pathetisch). Bei Markus gießt die Frau das Öl auf das Haupt.

Viele Kommentatoren versuchen hier eine Art der Salbung zu erkennen. Jeschua ist doch der Maschiach und er muss gesalbt werden. Aber sie werden etwas verwirrt, weil die Salbung durch eine Frau ausgeführt wurde. Ich denke, dass genau der fragliche Ruf, in den diese Frau gebracht wird, ihr besonderes Verhalten sind es, die uns zu der berühmten Parallele führen – der Hure, mit der Israel verglichen wird. Mir scheint, in dieser Geschichte stellt Markus symbolisch das reuige Volk Israel dar, das den Maschiach über sich salbt, seine Macht über sich annimmt. Das alles ist in der Figur der reuigen Frau, die ein wertvolles Öl spendet, wobei es keine Rolle spielt, ob sie eine Hure ist oder nicht.

Achten wir auf die Worte Jeschuas im siebten Vers:

Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.

Das ist die Antwort für viele Menschen, die fragen, ob Jeschua von Parusie wusste, d.h. ob Jeschua daran glaubte, dass er selbst in kurzer Zeit nach seiner Auferstehung zurückkehren wird. Wie wir bereits sagten, war Jeschua selber nicht ganz sicher, wie schnell (nach welcher Frist) er nach der Auferstehung zurückkehrt. Aber die Tatsache, dass Jeschua hier sagt, dass wir noch lange Zeit Arme haben und sie unterstützen werden, spricht von einem längeren Zeitabschnitt , in dem Jeschua nicht mit uns sein wird.

Zudem sagt Jeschua, dass diese Frau seinen Körper zum Beerdigung vorbereitete.

Ein weiteres Schlüsselereignis vor der Verhaftung Jeschuas

 (Mk. 14,10):

Und Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, ging hin zu den Hohepriestern, dass er ihn an sie verriete. 

Er ging nicht wegen des Lohnes, wie es bei den anderen Evangelisten steht und  nicht, weil der Satan in ihn hineinging. Er ging einfach zu Hohepriestern. Markus beschreibt die Ereignisse mit Genauigkeit eines Gerichtsprotokolls.

Wozu musste Jeschua den Hohepriestern überliefert werden? Wozu brauchten die Hohepriester Judas? Er konnte zeigen, wie man sich vorsichtig Jeschua nähern kann, dort, wo es keine Menschenmassen gibt, wie man ihn in Dunkelheit erkennt und vielleicht noch irgendwelche weitere für die Festnahme Jeschuas notwendige Informationen.

 (Mk. 14,11-14):

Da sie das hörten, wurden sie froh und versprachen, ihm Geld zu geben. Und er suchte, wie er ihn bei guter Gelegenheit verraten könnte. Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, da man das Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst? Und er sandte zwei seiner Jünger und sprach zu ihnen: Geht hin in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Krug mit Wasser; folgt ihm, und wo er hineingeht, da sprecht zu dem Hausherrn: Der Meister lässt dir sagen: Wo ist die Herberge für mich, in der ich das Passalamm essen kann mit meinen Jüngern? 

Ein Mann mit einem Wasserkrug ist ein relativ seltsamer Anblick für Jerusalem, weil Männer gewöhnlich einen Weinschlauch mit Wasser trugen. Ein Mann mit einem Wasserkrug ist etwas Ungewohntes. Markus spricht wörtlich: „Geht hin in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Krug mit Wasser.“ Das erinnert uns an die Geschichte, als Prophet Schmuel(Samuel) David zum König salbt. Er sagt, dass ein Zeichen für einen vollständigen Eintritt auf den Thron wird sein, einen Mann mit einem Krug zu treffen(dort geht es aber um den Krug mit Wein). Wir werden uns noch an diese Parallele wenden.

Was ist Besonderes daran? Warum führt Markus diese Geschichte auf? Lasst uns das Jerusalem jener Zeit vorstellen. Die Stadt hat keine große Bevölkerung und die Anzahl der in der Stadt versammelnden Touristen und Pilger übersteigt stark die eigentliche Bevölkerungsanzahl. Mischna (Gesetzessammlung aus dem 2 Jh.) sagt, eines der Wunder ist, dass es in Jerusalem nie eng war. Menschen versammelten sich und die Jerusalemer mussten sie kostenlos aufnehmen. Die einzige Bezahlung, die Jerusalemer hinnehmen konnten, war das Geschirr, das die Gäste zurückließen. Pilger ließen leere Flaschen, leere Gefäße zurück, alles was man abgeben, verwerten und damit verdienen konnte, aber der Verdienst war nicht groß. Natürlich vereinbarte man im Voraus, wer und wo übernachten wird, und es war sehr schwierig dies im letzten Moment zu regeln. Hier war entweder die Vorsehung Jeschuas oder die vorherige Vereinbarung. Höchstwahrscheinlich spielte hier die Bekanntschaft Jeschuas mit dem Hausherrn, dessen Wasserträger Wasser im Krug trägt.

 (Mk. 14,15-16):

Und er wird euch einen großen Saal zeigen, der schön ausgelegt und vorbereitet ist; und dort richtet für uns zu. Und die Jünger gingen hin und kamen in die Stadt und fanden’s, wie er ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Passalamm. 

Ein großer Saal war ein großes Glück. Menschen feierten in jeder beliebigen Stube. Hier geht es aber um einen zum Feier vorbereitetes Zimmer mit Teppichen, d.h. es gibt dort Liegen, auf denen man liegen oder sich lehnen kann. Bei der Mahlzeit, beim Passatisch lag man im Kreis. Häufig lehnte man auf der Brust des anderen.

Was sollten die Schüler vorbereiten? Das ist ein Rätsel, was genau sie vorzubereiten hatten. Die Vorbereitung beinhaltete traditionell: mehrere Mazzot( ungesäuerte Fladen), die in einem speziellen Ofen gebacken werden sollten, dann sollte man ein Lamm mit bitteren Kräutern und Gewürzen und Wein zubereitet sein. Des Weiteren sollte das Geschirr und die Liegen vorbereitet werden. Auch Charoset sollte gemacht werden, das ist eine Früchtemischung, die man auf den Tisch servieren sollte. Es kann sein, dass die Schüler nur die Vorbereitungen für Pessach verwalteten, und es wurde alles für sie gemacht. Ob es von zwei Schülern ausgeführt wurde, wissen wir nicht.

In jedem Fall war alles vorbereitet.

(Mk. 14,17):

 Und am Abend kam er mit den Zwölfen.

Hier beginnt die Diskussion der Kommentatoren, der Gelehrten, ob dieser Tag Pessach(Passa) war. Als Argument dafür, dass an diesem Tag Pessach war, dienen Worte Jeschuas, der sagte: „Bereiteten Pessach vor.“ Die ganze Situation ist auch damit verbunden. Als Gegenargument wird gesagt, dass es ein Kiddusch sein konnte (Brauch der Heiligung, Trennung des Schabbats vom Alltag). Denn das Brot wird im Text mit dem Wort „Arton“ – saures Brot – bezeichnet. Dann sehen wir, dass die Männer Schwerter dabei hatten, die an Feiertagen nicht erlaubt wären. Und doch können wir mit einer gewissen Sicherheit sagen, dass Jeschua im Markus Evangelium das Pessach verzehrt. Das ist nicht nur Schabbat Kiddusch.  Es gab die Meinung, dass man am Schabbat ein Schwert tragen darf. Rabbi Eliezer sagt, dass man ein Schwert am Schabbat tragen darf, weil es Schmuck ist. Also, es gibt keine seriösen Gegenargumente, um zu sagen, dass Jeschua mit seinen Schülern das Pessach aß.

(Mk. 14,18):

Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.

Das Pessachseder (die Reihenfolge) begann mit dem Verzehr des bitteren Gemüses (das war eine lange Zeremonie), danach folgten das Liegen und die Unterhaltung über den Auszug aus Ägypten. Hier handelt es sich um „Maggid“ (Teil des Pessachseders, wenn es um den Auszug aus Ägypten geht) und Jeschua sagt: Einer unter euch, wird mich verraten.

(Mk. 14,19-21):

Da wurden sie traurig und sagten zu ihm, einer nach dem andern: Bin ich’s? (Niemand war sich sicher angesichts der Gefahr und der Angst, von der sie in Jerusalem umgeben waren.) Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht. (In vielen Schriften steht es: in eine Schüssel). Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. 

Jeschua sagt, dass die Mission – den Maschiach zu verraten – ursprünglich, noch vor der Weltschöpfung, für Judas bestimmt war. Das ist ein weit verbreiteter Begriff bezüglich verschiedener Menschen mit unterschiedlichen bösen Missionen. Wir können darüber sowohl im Petrus als auch im Judas Brief nachlesen, dass es Menschen gibt, die von Anfang an für etwas Böses bestimmt sind. Deswegen wäre es besser, wenn so ein Mensch nicht geboren wurde.

 Warum war der Verrat notwendig? Warum war es notwendig, Jeschua zu verhaften? Warum war ein Verräter, aus der Sicht des Allmächtigen, unter den nahestehenden Schülern erforderlich? Warum wurden nicht standhafte, treue Apostel ausgewählt, die fest geglaubt hätten, mit ihrem Lehrer bis zum Ende gestanden und nicht einmal an Verrat gedacht hätten?

Wir sehen uns ein paar Beispiele in der Bibel an. Z.B. als Mosche sich etwas länger auf dem Berg (Sinai) aufhält und nicht heruntersteigt. Ein Midrasch(Auslegung) erzählt, dass der Satan den Israeliten zeigte eine Vision, als würden die Engel Mosche wegtragen, als wäre  er dort auf dem Berg gestorben. Die Israeliten sagten darauf, dass dieser Mann, der uns hierher gebracht hat, verschwand, starb, uns verlassen hat… dann machen wir uns ein Kalb. Wir erinnern uns an das Ende dieser Geschichte.

Viele Jahrhunderte später sagte Schmuel bei der Salbung des Königs Saul (1.Samuel 10): Du wirst eine Woche sitzen und auf mich warten. Darin besteht deine Aufgabe. Wenn man das zehnte Kapitel ab dem siebten Vers liest, dann zählt Schmuel Saul verschiedene Vorzeichen auf und sagt (1.Samuel 10,7-8): “Wenn für dich nun diese Zeichen eintreffen, so tu, was dir vor die Hand kommt; denn Gott ist mit dir“. Über alle Zeichen, die im Text oben  aufgezählt wurden, kann man separat nachlesen, weil sie kein Bezug zu unserem Thema haben. Du sollst aber vor mir hinabgehen nach Gilgal; siehe, da will ich zu dir hinabkomme>n, um Brandopfer und Dankopfer zu opfern. Sieben Tage sollst du warten, bis ich zu dir komme und dir kundtue, was du tun sollst.

Außer Zeichen erhielt Saul auch die Anweisung zu warten, bis Schmuel kommt. Im siebzehnten Kapitel lesen wir, dass Saul kam, sich im Tal lagerte, sich auf den Krieg mit Philistern vorbereitete, er war mit Glauben erfüllt, er hatte völlig ungünstige Position für den Krieg eingenommen, weil er auf Gottes Hilfe hoffte. D.h. Saul dachte gar nicht an die Taktik. Dennoch wartete.. und wartete er auf Schmuel. Schmuel kam aber nicht. Und dann hielt Saul die Anspannung vor dem Krieg, die Flucht der Israeliten nicht aus. Er trat an den Altar und brachte Opfer. In diesem Moment erschien Schmuel und sagte zu Saul: Was hast du getan! Jetzt wirst du dein Königreich verlieren.

Diese zwei Geschichten sind sehr ähnlich. Wenn ein Verantwortlicher bleibt und man auf einen anderen warten muss, der kommen soll, dann hält dieser Verantwortliche es nicht aus und trifft eigenständig eine Entscheidung. Im ersten Fall war es Aaron, im zweiten Fall war es Saul, aber in beiden Fällen endete es sehr schlecht.

Judas Iskariot gehörte laut vielen Zeugnissen zu den Zeloten, zu einer radikalen Bewegung, die darauf wartet, dass Jeschua gleich alle besiegt, endlich die Macht übernimmt, und dann werden wir leben. Zum einen, zögert Jeschua. Zum anderen, er wurde gesalbt, spricht aber von der Beerdigung. Judas spürt aber seine Verantwortung, er gerät sozusagen in die Position von Aaron und Saul und macht den gleichen Fehler. Es wird von Saul gesagt, dass er sein Königreich verlor, genauso verlor Judas alles. Natürlich ist der Verrat Judas viel schlimmer, deswegen wird von ihm gesagt, dass so etwas nur wegen seiner starken Profitgier passieren konnte, oder der Satan in ihn eindrang. In jedem Fall wiederholte er den Weg, der ein Bestandteil jeder Erlösung ist.

Eine Erlösung ähnelt einer anderen, so sagt die jüdische Tradition. Ähnliches, was beim Auszug aus Ägypten geschah, soll auch in der Zeit der Erlösung durch Jeschua passieren. Deswegen entsteht diese Parallele. Deswegen verriet Judas, der Schüler Jeschuas, ihn. Er wusste und verstand, wen er verriet. Er verstand auch, worauf er sich einließ, und trotzdem machte er das.

(Mk. 14,22-24):

Und als sie aßen, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. 

Man sollte die Wissenschaft der Textologie beachten, die von der Richtigkeit des Textes spricht. Es gibt viele Unterschiede zwischen verschiedenen Schriften der Evangelien. Die Textologie sucht aufgrund der älteren und maßgebenden Schriften den geeigneteren Text aus. Es gibt Schriften (die meisten von ihnen sind maßgebend), in denen das Wort „neu“ fehlt. Es steht: „Das ist das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.“ Natürlich ist es eine Parallel zu Worten Mosches aus dem 2. Mose, wenn Mosche Opferblut nimmt und sagt (2.Mose 24): Seht, das ist das Blut des Bundes.

Wir sprechen oft darüber und ich lehre oft, dass eine Erlösung einer anderen ähnelt. Es gibt Parallele zwischen der Erlösung beim Auszug aus Ägypten und der letzten Erlösung. Natürlich ist jede Erlösung, jeder Bundesschluss  mit dem Blutvergießen verbunden. In diesem Fall sagt Jeschua, dass sein Blut für uns, für alle Sünder vergossen wird, und das Symbol dieses Blutes ab jetzt im Pessachkelch enthalten ist.

 Auf dem Pessachtisch gibt es viele unterschiedliche Gegenstände und jeder von ihnen besitzt eine bestimmte symbolische Bedeutung, die mit dem Auszug aus Ägypten verbunden ist. Jetzt veränderten sich die Zeiten und Jeschua gibt dem Pessachseder eine neue Symbolik – eine neue Bedeutung der Mazzot (des ungesäuerten Brotes) und eine neue Bedeutung des Weins.

Über das Brot sagt Jeschua: „Das ist mein Leib.“ Das Wort „Leib“, „mein Fleisch“ ist auf hebr. „lechem“, dieses Wort ist direkt mit dem Wort „lachem“ – Brot, verbunden. Hier ist ein Wortspiel, wieder die neue Symbolik, die Jeschua dem Pessachmahl verleiht. Wir können sogar breiter interpretieren, nicht nur dem Pessachmahl, sondern jedem Mahl. Immer, wenn wir Brot essen oder Wein trinken, erinnern wir uns an den Leib Jeschuas, der für uns gelitten hat und das Blut Jeschuas, das für uns vergossen wurde, nicht nur beim Pessachmahl, sondern bei jedem Brotbrechen. Obwohl diejenigen Gemeinden, die dies nur während der Pessachfeiertagen tun, auch eine Grundlage haben, auf die sie sich stützen, somit ist es eine durchaus gesunde Tradition.

So gab Jeschua dem Pessachseder eine neue Symbolik, das erklärt zum Teil, warum das Markusevangelium kein Gebot über Eucharistie enthält. Es gibt kein Gebot am Abendmahl teilzunehmen. Es steht nirgendwo: „Und dies tut“, wie es in anderen  Evangelien steht. Es geht hier um die Symbole, die im Essen enthalten sind. Da wir sowieso essen und Pessach feiern werden, wird dies automatisch zu einem Gebot für uns.

(Mk. 14,25):

Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes. 

Jeschua verspricht, dass er nicht mehr von der Frucht der Weinrebe trinken wird, aus der juristischen Sicht stellt dieses Versprechen ein Versprechen des Nasiräers dar (4.Mose 6, ab Vers 2) D.h. Jeschua gibt vor seinem Tod ein Gelübde des Nasiräers und stirbt wie ein Nasiräer. Obwohl Jeschua in seinem innerlichen Wesen viel höher als dieses Gelübde ist, nimmt er auf sich die höchste geistliche Stufe der asketischen Praktiken Israels. Er möchte möglichst hochsteigen, um zu einem möglichst vollkommenen Opfer zu werden.

 (Mk. 14,26):

Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.

Nach der Pessachmahl gab es ein Lied „hallel“ – ein Lobgesang für Gott für all die Wunder, die er bei unserem Auszug aus Ägypten vollbrachte. Beim Singen dieses Liedes gehen Jeschua und seine Schüler auf den Ölberg.

Hier entsteht ein Streit wieder, ob es ihnen nach dem Gesetz erlaubt war, an einem Festtag die Stadt zu verlassen. Aber der Öberg und der Garten Gethsemane und alles, worum es sich hier handelt, befindet sich innerhalb der erlaubten Grenzen, die man während Pessachfestes betreten darf, ohne seine Heiligkeit zu verletzen.

 (Mk. 14,27-30):

Und Jesus sprach zu ihnen: Ihr werdet alle Ärgernis nehmen; denn es steht geschrieben: »Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden sich zerstreuen.« Wenn ich aber auferstanden bin, will ich vor euch hingehen nach Galiläa. Petrus aber sagte zu ihm: (Petrus hat wie immer eine Neigung zu streiten) Wenn auch alle Ärgernis nehmen, so doch ich nicht! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe denn der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. 

Eigentlich war es verboten in Jerusalem Hähne zu halten, aber in der Umgebung, in der Gegend des Ölberges war das Halten der Hähne doch erlaubt. Das zweite Hahn krähen bedeutete den Wechsel der Nacht- und Tagwache der Engel und dementsprechend die Zeit zum „Schma“ – Gebet („Höre Israel…“): wenn ein Mensch, der aufgewacht ist, nimmt erneut auf sich den „Joch des Himmels“ und sagt dem Allmächtigen, dass er bereit ist als Diener und Knecht Ihm zu dienen. Das ist eine besondere Zeit. Und Jeschua sagt zu Petrus, dass er, bis zum Ende dieser Wache, Jeschua dreimal verleugnen wird. Petrus lässt sich von seinem Standpunkt nicht abbringen.

(Mk. 14,31-36):

Er aber redete noch weiter: Auch wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen! Das Gleiche sagten sie alle. Und sie kamen zu einem Garten mit Namen Gethsemane.

Gethsemane oder „Gat schmanim“ ist der Ort, wo man Öl presst, weswegen dieser Ort so genannt wurde (Garten der Oliven).

Und er sprach zu seinen Jüngern: Setzt euch hierher, bis ich gebetet habe. Und er nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes und fing an zu zittern und zu zagen und sprach zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet! Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorüberginge, und sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!  

Jeschuas Verhalten erstaunt, weil wir viele rechtschaffene Menschen und Gläubige sehen, die mit Freude ihren Tod und Leiden für ihren Glauben empfingen. Und hier ist so viel Trauer! Die Trauer ist aber offensichtlich nicht wegen der Leiden, die zu ertragen sind, nicht wegen des Kelchs, sondern weil sich die Volksspitze, die Regierung des Volkes, der Gnade nicht würdig genug erweisen wird, damit man sie auf eine andere Weise erretten könnte.

 (Mk. 14,37-42):

Und er kam und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Simon, schläfst du? Vermochtest du nicht eine Stunde zu wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach. Und er ging wieder hin und betete und sprach dieselben Worte und kam wieder und fand sie schlafend; denn ihre Augen waren voller Schlaf, und sie wussten nicht, was sie ihm antworten sollten. Und er kam zum dritten Mal und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Es ist genug; die Stunde ist gekommen. Siehe, der Menschensohn wird überantwortet in die Hände der Sünder. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, der mich verrät, ist nahe.

Aus diesen Versen von Markus kann man schließen, dass etwas davon abhing, ob Petrus, Jakobus und Johannes wach bleiben. Ihr Wachzustand zögerte möglicherweise etwas die Zeit hinaus oder änderte etwas. Aber dreimal verloren sie die Möglichkeit mit ihrem Lehrer zu beten – und „Siehe, der Menschensohn wird überantwortet in die Hände der Sünder.“

(Mk. 14,43):

Und alsbald, während er noch redete, kam herzu Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm eine Schar mit Schwertern und mit Stangen, von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten und Ältesten.

Die Schriftgelehrten und die Ältesten konnten kaum so ein Bürgerwehr versammeln. Es handelt sich um die Tempelwächter, die die Hohepriester versammelten, und um die Wächter, die bei den Pharisäern dienten.

(Mk. 14,44-46):

Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist’s; den ergreift und führt ihn sicher ab. Und als er kam, trat er alsbald zu ihm und sprach: Rabbi!, und küsste ihn. Die aber legten Hand an ihn und ergriffen ihn.

Die jüdische Tradition sagt, dass der Allmächtige zu Gerechten so gnädig ist, dass er sie sogar mit einem Kuss tötet, durch einen Kuss schickt er Krankheiten auf sie. Hier ist interessant, dass inmitten ganzer Trauer( die Aktion selbst ist traurig), erweist sich die Gnade des Allmächtigen in einem Kuss. Wenn man auch darüber streiten und sagen kann, dass es ein Kuss des Verbrechers ist. Aber es bestehen eine Anspielung und gewisse Parallele.

(Mk. 14,47-52):

Einer aber von denen, die dabeistanden, zog sein Schwert (aus anderen Evangelien wissen wir, dass das Petrus war. Aber das sind die Erinnerung von Petrus selbst, deswegen bemerkt er bescheiden nicht, dass das er es ist.)  und schlug nach dem Knecht des Hohepriesters und hieb ihm ein Ohr ab. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich gefangen zu nehmen? Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und habe gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen. Aber so muss die Schrift erfüllt werden. Da verließen ihn alle und flohen. („alle flohen“ – nicht die Wächter, sondern diejenige, die mit Jeschua waren.) Und ein junger Mann folgte ihm nach, der war mit einem Leinengewand bekleidet auf der bloßen Haut; und sie griffen nach ihm. Er aber ließ das Gewand fahren und floh nackt.

Einige Kommentatoren leiten aus dem Aufbau der Erzählung ab, dass dieser Jüngling Markus selbst war. Das ist eine Erinnerung, ein lebendiges Zeugnis, dass in den Text eingeschoben ist, das noch einmal darüber spricht, dass wir Evangelium wie ein Zeugnis von Menschen lesen. Deswegen ist es wichtig, bevor man anfängt die Evangelien zu vergleichen und gegenüberzustellen (das ist natürlich wichtig), die Erzählung jedes einzelnen Evangelisten gesondert zu lesen, damit der Wert des Zeugnisses jedes Evangeliums nicht verloren wird.

 (Mk. 14,53-54):

Und sie führten Jesus zu dem Hohepriester; und es versammelten sich alle Hohepriester und Ältesten und Schriftgelehrten. Petrus aber folgte ihm nach von ferne, bis hinein in den Palast des Hohepriesters, und saß da bei den Knechten und wärmte sich am Feuer.

Es ist Nacht. Viele Menschen sind unterwegs. Sie feiern den Sieg. Sie feiern die Verhaftung. Deswegen kann man ruhig am Feuer sitzen, niemand von den Dienern kennt sich untereinander. Es gibt viele unbekannte Gesichter.

 (Mk. 14,55-56):

Aber die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat suchten Zeugnis gegen Jesus, auf dass sie ihn zu Tode brächten, und fanden nichts. Denn viele gaben falsches Zeugnis gegen ihn; aber ihr Zeugnis stimmte nicht überein.

Die Priester konnten kein Zeugnis ausdenken, das ausreichend beweisbar wäre, die Prüfung von Pilatus überstehen würde und von der ausreichenden Anzahl der Zeugen bestätigt würde.

(Mk. 14,57-59):

Und einige standen auf und gaben falsches Zeugnis gegen ihn und sprachen: Wir haben gehört, dass er gesagt hat: Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht ist. Aber ihr Zeugnis stimmte auch darin nicht überein.

So ein Zeugnis… Der Mann erzählte… na und? Dies enthält weder Anstiftung noch Aufstand. Denn Jeschua versuchte in der Tat nicht den Tempel zu zerstören. Man kann über vieles reden.

(Mk. 14,60):

Und der Hohepriester stand auf, trat in die Mitte und fragte Jesus und sprach: Antwortest du nichts auf das, was diese gegen dich bezeugen?

Hier wird das Gerichtsprotokoll gebrochen, weil der Priester es nicht aushielt. In der Wirklichkeit wird das Vernehmung der Zeugen nicht durch das Verhören des Angeklagten und Verdächtigten begleitet.

(Mk. 14,61-62):

Er aber schwieg still und antwortete nichts. Da fragte ihn der Hohepriester abermals und sprach zu ihm: Bist du der Christus (Maschiach), der Sohn des Hochgelobten? Jesus aber sprach: Ich bin’s; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels.

Der Gedanke, dass jemand zur rechten Hand Gottes sitzt, ist für den Judaismus nicht neu. Es herrscht sogar die Meinung, dass der Maschiach, laut den Midraschim(Auslegungen), zur Rechten der Kraft Gottes sitzt. Es gibt einen Midrasch, der sagt, dass Gott den Maschiach auf seine rechte Seite und Abraham auf seine linke Seite setzen wird. Abraham wird dann streiten, warum sein Sohn ehrenhafter als er selbst ist. Der Allmächtige wird ihm von den Leiden erzählen, die Maschiach ertragen musste. An sich ist die Idee nicht neu. Aber hier geht es noch darum, dass Maschiach in der Herrlichkeit erscheinen wird. Zusätzlich beansprucht Maschiach eine richterliche Funktion des Allmächtigen. Das bedeutet, dass der Allmächtige irgendeinen Partner braucht, mit dem er die Welt richten wird, mit dem er sozusagen auf himmlischen Wolken fahren wird. Das war für den Priester genug, um Jeschua in Gotteslästerung anzuklagen.

(Mk. 14,63):

Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und sprach: Was bedürfen wir weiterer Zeugen?

Selbstverständlich zerriss der Priester keine priesterliche Bekleidung (wertvolle Bekleidung des Hohepriesters, die aus acht Teilen bestand). Die priesterliche Bekleidung wurde bei Pontius Pilatus aufbewahrt. Laut der Vereinbarung wurden sie nur zu Jom Kippur (Versöhnungstag) herausgegeben. Der Priester hatte einen Zivilanzug an und nach dem Gesetz soll jeder, der Gotteslästerung hört, seine Kleidung zerreißen, als Zeichen der Trauer und des Kummers.

(Mk. 14,64):

Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was meint ihr? Sie aber verurteilten ihn alle, dass er des Todes schuldig sei.

Alle gaben zu, dass er des Todes schuldig war. Und nach dem jüdischen Gesetzt sollte Jeschua in diesem Fall freigesprochen werden. Wenn der Mensch einstimmig für schuldig erklärt wird, bedeutet es, dass er unschuldig ist (so einen Nonsens gibt es in der jüdischen Gesetzgebung). Dennoch versteht Markus unter dem Wort „alle“ mehrere oder die Mehrheit, weil die Situation es zuließ, dass die Priester den Angeklagten verspotteten und sich auf Art und Weise verhielten, die mit der jüdischen Gesetzgebung nicht vereinbar waren. Zu beachten ist, dass das Ganze nicht durch den Sanhedrin (die höchste richterliche Instanz), sondern durch die Priester veranstaltet wurde.

(Mk. 14,65):

Da fingen einige an, ihn anzuspeien und sein Angesicht zu verdecken und ihn mit Fäusten zu schlagen und zu ihm zu sagen: Weissage uns! Und die Knechte schlugen ihn ins Angesicht.

Eine Ohrfeige ist die kränkenste Beleidigung, die damals angewendet wurde. Wenn man erlaubt, es den Knechten zu tun, dann ist die Erniedrigung noch größer. Somit sahen wir einerseits am Anfang des Kapitels, dass eine einfache Frau aus dem Volk, Jeschua mit einem wertvollen Öl salbte. Hier aber sehen wir am Ende des Kapitels, dass die Knechte Jeschua ohrfeigen. Es ist ein absolutes Gegenteil zwischen dem, wie die Priester und wie das einfache Volk Jeschua behandeln.

Markus setzt aber mit der Erzählung von Petrus fort

 (Mk. 14,66-70):

Und Petrus war unten im Hof. Da kam eine von den Mägden des Hohepriesters; (wieder eine Magd des Hohepriesters. Wir sehen, wie „freundlich“ sie eingestellt waren) und als sie Petrus sah, wie er sich wärmte, schaute sie ihn an und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus von Nazareth. Er leugnete aber und sprach: Ich weiß nicht und verstehe nicht, was du sagst. Und er ging hinaus in den Vorhof, und der Hahn krähte. Und die Magd sah ihn und fing abermals an, denen zu sagen, die dabeistanden: Dieser ist einer von denen. Und er leugnete abermals. Und nach einer kleinen Weile sprachen die, die dabeistanden, abermals zu Petrus: Wahrhaftig, du bist einer von denen; denn du bist auch ein Galiläer. 

Galiläer hatten einen starken Akzent. Sie verdoppelten viele Konsonanten und verschluckten viele Vokale. Deswegen war es nicht möglich, einen Galiläer an seiner Aussprache zu verwechseln.

(Mk. 14,71-72):

Er aber fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr redet. Und alsbald krähte der Hahn zum zweiten Mal. Da gedachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er fing an zu weinen.

Die ganze Geschichte mit der Verleugnung und Reue von Petrus am Anfang von Jeschuas Leiden ist eine Lehre für uns, wie wir mit solchen Situationen umgehen sollen. Es ist eine Lehre, dass unsere Verleugnung (wenn sie, Gott bewahre, passiert) durch Tränen, Reue und Rückkehr zu unserem Herrn und Lehrer gesühnt wird.

Letztendlich stellte es sich heraus, dass Petrus Angst vor dem Diener hatte, der möglicherweise Jeschua ohrfeigte. Er hatte Angst vor dem kleinsten Fisch, der damals gegen Jeschua auftrat. Trotz dieser Angst, trotz dieses Verrats wurde der Weg zur Reue für Petrus nicht versperrt. Wie gesagt wird: „Alle Wege werden gesperrt, außer dem Weg der Tränen.“ Der Weg der Tränen ist nicht gesperrt, Petrus weinte und tat Buße nicht nur für seinen Verrat, sondern auch für seine Selbsteinschätzung, dafür, wie hoch er sich schätzte, als er sagte: „Ich verrate dich nicht, wenn es mir auch mein Leben kosten würde.“ Er konnte selbst sehen, dass Jeschua ihn viel besser als er sich selbst kennt.

Das betrifft uns alle. Auch in Bezug auf Leiden wissen wir vorher nicht, ob wir sie überstehen. Daher brauchen wir nicht das Gewünschte für das Tatsächliche ausgeben. Jeschua kennt uns alle viel besser, als wir uns selbst kennen. Für uns alle steht aber der Weg der Tränen und Reue offen. Genauso wie für Petrus, ist er  auch für diejenige offen, die Jeschua töteten.

Kapitel 15

(Mk. 15,1):

Und alsbald am Morgen hielten die Hohenpriester Rat mit den Ältesten und Schriftgelehrten, dazu der ganze Hohe Rat, und sie banden Jesus und führten ihn ab und überantworteten ihn Pilatus. 

In dieser schönen Liste fehlen die Pharisäer, weil die Pharisäer in Markus Version (wir sahen sie im vorherigen Kapitel) an diesem Prozess, nach dem pharisäischen Gesetz, nicht beteiligt waren. Denn, wenn alle einstimmig den Angeklagten zum Tode verurteilten, dann wurde solcher Angeklagter freigesprochen; wenn die Mehrheit den Angeklagten zum Tode verurteilte, dann sollte man die ganze Nacht lernen, indem man Paare bildete, und versuchen, diesen Menschen auf irgendeine Art und Weise zu rechtfertigen, das Gericht musste alles unternehmen, um kein Todesurteil anzuordnen – so war die pharisäische Herangehensweise. Deswegen hielten die Pharisäer ein Gericht, das einmal in sieben Jahren ein Todesurteil verhängte, für ein blutiges Gericht. Manche sagten sogar einmal in siebzig Jahren. Deswegen erwähnt Markus hier keine Pharisäer.

Die ganze Gemeinschaft des Sanhedrins (dieser wurde von Sadduzäern geleitet), brachte Jeschua zu Pilatus. Möglicherweise machten die Pharisäer einen Teil des Sanhedrins aus, aber es wurde komplett von Sadduzäern kontrolliert, obwohl die Mischna (Gesetzeszusammensetzung, 2 Jh.) es anders erzählt. Historische Zeugen von Philon bis Flavius sagen, dass das Sanhedrin in der Zuständigkeit der Sadduzäer lag. Hier sehen wir auch, dass die Sadduzäer im Sanhedrin an der Macht sind. Daher sind Pharisäer relativ rein – nicht vom Gedanken Jeschua zu vernichten, das versuchten sie schon – aber von der Teilnahme an dieser Gerichts Show und an der Übergabe Jeschuas an Pilatus.

Somit wird Jeschua zu Pilatus gebracht. Pilatus ist Statthalter des Cäsars in Judäa, Regent in Judäa. Pilatus möchte Jeschua natürlich selbst verhören und beginnt mit der für ihn wichtigsten Frage

 (Mk. 15,2):

Und Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er aber antwortete ihm und sprach: Du sagst es.

D.h., du verleihst diesem Begriff einen gewissen Sinn, vielleicht bin ich in gewissem Sinne ein jüdischer König, aber ich habe es nicht gesagt. Warum ist es Pilatus wichtig? Pilatus ist Statthalter Cäsars. Wenn Jeschua versucht, irgendeine alternative Macht zu vertreten, dann ist er gefährlich und dies allein reicht aus, um ihn hinzurichten. Deswegen wollte Pilatus dies vor allem herausfinden. Die Hohepriester übernehmen das Gespräch

 (Mk. 15,3-6):

Und die Hohepriester beschuldigten ihn hart. Pilatus aber fragte ihn abermals und sprach: Antwortest du nichts? Siehe, wie hart sie dich verklagen! Jesus aber antwortete nichts mehr, sodass sich Pilatus verwunderte. (Jeschua schwieg sozusagen beim Verhör) Er pflegte ihnen aber zum Fest einen Gefangenen loszugeben, welchen sie erbaten.

Unklar ist, ob es eine römische oder jüdische Tradition war. Die Kommentatoren haben oft keine Antwort darauf, weil es nirgendwo geschrieben steht, wo genau dieser Brauch existierte. Wenn wir aber versuchen, uns vorzustellen, dass es ein jüdischer Brauch war, dann bedeutet die Aussage „zum Fest“ – zum Pessach. Zu jedem Pessachfest wurde jemand freigelassen.

Es gibt die Meinung, dass Josef das Gefängnis, nach einigen Versionen, zu Rosch haSchana(Neujahr) und nach anderen, zu Pessach verließ. Genauso wurde Izchak(Isaak) zum Fest Pessach am Opferaltar befreit. Und viele andere Befreiungen erfolgten am Pessach. Im Grunde genommen wurde Israel selbst am Pessach aus der ägyptischen Sklaverei herausgeführt. Wir wurden auch am Pessach vom Joch der Sünde errettet.

(Mk. 15,7-11):

Es war aber einer, genannt Barabbas, gefangen mit den Aufrührern, die beim Aufruhr einen Mord begangen hatten. Und das Volk ging hinauf und bat, dass er tue, wie er ihnen zu tun pflegte. Pilatus aber antwortete ihnen: Wollt ihr, dass ich euch den König der Juden losgebe? Denn er erkannte, dass ihn die Hohepriester aus Neid überantwortet hatten. Aber die Hohepriester wiegelten das Volk auf, dass er ihnen viel lieber den Barabbas losgebe.

Wahrscheinlich spürte Pilatus Mitleid zu diesem zusammengeschlagenen und erniedrigten Menschen, zu dem niemand etwas sagen konnte. Da Pilatus die Methoden seiner politischen Kollegen, der Sadduzäer, gut kannte, verstand er ganz gut, dass Jeschua aus Neid zu seiner Popularität, Charisma und Ausdrucksfähigkeit ausgeliefert wurde. Aber die Hohepriester hatten einen starken Einfluss auf das Volk und sie stifteten das Volk an, für Barabbas zu bitten.

 (Mk. 15,12):

Pilatus aber antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Was wollt ihr dann, dass ich tue mit dem, den ihr den König der Juden nennt?

Hier bemüht sich Pilatus Jeschua nicht als König der Juden zu nennen: „den ihr den König der Juden nennt“. Den ihr beschuldigt, d.h., Pilatus selbst distanziert sich von der Anklage.

(Mk. 15,13):

Sie schrien abermals: Kreuzige ihn! 

Alle Evangelien enthalten eine ähnliche Handlung. Und während der ganzen Geschichte des jüdischen Volkes wurden diese paar Verse aus dem Evangelium zur Ursache für endlose Vertreibungen, Verfolgungen, Pogrome usw. Hier ist zu erwähnen, dass im Prätorium in der Früh am Feiertag (in einem kleinen Hof, wenn man den mit Menschen überfüllt, finden dreihundert Menschen Platz) dreißig, vierzig Personen Platz finden. Dreißig, vierzig Menschen, Söldner, die von den Hohepriestern aus Menschen engagiert wurden, die morgens auf der Suche nach einer Arbeit für einen Dinar pro Tag hinausgingen. Zu ihnen kamen die Hohepriester und machten ein Arbeitsangebot, sozusagen „auf einer Demonstration“ dazuzuverdienen – das war eine einfache, keine komplizierte Arbeit. Und diese dreißig, vierzig Personen schrien: „Gebe uns Barabbas los und kreuzige den König der Juden!“ Inwieweit kann das ganze Volk Israel Verantwortung dafür tragen? Es ist nicht vernünftig, wegen der Meinung einer kleinen Menschengruppe eine feindliche Haltung gegen das ganze Volk einzunehmen. Der böse Geist des Antisemitismus, der Geist des Hasses auf Israel ging in die Auslegung der Schrift hinein und gab ihm so eine Kraft.

Aber wir sehen, wie Markus die Einstellung des Volkes zu Jeschua beschreibt und darauf sollte man vor allem achten.

 (Mk. 15,14-19):

Pilatus aber sprach zu ihnen: Was hat er denn Böses getan? Aber sie schrien noch viel mehr: Kreuzige ihn! Pilatus aber wollte dem Volk Genüge tun und gab ihnen Barabbas los und ließ Jesus geißeln (39 Schläge) und überantwortete ihn, dass er gekreuzigt würde. (Für Soldaten im heißen Jerusalem ist alles eine Art Unterhaltung). Die Soldaten aber führten ihn hinein in den Palast, das ist ins Prätorium, und riefen die ganze Kohorte zusammen und zogen ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm auf und fingen an, ihn zu grüßen: Gegrüßet seist du, der Juden König! Und sie schlugen ihn mit einem Rohr auf das Haupt und spien ihn an und fielen auf die Knie und huldigten ihm. 

Sie blödelten so gut sie es nur konnten, und entblößten das Schlimmste in sich. Römische Soldaten, die weit vom Zuhause, von der Familie, von den Frauen waren, zeichneten sich weder durch gute Manieren, Kenntnis einer fremden Religion, noch durch Verständnis aus, gegen wen sie die Hand erhoben.

Der Beschreibung von Markus fehlt jegliche Mystik. Sie erschreckt genau durch ihre vollkommene Alltäglichkeit. Auf gleiche Art und Weise erschreckt uns die Beschreibung von Holocaust, die Beschreibung der Massenmorde usw. Markus gibt sich Leidenschaften, starken Emotionen nicht hin, er geht auf die Mystik nicht ein. Alles geschieht alltäglich, routiniert, eine vollkommen Routinehinrichtung. Es ist ein lustiger Tag in einer gewöhnlichen römischen Kaserne.

(Mk. 15,20):

Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Purpurmantel aus und zogen ihm seine Kleider an. Und sie führten ihn hinaus, dass sie ihn kreuzigten.

Nach dem Gesetz musste die zu kreuzende Person nicht das ganze Kreuz tragen, wie heutzutage häufig gezeigt wird, das ein Mensch läuft und trägt das Kreuz. Das Kreuz ist sehr hoch und schwer, es kann bis zu 200 Kilo wiegen. Jeschua musste aber nur den senkrechten Querbalken des Kreuzes tragen. Er wog etwas mehr als 70 Kilo, d.h. das war ein großes Stück des schweren Holzes. Jeschua, der müde, zusammengeschlagen und geschwächt war, konnte wahrscheinlich das Holz nicht tragen. Wir folgen wieder dem, was Markus erzählt (wir lassen außer Acht, dass einige Evangelien es anders beschreiben).

(Mk. 15,21):

Und zwangen einen, der vorüberging, Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage. 

D.h. Jeschua erreichte wahrscheinlich den Ausgang aus der Stadt. Hier begegnen sie dem vom Feld zurückkehrenden Schimon. Das ist ein uns unbekannter Schimon, irgendein Mensch, der vom Feld zurückkommt. Aber römische Regierung hatte das Recht ihn zur Teilnahme an dieser Aktion zu zwingen. Der siebzig oder fünfzig Kilo schwere Querbalken wurde auf ihn aufgeladen und er musste ihn tragen. Er musste ihn einige Kilometer bis zur Schädelstätte tragen.

Natürlich sagen einige Apokryphen, dass dieser Kyrenäer Jeschua so ähnlich war, dass er letztendlich statt Jeschua gekreuzigt wurde. Einer der gnostischen Apokryphen, der sehr gut das innere Wesen des Autors offenbarte, sagte: „Jeschua stand aber auf der Seite und lachte.“ Er lachte, dass jemand an seiner Stelle litt. D.h. dieser Autor hat solche Vorstellungen von Jeschua.

 (Mk. 15,22):

Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte.

In Jerusalem gibt es die Grabeskirche, wo sich Golgatha laut der Überlieferung befand. Es gibt auch das sogenannte „Gordons Grab“, das vom Engländer Namens Charles Gordon gefunden wurde. Er fand eine Begräbnisstelle im Felsen mit den Spuren des Erdbebens, mit großen langen Zisternen usw. Und er war der Meinung und diese Meinung wird auch heute vertreten, dass es eine Alternativvariante des Golgathas ist. Wenn dieser Gordon nicht zu einem Helden geworden wäre (er war ein englischer Offizier und fiel heldenhaft in der Republik Tschad), hätten die Engländer daran überhaupt kein Interesse. Lange Zeit wurde dieser Ort als „Gordon’s Tomb“ – Gordons Grab genannt. Das alles wurde mit Humor präsentiert wie ein Jerusalemer Kuriosum. Mit dem Gordons Tod in Tschad fing man an, den Namen der von ihm gefundenen Gruft richtig zu schreiben – „Garden Tomb“ – „Grabesgarten“.

Das alles ist schön und hilft uns ein historisches Bild zu verschaffen, wo und wie Jeschua begraben wurde. Aber es stellte sich heraus, dass die Gräber selbst sind Grabstätten aus dem zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, was in keinem Fall eine richtige Grabstätte Jeschuas sein kann. Für diese Hypothese stammt die Grabstätte aus einer zu frühen Zeit. Dies alles stellt die historische Korrektheit des Grabesgartens in Frage.  Nichtsdestotrotz ist es ein schöner Ort, um zu beten und Gemeinschaft zu haben.

Der Ort im heutigen Stadtzentrum lag aber früher außerhalb der Stadt und es kann wohl sein, dass dieser Ort Golgatha war.

Weiter schreibt Markus in kurzen Sätzen, im Protokollstil

(Mk. 15,23):

Und sie gaben ihm Myrrhe im Wein zu trinken; aber er nahm’s nicht. 

Myrrhe im Wein war eine Art des Schmerzmittels jener Zeit, es wirkte mehr berauschend als betäubend. Aber für die Schmerzen, die Jeschua erleiden musste, war es schon sehr behilflich. Wir erinnern uns an die Worte Jeschuas, dass er seinen Schülern versprach, keinen Wein mehr zutrinken. Noch ein Detail

(Mk. 15,24):

Und sie kreuzigten ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los darum, wer was bekommen sollte. 

Markus gibt hier keinen Hinweis auf König David, dass diese Geschichte einen Präzedenzfall ist. Markus sagt, dass es eine Routinearbeit war. Seine Hinrichtung war eine der drei Hinrichtungen, bei denen sich die Hingerichteten in den Augen der Henker kaum unterschieden. Niemand verstand, wer vor ihnen steht und wen sie hinrichteten.

 (Mk. 15,25):

Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten. 

Die dritte Stunde bedeutet nicht, dass es kurz nach14 Uhr war. Der Tag wurde in zwölf gleiche Stunden geteilt, d.h. wenn der Sonnenaufgang um sechs Uhr und der Sonnenuntergang um sechs Uhr war, dann war die dritte Stunde gegen neun Uhr morgens. In der Pessachzeit war es acht-neun Uhr morgens, als das Kreuz aufgestellt wurde und er gekreuzigt wurde.

(Mk. 15,26):

Und es stand geschrieben, welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden.

Pilatus konnte jedoch keine Beschuldigung gegen ihn finden – außer König der Juden, d.h. derjenige, der Anspruch auf den jüdischen Thron erhebt.

 (Mk. 15,27-28):

Und sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.

Er wurde tatsächlich mit Räubern gekreuzigt. Ich denke, so sah es in den Augen der umgebenden Menschen aus, mit Ausnahme diejenigen, die Jeschua noch am Leben kannten. Offensichtlich fand er nicht nur Liebe in der Bevölkerung, sondern auch Hass, weil manche Menschen begannen ihn zu verspotten.

(Mk. 15,29-33):

Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ha, der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir nun selber und steig herab vom Kreuz! Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohepriester untereinander samt den Schriftgelehrten und sprachen: Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen. Der Christus, der König von Israel, er steige nun vom Kreuz, damit wir sehen und glauben. Und die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn auch. Und zur sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.

Finsternis über das ganze Land ist nicht unbedingt absolute Dunkelheit. Sie dauerte, wie wir lesen, von sechs bis neun Uhr, d.h. ungefähr bis eins oder zwei Uhr nachmittags. Für viele konnte es bedeuten, sobald es dunkel wurde, das Schabbat beginnt und man konnte gehen und sich für Schabbat vorbereiten. Aber hier sehen wir, dass das Volk stehen bleibt und wartet.

Somit dauerte Finsternis bis neun Uhr. Insgesamt hat der Tag zwölf Stunden. Wir denken daran, dass es um zwölf dunkel werden soll. 

(Mk. 15,34):

Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

„Lama schebachtani“ ist die Übersetzung des Psalms (Ps. 22:1), der im Original lautet: „Lama asavteni“ – warum hast du mich verlassen. „Lama schebachtani“ bedeutet: Warum hast du mich im Stich gelassen? Warum hast du an mir verzweifelt? Warum hast du mich gelassen, nachdem du mich benutzt hast?

 (Mk. 15,35-36):

Und einige, die dabeistanden, als sie das hörten, sprachen sie: Siehe, er ruft den Elia. Da lief einer und füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu trinken und sprach: Halt, lasst uns sehen, ob Elia komme und ihn herabnehmen!

Wozu braucht der Mensch, Elia zu rufen? Wir wissen aus Midraschim(Auslegungen), dass es eine Variante gibt, nach der am Anfang des Jahrhunderts Maschiach ben Josef erscheint (Sohn Josefs, der leidende Messias), er wird von Heiden im Krieg umgebracht. Dann kommt Eliyahu(Elia), lässt ihn auferstehen, hebt ihn hoch und zusammen fahren sie in den Himmel. Danach wird das Kommen von ben David (Sohn Davids) oder des vollkommenen Messias verkündigt. Möglicherweise, laut einigen Versionen, fängt Maschiach ben Josef selbst an, sich als ben David zu offenbaren, d.h. er wird letztendlich ben David, indem er diese Berufung erbt.

Deswegen dachten die Menschen, dass Jeschua Elia ruft. Denn sie rechneten damit, dass Elia kommt und ihn auferstehen lässt.

(Mk. 15,37-38):

Aber Jesus schrie laut und verschied. Und der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten .

Wir hörten im vorherigen Kapitel, dass der Hohepriester beim Hören der Gotteslästerung seine Kleider zerreißt. Hier zerreißt der Tempelvorhang als Antwort auf Jeschuas Tod – der Himmel zerreißt Kleider.

 (Mk. 15,39-41):

Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen! Und es waren auch Frauen da, die von ferne zuschauten, unter ihnen Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome, die ihm nachgefolgt waren, als er in Galiläa war, und ihm gedient hatten, und viele andere Frauen, die mit ihm hinauf nach Jerusalem gegangen waren.

Dies wird erwähnt, weil sich die Frauen nicht um Schabbat kümmerten, keinen Schreck bekamen Qualen zu sehen. Sie standen geduldig  und schauten zu.

(Mk. 15,42-45):

Und als es schon Abend wurde und weil Rüsttag war, das ist der Tag vor dem Sabbat, kam Josef von Arimathäa, ein angesehener Ratsherr, (Josef aus Ramot, heute ist es das nördliche Gebiet Jerusalems) der auch auf das Reich Gottes wartete; der wagte es und ging hinein zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Pilatus aber wunderte sich, dass er schon tot war, und rief den Hauptmann und fragte ihn, ob er schon länger gestorben wäre. Und als er’s erkundet hatte von dem Hauptmann, überließ er Josef den Leichnam.

Hier können wir eine sehr interessante Erscheinung sehen, wie Josef in eine gefährliche Zeit (wir sahen, dass Petrus leugnete und sagte: „Ich kenne diesen Menschen nicht“) bereit ist, sein Leben zu riskieren, um den Leib Jeschuas zu bekommen. Niemand weiß, wie Pilatus darauf reagiert. Es ist sehr möglich, dass er Josef bestraft oder sogar hinrichtet (Pertrus hatte doch vor etwas Angst). Aber Josef von Arimathäa, der ein heimlicher Schüler Jeschuas war, fürchtet sich in diesem Fall vor nichts. Er geht und bittet tapfer, ihm den Leib abzugeben. Pilatus willigt ein.

Vor dem Schabbat schafft Josef, ein Leintuch zu kaufen, aber er schafft nicht Öle vorzubereiten.

 (Mk. 15,46-47):

Und der kaufte ein Leinentuch und nahm ihn ab vom Kreuz und wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das war in einen Felsen gehauen, und wälzte einen Stein vor des Grabes Tür. Aber Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Joses, sahen, wo er hingelegt war.

Hier besteht eine gewisse Parallele zu Mosche (Mose), als seine Mutter ihn in das Körbchen legt, Miriam (Mosches Schwester) blickt hinaus und beobachtet, wohin es schwimmt. Hier beobachten die Frauen von weitem, um zu verstehen, was man tun kann.

Schabbat beginnt. Trotz des Todes des Lehrers zwingt Schabbat die Jünger zu Hause zu bleiben. Obwohl, wenn man ehrlich ist, nach dem jüdischen Gesetz sind sie von allen Mizwot (Geboten) befreit, wenn der tote Lehrer vor ihnen liegt, wenn er noch nicht begraben ist. Da Jeschua aber in ein Leinentuch gewickelt liegt, ist es das minimale für die Beerdigung ausreichende Niveau. Die Schüler und die Frauen bewahren Schabbat und nur Gott weiß, was wirklich in ihren Herzen vorgeht.

Kapitel 16

(Mk.16,1-2):

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. 

Die Frage ist, wenn der Schabbat am Abend zu Ende ist, warum sie nicht mit dem Sonnenuntergang kamen?  Möglicherweise sind die Orte, wo man Öle kaufen konnte, noch nicht offen, weil es noch nicht dunkel genug ist. Eigentlich wird es sehr schwierig, dorthin in der Dunkelheit zurückzukehren. Die Frauen gehen dorthin und besprechen sich, wer den Stein wegwälzen wird.

Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

Wir wissen nicht, wie Josef von Arimathäa ihn verschlossen hat. Vielleicht zusammen mit der Dienerschaft vor Ort. In jedem Fall wurde der Stein für die Frauen weggerollt.

 (Mk. 16,5):

Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.

Aller Wahrscheinlichkeit nach war der zur rechten Hand sitzende Jüngling mit einem weißen Gewand ein Engel. So wurden gewöhnlich Engel beschrieben, als Jünglinge mit einem weißen Gewand.

 (Mk. 16,6-8):

Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. (Schaut hier: Hier lag er, jetzt ist er nicht da. Das ist ein Zeugnis, dass er auferstanden ist). Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. (Wenn wir uns daran erinnern, sagte Jeschua, dass er auf seine Schüler in Galiläa warten wird (Mark. 14:28)) Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen.

Sie liefen aus Angst vor dem Erlebten, aus Angst, Hoffnung auf die Auferstehung Jeschuas zu legen, dass diese Hoffnung vergeht, aus Angst, dass sie Engel gesehen hatten. Alles in allem hatten die Frauen keinen normalen Morgen.

Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.

Vielleicht fürchteten sie schlecht in den Augen anderer Mensch auszusehen. In jedem Fall endet das Markus Evangelium mit den Worten „denn sie fürchteten sich“.

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